Chinas digitale Transformation: Big Data und Nachhaltigkeit

Gastautor Portrait

Bernhard Felizeter und Askan Weidemann

Deutsche Auslandshandelskammer Peking

Bernhard Felizeter ist seit 2013 Abteilungsleiter für Bauen, Energie & Umwelt bei der Deutschen Auslandshandelskammer in Peking. Askan Weidemann absolviert derzeit einen Master-Studiengang für Politik und Internationale Beziehungen mit Chinaschwerpunkt an der Oxford-Universität.

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12. Mai 2020
Foto: pixabay.com

Auf den ersten Blick scheint die Entwicklung digitaler Technologien mit ökologischer Nachhaltigkeit wenig gemein zu haben. Während das Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und digitale Datenströme allesamt der Effizienz und Profitabilität in der Industrie und der Transformation von Produktionsprozessen dienen, priorisiert die ökologische Nachhaltigkeit den Ressourcen- und Umweltschutz.

In Wirklichkeit sind diese Ziele jedoch nicht nur miteinander vereinbar, sondern eng miteinander verknüpft. Ohne die Zuhilfenahme digitaler Technologien wären Unternehmen heute gar nicht in der Lage, einige Probleme der Umweltverschmutzung, der Abfallproduktion und der Energieeffizienz in wirksamer Weise zu lösen. Der Schlüssel zum Erfolg dieser Technologien heißt: Big Data.

Big Data – Das digitale Fundament für eine nachhaltige Zukunft

Auch die chinesische Regierung sieht die Förderung von Big Data-Anwendungen als essenzielle Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung.

Bernhard Felizeter und Askan Weidemann

Im Allgemeinen kann Big Data Transparenz in Industrie-, Umwelt- und Regierungsprozessen steigern. Auch lassen sich durch die Auswertung großer Datenmengen Einblicke in die Nachhaltigkeit verschiedener Produktionsprozesse gewinnen, Verkehrsentwicklungen in Echtzeit messen, Voraussagen in der Landwirtschaft treffen und nicht zuletzt Belastungsquellen aufspüren. Diese vielfältigen Einsatzmöglichkeiten können die Regierung und Unternehmen dabei unterstützen, ihre Effizienz zu steigern und, im Falle öffentlich zugänglicher Daten, zur Verantwortlichkeit zwingen.

Auch die chinesische Regierung sieht die Förderung von Big Data-Anwendungen als essenzielle Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung. Der erste Schritt, nämlich die Generierung großer Datenmengen, ist in China bereits gegeben. Mit einer Bevölkerung von fast 1,4 Milliarden Menschen und rund 800 Millionen Internetnutzern erzeugt, speichert und verarbeitet das Land schon heute mehr Daten als irgendein anderer Staat. Bis 2020 strebt China an, über 21 Prozent der weltweiten Daten zu verfügen. Der zweite Schritt, diese Daten auszuwerten und zum Zwecke der ökologischen Nachhaltigkeit nutzbar zu machen, ist ebenfalls bereits in Gang gesetzt.

Mit dem ambitionierten Modernisierungsprogramm „Made in China 2025“ erhofft sich die Regierung, Chinas Volkswirtschaft von einer energieintensiven Industrienation mit Überkapazitäten in eine hochtechnologische und intelligente Fertigungswirtschaft zu verwandeln, welche auf weitreichende Informations- und Kommunikationstechnologien setzt. Im aktuellen 13. Fünfjahresplan (2016-2020) wird zu diesem Zwecke die Implementierung der nationalen Big Data-Strategie als Priorität angeführt.

Big Data für Energie, Umwelt und Klima

Bei der Präzisionslandwirtschaft wird mit Hilfe modernster Technologien versucht, Ernteerträge zu steigern und den Ressourcenverbrauch zu minimieren

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In Verbindung mit nachhaltiger Entwicklung ist der Energiesektor wahrscheinlich das naheliegendste Einsatzgebiet von Big Data-Anwendungen. In den vergangenen Jahren hat die chinesische Regierung im Rahmen ihrer „Internet plus“-Strategie signifikante Investitionen für den Ausbau von Big Data-Anwendungen im Energiebereich getätigt. Von 2013 bis 2017 wurden durch die National Natural Science Foundation of China mehr als 27 Big Data-basierte Projekte der Energietechnikbranche finanziert. Neben staatlich geförderten Projekten haben auch Energieunternehmen in Big Data-Lösungen investiert und bemühen sich, Stromverbrauchsdaten zu sammeln und das individuelle Konsumverhalten ihrer Kunden auszuwerten, um auf diese Weise personalisierte und zugleich energieeffizientere Dienstleistungen anbieten zu können. So wurden in den letzten Jahren fast eine Milliarde intelligenter Stromzähler installiert, welche einen stetig wachsenden Datenstrom und dadurch ein zunehmend detailliertes Bild des allgemeinen Stromverbrauchs generieren.

Auch im landwirtschaftlichen Bereich setzen große Betriebe in China vermehrt auf Big Data-Anwendungen. Bei der Präzisionslandwirtschaft wird mit Hilfe modernster Technologien auf Basis von Sensordaten, Luftaufnahmen, Bodenanalysen und Wettervorhersagen versucht, die Ernteerträge zu maximieren und zugleich die Verwendung von Düngemitteln, Pestiziden, Wasser und anderer kostspieliger Ressourcen zu minimieren.

Die AHK Greater China unterstützt und fördert deutsch-chinesische Geschäftsbeziehungen.

Neben diesen Top-Down-Ansätzen setzt China auch verstärkt Bottom-Up-Methoden ein, um durch Miteinbeziehung der Bevölkerung größeren Druck auf lokale Regierungsbeamte und die Industrie auszuüben. So hat in den vergangenen Jahren die Zugänglichkeit zu umweltbezogenen Daten stark zugenommen. Besonders interessant ist hier die Applikation „Blue Map“ des China Institute of Public & Environmental Affairs (IPE), welche es der Bevölkerung seit 2015 ermöglicht, in Echtzeit Einblicke bspw. in die Luft- und Wasserverschmutzung innerhalb ihres Wohngebiets zu erlangen und genau zu erfahren, welche Unternehmen und Fabriken maßgeblich zur schlechten Luftqualität beitragen. Zugleich erlaubt die Plattform der Bevölkerung, Fehlverhalten und Verstöße zu melden, und trägt so direkt und mit großem Erfolg zum Umweltschutz bei.

Ebenso wie zur Regulation von Regierungsinstitutionen und Unternehmen kann Big Data allerdings auch zur Verminderung individueller Umwelteinflüsse dienen. So hat Alibaba beispielsweise die sehr erfolgreiche „Ant Forest“-App eingeführt, welche es den Nutzern auf spielerische Weise erlaubt, ihren eigenen CO2-Ausstoß zu messen und gezielt zu verringern. Somit ist Ant Forest die weltweit erste groß angelegte Bottom-Up-Initiative, die sich für Nachhaltigkeit im Konsumverhalten ihrer Nutzer auf Basis von Big Data-Analysen durch digitale Technologien und soziale Medien einsetzt.

Ausblick

Big Data wird als wesentlicher Grundbaustein auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in China weiter an Bedeutung gewinnen.

Bernhard Felizeter und Askan Weidemann

In Anbetracht der rapiden digitalen Entwicklung Chinas scheint das Potenzial, welches die Auswertung umweltbezogener Daten in sich birgt, schier grenzenlos zu sein. Doch trotz revolutionärer Neuerungen in Chinas Big Data-Sektor, welcher spannende und kreative neue Lösungen für Herausforderungen des Energie- und Umweltsektors hervorbrachte, ist dessen Leistungsvermögen noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Für Unternehmen besteht weiterhin die Herausforderung, passende Geschäftsmodelle zu entwickeln, um von diesen Technologien profitieren zu können. Aus diesen Gründen wird auch in Zukunft im Reich der Mitte eine große Nachfrage nach Unternehmen und Experten in diesem Bereich bestehen.

Für die Kooperation Deutschlands mit China bedeutet dies Potenziale in zahlreichen Be­reichen der Industrie, Digitalisierung und im Energie- und Umweltsektor. Zugleich hat aber auch die Ankündigung, in China ein umfassendes „Corporate Social Credit System“ (CSCS) einzuführen – mithilfe von digitalen Technologien wie Big Data und Online-Plattformen – viel Aufmerksamkeit erregt. Unternehmen mit Sitz in China müssen sich demnach auf neue Regulierungsmaßnahmen und öffentliche Kreditbewertungsplattformen einstellen. Schon heute gibt es Einstufungen für Unternehmen, u.a. hinsichtlich der Einhaltung von Umweltschutzauflagen.

Fakt ist: Big Data wird als wesentlicher Grundbaustein auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in China weiter an Bedeutung gewinnen.

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