China: Deutschlands Energiewende als Vorbild?

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Maximilian Ryssel und Markus Delfs

Gastautor
27. April 2020
Bildmaterial: Shutterstock/Jenson

Ohne China kann eine internationale Energiewende und die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht gelingen.

Maximilian Ryssel und Markus Delfs

In keinem anderen Land stehen mehr Kohlekraftwerke, aber gleichzeitig ist es – gemessen an der installierten Leistung – globaler Vorreiter beim Ausbau erneuerbarer Energien. Die Volksrepublik China erscheint oft auch klima- und energiepolitisch als „Land der Gegensätze“. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) berät Chinas Regierung bei der Gestaltung einer nachhaltigen Energiewende. Denn eines ist klar: Ohne China kann eine internationale Energiewende und die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht gelingen.

Im Rahmen des Pariser Klimaabkommens hat sich China zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2030 den Scheitelpunkt der CO2-Emissionen zu erreichen und den Anteil nicht-fossiler Energieträger am Primärenergieverbrauch auf 20% zu steigern (2019: 15%). Konkret baut China in rasantem Tempo die Leistung erneuerbarer Energien aus und führt mit einer Gesamtleistung von 771 Gigawatt (GW) die Welt an. Im letzten Jahr installierte die Volksrepublik 56 GW an neuen Wind- und Solaranlagen. Dies geht einher mit anhaltenden Anstrengungen zur Reformierung der Strom- und Energiemärkte, und Programmen zur Steigerung der Energieeffizienz in Industrie und Gebäuden. Ein Kohleausstieg ist dennoch aufgrund des immensen Energiebedarfs und des Strebens nach einer Reduzierung der Abhängigkeit von Energieimporten nicht in Sicht.

Kohle: China fällt der Ausstieg schwer

Im Gegenteil: Im letzten Jahr baute China 47 GW an thermischen Kraftwerken (überwiegend Kohle) zu. Denn anders als der stagnierende Gesamtstromverbrauch in Deutschland wächst Chinas Stromhunger weiterhin so rasant, dass es zuletzt im Sommer 2018 zu Stromengpässen in einigen Provinzen kam. Neugenehmigungen für Kohlekraftwerke versprechen einfache Lösungen, um den steigenden Energiebedarf zu stillen. Als drängendstes Problem für die Bevölkerung soll insbesondere die Luftverschmutzung in Chinas Metropolen durch die „Energierevolution“ bekämpft werden. Alte und ineffiziente Kohlekraftwerke werden abgerissen und durch neue hochmoderne Meiler ersetzt. Von hocheffizienten Niedrigemissionstechnologien profitiert die Luftqualität und, durch einen niedrigeren Kohleverbrauch, auch das Klima, so die Argumente der Kohlebefürworter. Aber auch strukturpolitische Erwägungen erschweren den „Einstieg in den Ausstieg“, so wie wir es auch bereits zuvor über viele Jahrzehnte hinweg in Deutschland beobachtet hatten. Etwa drei Millionen Menschen arbeiten heute in Chinas Kohleindustrie, 2013 waren es noch sechs Millionen Beschäftigte. Weitere Arbeitsplatzverluste könnten ganze Provinzen an den Existenzabgrund bringen.

Dennoch steht Chinas Kohleverstromung unter keinem guten Stern. Eine niedrige Auslastung (durchschnittlich 49%) und die zunehmende Netzparität erneuerbarer Energieträger belasten die Bücher der Kohlekonzerne. Etwa 50% der chinesischen Kohlekraftwerke schreiben rote Zahlen. Studien renommierter Forscher zeigen, dass sich Chinas steigender Strombedarf durch einen weiteren Ausbau erneuerbarer Energien, neue Stromtrassen und eine Vertiefung der Strommarktreform stillen ließe. Mit der State-owned Assets Supervision and Administration Commission (SASAC) – einer Aufsichtsbehörde für Staatsunternehmen – machte sich jüngst auch eine Regierungsbehörde für eine Reduktion der Kohlekapazitäten stark. In einem Entwurf, der Ende 2019 bekannt wurde, sprach sich SASAC aufgrund der schlechten finanziellen Lage der Kohlekraftwerke für eine Kürzung der Kohlekapazitäten der fünf großen staatlichen Energieversorger um bis zu 33% bis 2021 aus.

Chinas “Energierevolution” und Deutschlands Energiewende im Vergleich (oben), installierte Leistung und Stromerzeugung nach Energieträgern in China 2019 (unten).

2020 entscheidend für die Zukunft der chinesischen Energiewende

Das Jahr 2020 wird ein entscheidendes für die Zukunft der chinesischen Energiewende. Der 13. Fünfjahresplan (2016-2020) nähert sich dem Ende, und Chinas Wirtschaftsplaner stellen die Weichen für neue Zielsetzungen bis 2025. Die Nationale Energieadministration, Chinas Energieministerium, verkündete schon Anfang Januar die energiepolitischen Schwerpunkte der nächsten Jahre: Energiesicherheit, Effizienz, grüne Transformation und Innovation. Darunter findet sich auch weiterhin die Förderung effizienter Kohlekraft. Auch sind die energiepolitischen Auswirkungen der Covid-19-Krise noch nicht absehbar. Unterbrechungen der Lieferketten verzögern den Abschluss von Erneuerbare-Energien-Projekten. Experten schätzen, dass der Ausbau der PV-Kapazitäten in diesem Jahr von ursprünglichen 40 bis 50 GW auf 35 bis 45 GW absinken könnte. Da Chinas Regierung die bisherige Einspeisevergütung für erneuerbare Energien zum Jahresende weitgehend einstellen will, könnten Projektverzögerungen über das Jahresende hinaus die finanzielle Situation der Branche verschärfen. Gleichzeitig entbrennt, wie auch in Europa, die Diskussion um das richtige Konjunkturprogramm: Fällt China in das alte Muster – hohe Infrastrukturausgaben in die Kohle- und Schwerindustrie – zurück oder wird ein klares Signal für mehr Klimaschutz gesetzt?

Kooperation mit China: „Win-Win“ für beide Seiten

China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner, mit immensem Potenzial für den Absatz energietechnischer Lösungen und energieeffizienter Anlagen.

Maximilian Ryssel und Markus Delfs

Die Entscheidung muss China alleine treffen. Wichtig ist aber, dass Deutschland weiterhin mit gutem Beispiel vorangeht, denn unsere deutsche Energiewende wird in China eng verfolgt. Schafft eine Industrie- und Exportnation wie Deutschland die Energiewende und zeigt, dass ein klimafreundliches Wirtschaftssystem neue Perspektiven für alte Energieregionen schafft, kann auch China langfristig die Energierevolution gelingen. Im Auftrag verschiedener Bundesressorts berät die GIZ deshalb China bei der nachhaltigen Transformation seiner Volkswirtschaft. Die Themen sind mannigfaltig und umfassen den Kohleausstieg ebenso wie die Beratung von lokalen Behörden bei der Umsetzung von Klimaschutzkonzepten. Oftmals übernimmt China Vorschläge aus Deutschland. Beispielsweise orientiert sich Chinas Förderung für erneuerbare Energien am deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Jüngst übernahm China Teile des deutschen Energieauditstandards DIN EN 16247 in das nationale Regelwerk.

Dabei geht es nicht nur um den Austausch zur Energiewendepolitik sondern auch um eine Stärkung deutscher Handelsinteressen und den Abbau von Marktbarrieren. China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner, mit immensem Potenzial für den Absatz energietechnischer Lösungen und energieeffizienter Anlagen. Dennoch fehlt es häufig an den notwendigen Rahmenbedingungen für den Einsatz deutscher Spitzentechnologie. Wiederkehrendes Thema: Deutsche Anlagen sind in der Anschaffung oft teurer als die Konkurrenz, durch Energieeinsparungen im Betrieb jedoch über den Lebenszyklus hinweg günstiger. Im Rahmen der Deutsch-Chinesischen Energiepartnerschaft im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unterstützt die GIZ deshalb chinesische Entscheidungsträger u. a. mit Schulungen zu Lebenszykluskostenanalysen. Bessere Rahmenbedingungen stärken den deutschen Außenhandel, die Marke „Energiewende – Made in Germany“ und unterstützen den globalen Klimaschutz.

Hinweis: Der Artikel gibt die Meinung der Autoren wieder und repräsentiert nicht notwendigerweise die Position der GIZ.

Über die Autoren

Maximilian Ryssel

Project Manager, GIZ

Maximilian Ryssel ist seit 2018 als Berater für die GIZ in China tätig. Im Rahmen der Deutsch-Chinesischen Energiepartnerschaft berät er für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Chinas Regierung bei der Umsetzung von Energiemarktreformen und unterstützt die Anliegen deutscher Energieunternehmen in China. Er lebt seit 2015 in Peking.

Markus Delfs

Head of Cluster Sustainable Transition – Infrastructure, Energy, Mobility, Waste, GIZ

Markus Delfs leitet das Cluster Nachhaltige Transformation der GIZ in China, welches alle Kooperationsaktivitäten in den Bereichen Infrastruktur & Investition, Energie, Mobilität sowie Abfall- und Kreislaufwirtschaft im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie der Europäischen Kommission umfasst.

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