Bereit für die Klimakrise? Reichen die Anpassungsmaßnahmen? Bericht vom Debatten-Abend

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Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
02. Mai 2023

Die Anpassung in den Kommunen laufe. Die öffentliche Diskussion sei mal mehr, wie nach der  Katastrophe im Ahrtal, und mal weniger heftig. Vor Ort arbeite man aber kontinuierlich an den Maßnahmen. Die To-do-Listen seien lang und kostenintensiv. Der kurze Bericht von Dr. Susanne Nusser, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin beim Städtetag Baden-Württemberg, über die Aktivitäten der Städte und Gemeinden im Ländle war der Auftakt zu einer spannenden Veranstaltung. Ist unsere Infrastruktur vorbereitet für die Klimakrise? Reichen die Anpassungsmaßnahmen aus, um Investitionen und Menschenleben zu schützen?

Die Anpassung an die veränderte Umwelt beschleunigen

Sarah Krüger berät im Team Sustainability Advisory der Landesbank Baden-Württemberg Unternehmen bei der nachhaltigen Transformation ihrer Geschäftsmodelle. Sie verwies in ihrem Statement auf den jüngsten Bericht des Klimasachverständigenrates des Landes. Der prognostiziert, dass sich die jährliche Mitteltemperatur im Baden-Württemberg bis zum Jahre 2040 um 3° Celsius erhöhe. Mit dieser Steigerung habe die Landesregierung erst bis zum Ende unseres Jahrhunderts gerechnet. Die Klimaanpassungsmaßnahmen müssten jetzt an die neuen Herausforderungen angepasst werden.

Den Unternehmen sei im Grundsatz klar, dass die Lücke zwischen den aktuellen Emissionen und den Anforderungen des Pariser Klimaabkommens geschlossen werden müsse, so Krüger. Das Tempo lasse aber zu wünschen übrig. Sie plädiere dafür, die Themen der Anpassung stärker in den Blick zu nehmen. Dass es noch heißer und die Extremwetterereignisse zunehmen, sei nicht mehr zu ändern. Das Klimasystem sei träge. Die aktuelle Temperaturerhöhung gehe zurück auf die CO2-Emissionen bis 2013. Uns bliebe keine andere Wahl, als die Anpassung nun an die veränderte Umwelt nun zu beschleunigen.

Die Klimakrise ist auch eine Gerechtigkeitskrise

Bei den Maßnahmen in Deutschland offenbarten sich Probleme bei der Implementierung und bei der Anpassung der Regularien. Es sei nicht allein wichtig, was wir, sondern auch wie wir es tun.

Die Vorstandsvorsitzende von Germanwatch, Silvie Kreibiehl, koordinierte als Leitautorin den 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates. Die Klimafinanzierungsexpertin verfügt durch diese und andere Tätigkeiten über eine profunde internationale Erfahrung. Deutschland habe gute Voraussetzungen, um sich auf den Klimawandel einzustellen. Die Länder des Südens seien einerseits verwundbarer. Anderseits wären sie schuldlos an der Temperaturerhöhung, die fast ausschließlich von den Industrienationen verursacht worden sei.

Durch die Klimakrise täte sich eine neue Gerechtigkeitslücke auf. National wie international. Die Wohlhabenden hätten den Klimawandel befeuert und wären finanziell und technisch in der Lage, Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Folgen der Klimakrise träfen die Ärmeren ungleich härter. Das sei im Norden ebenso wie im Süden.

Bei den Maßnahmen in Deutschland offenbarten sich Probleme bei der Implementierung und bei der Anpassung der Regularien. Es sei nicht allein wichtig, was wir, sondern auch wie wir es tun. Um das 1,5°-Ziel noch zu erreichen, müssten alle Ebenen sehr schnell ins Handeln kommen. Der Transformationsprozess brauche ein großes Momentum.

Anpassungsmaßnahmen rentieren sich

Wenn wir nur im Rahmen unseres Budgets denken und überlegen, was wir priorisieren, dann haben wir schon verloren…. Bei der Bankenrettung galt „Whatever it takes“

Silvie Kreibiehl

Welche Folgen der Klimawandel verursache bekämen wir alle mit, führte Sarah Krüger aus. Die Risiken von Dürren, Verlust der Biodiversität, Starkregenereignisse und Klimaflucht würden enorme Kosten verursachen. Investitionen in die Anpassung könnten diese Kostenrisiken minimieren. Bisher gingen 80-90% der Investitionen in CO2-Vermeidungsstrategien. Wir müssten mehr Mittel in die Anpassung investieren. Denn das würde auch die Chancen, die im Transformationsprozess lägen, sichtbar machen. Widerstandsfähige Städte mit mehr Grün weniger Beton und kühleren Temperaturen wären lebenswerter, würden der Gesundheit und der Erholung dienen. Laut einer Studie des IÖW könnten zwischen 60 und 100% der klimabedingten Schäden durch die richtigen Investitionen und Maßnahmen vermieden werden.

Das Finanzkorsett der Kommunen in Baden-Württemberg sei sehr eng, meinte Susanne Nusser. Die Kommunalaufsicht verfolge das Haushaltsgebahren der Städte genau. Die Investitionen für den Klimaschutz und Anpassungsstrategien stünden im Wettbewerb mit den kommunalen Pflichtaufgaben. Dringlichkeit entscheide sich in der Konkurrenz. Kleinräumige Erwärmungsszenarien würden entwickelt, die Folgen für das Stadtgrün und die Trink- und Abwasserqualität untersucht. Ferner ermittele man die Möglichkeiten zur Speicherung des Wassers bei Starkregen (Schwammstadt). Das Land habe das Klimaschutzgesetz fortgeschrieben zum „Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz“. Es passiere viel. Aber vor Ort fehle es häufig an der Finanzierung.

Wenn wir weiter nur im Budget denken, könnte die Transformation nicht gelingen, entgegnete Silvie Kreibiehl. Es sei Zeit für die Haltung „Whatever it takes.“ Im Bund sei man da mit der Aufweichung der Schuldenbremse schon einen Schritt weiter. Wir sollten überholte ökonomische Glaubenssätze im Angesicht der Mehrfachkrise über Bord werfen. Investiert werden müsse in Anpassungs- und Vermeidungsstrategien. Solche Investitionen seien, das zeigten alle Untersuchungen, rentabel. Zudem, ergänzte Sarah Krüger, gehe es um Menschenleben.

Klimapolitik vor Ort als Chance

Einig war sich das Podium, dass in den Kommunen vor Ort die Chance größer sei, die positiven Effekte von Anpassungs- und Vermeidungsmaßnahmen zu vermitteln. Wie kann eine lebenswerte Zukunft aussehen? Welche Infrastruktur brauchen wir dafür? Solche Fragen ließen in der Heimatstadt lebensnäher, konstruktiver und weniger abstrakt diskutieren. Der Zugang der Kommunalpolitik zur Gesellschaft könnte dementsprechend genutzt werden.

Sarah Krüger plädierte dafür, den vorhandenen Druck zu nutzen. Um das Klimarisiko zu bestimmen, gebe es bereits ein entsprechendes Tool der EU (https://www.copernicus.eu/de/dienste/klimawandel). Damit ließe sich eine Standortuntersuchung durchführen. So bekomme man ein Gefühl für das Gefährdungspotential und könnte so konkret daran arbeiten, die Schadenskosten zu minimieren.  Die Klimakrise sei eine Wette auf die Zukunft.

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