Welche Maßnahme bringt die urbane Energiewende am meisten voran?
Das war die Frage, die wir unseren Leserinnen und Lesern stellten. Begleitet war diese Umfrage von unserem Themenschwerpunkt Energiewende in der Stadt, der nicht nur im Blog stattfand, sondern auch live vor Ort: Am 29. Juni haben sich anlässlich der Urban Energy Talks zahlreiche engagierte Energiewende-Macher rege an mehreren Panels mit unterschiedlichen Themen rund um die Energiewende in der Stadt beteiligt.
Bandbreite der Maßnahmen groß, Hebel unterschiedlich
Mögliche Antworten auf die Frage zu den Beschleunigern für die Energiewende in der Stadt gibt es sehr viele. Für unsere Umfrage haben wir drei Aspekte ausgewählt und zur Diskussion gestellt: Das neue Mieterstromgesetz, neue Quartiers- und Wohnkonzepte sowie die Altbau-Sanierung mit erneuerbaren Wärmequellen. Dem Thema Altbau-Sanierung wurde von unseren teilnehmenden Leserinnen und Lesern mit Abstand der meiste Zuspruch gewährt: 65 Prozent der insgesamt 75 Teilnehmer haben dem Aspekt der Altbau-Sanierung einen höheren Wirkungsgrad attestiert in Fragen der urbanen Energiewende als den anderen beiden Aspekten Mieterstromgesetz (9 Prozent) und Quartiers- und Wohnkonzepte (25 Prozent). Unsere Umfragen sind grundsätzlich nie repräsentativ, aber stellen oft Tendenzen dar innerhalb der Community von Energie(wende)-Experten.
Altbau-Sanierung mit hohem Wirkungsgrad
Blicken wir auf die Potenziale, die die Altbau-Sanierung birgt, zeigt sich neben dem hohen Einsparpotential eine Fülle an Maßnahmen, die von öffentlichen Stellen unterstützt werden. Dazu zählen u.a. KfW-Förderungen, Beratungsinstrumente wie der neue, individuelle Sanierungsfahrplan, oder Marketing- und Informationsprogramme wie „Dämmen lohnt sich“ oder die unabhängig Plattform „Zukunft Altbau“. Diese motiviert und informiert bereits seit 1999 für mehr und qualitativ bessere energetische Sanierungen. In vielen Fällen ist der springende Punkt, dass eine Sanierung allein nicht reicht, sondern ihre Qualität und damit ihre Wirksamkeit ausschlaggebend ist. Hierauf zielt auch der individuelle Sanierungsfahrplan ab, der dazu dient, einen langfristigen Überblick über die in einem Gebäude langfristig anstehenden Sanierungsschritte zu erhalten. Dazu zählen Energieeinsparpotenziale, Einsatzmöglichkeiten für erneuerbare Energien sowie die damit sich ergebenden Heizkosten und CO2-Einsparungen.
Dazu erläutert Frank Hettler, Geschäftsführer von Zukunft Altbau: „Die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden birgt neben dem höchsten Einsparpotenzial zusätzlich verbesserten Wohnkomfort und Werterhalt des Gebäudes.“ Zudem betont er, dass Hausbesitzer, die die Bausubstanz ihrer Immobilie „fit halten“, sich in Zukunft weniger Gedanken über Altersarmut machen und weniger Rechtfertigung vor ihren Enkeln vorbringen müssten. „Sie haben dann etwas getan für die eigene Vorsorge und bei den Voraussetzungen für die kommenden Generationen“, so Hettler.
Altbau-Sanierung bleibt im (digitalen) Trend
Wenn man einen Blick auf die Google Trends-Statistiken wirft und hier den Suchbegriff „Altbau Sanierung“ eingibt, ist gut zu erkennen, dass seit 2004 der Trend zwar abgenommen hat, aber dafür seit etwa 2012 auf einem konstanten Niveau bleibt. Aufgrund der explodierenden Anzahl an Google-Nutzern seit 2004 und der damit einhergehenden steigenden Themenvielfalt ist der konstant bleibende Wert als grundsätzlich positives Indiz zu werten. In anderen Worten kann man sagen, dass das Thema Altbau Sanierung ein gleichbleibendes Bewusstsein unter den Google-Nutzern und damit nahezu identisch mit den deutschsprachigen Internetnutzern hat.
Mieterstromgesetz: Mehr rechnerisches als reales Potenzial
Das neue Mieterstromgesetz, im Mai diesen Jahres vom Bundestag verabschiedet, muss sich zunächst in der Praxis bewähren. Eine vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragte Studie hat das große Potenzial benannt: So ist die Rede von 3,8 Millionen Wohnungen, also Haushalten, die für Mieterstrom in Deutschland grundsätzlich in Frage kommen. Diese teilen sich auf 370.000 Wohngebäude auf, also potenziell 370.000 zusätzliche Solaranlagen für Deutschland, die mithilfe des Mieterstromgesetzes installiert werden könnte. Diese Zahlen allein sollten aber nicht zur Beurteilung herangezogen werden, es lohnt ein genauerer Blick in die Potenzialstudie. Hier wird im Gesamtfazit gesagt: „Aus der betriebswirtschaftlichen Analyse von Mieterstrommodellen für unterschiedliche Gebäude- und PV-Anlagengrößen geht hervor, dass das bestehende Potenzial trotz der bereits erheblichen indirekten Förderung in vielen Fällen auch wegen fehlender Wirtschaftlichkeit nicht ausgeschöpft werden kann. Eine weiter gehende Förderung wäre demnach notwendig…“
Schnell schmilzt die Potenzial-Zahl zusammen. Der „moderate Ausbaupfad Mieterstrom“, der in der Studie die Erschließung von Gebäuden und Teilnehmern beziffert, liegt bei rund 12.530 Gebäuden pro Jahr. Die Essentials, die man sich merken sollte: Mieterstrom alleine wird die Energiewende in der Stadt nur langsam und in kleiner Dosis positiv beeinflussen. Aber auch die kleinen Schritte sind es, die zum großen Ganzen beitragen. Dazu meint auch Dr. Carsten Tschamber, Geschäftsführer von SolarClusterBW: „Durch das Mieterstromgesetz werden zwar viele Mieterstromprojekte wirtschaftlicher, allerdings hat die Politik die Chance verpasst, die Umsetzung einfacher zu gestalten.“ Danke an unsere Leserinnen und Leser, die diese Einschätzung so wiedergegebenen haben.
Standpunkte unserer Leser über weitere wichtige Optionen
In unserem Artikel-Forum sowie auch auf der Facebook-Gruppe „Europäische Energiewende“ brachten einige unserer Leserinnen und Leser weitere Aspekte ins Spiel, die in Zusammenhang mit der urbanen Energiewende eine große Rolle spielten. So betont eine Leserin bei uns im Blog, dass die Strompreisgestaltung genannt werden müsse, da diese „eine der wichtigsten Komponenten für die Durchsetzung der Energiewende grundsätzlich und besonders in den Städten sei.“ Sie liefert dazu auch eine ausführliche Begründung. Ein langjähriger Leser dagegen lenkt den Blick auf die Potenziale der Kraft-Wärme-Kopplung und Nahwärmekonzepte auf Biomasse-Basis in Ballungsgebieten. Ein herzliches Dankeschön allen unseren Leserinnen und Lesern, die sich mit Votings und Diskussionsbeiträgen beteiligt haben.
Unsere Umfrage lief vom 12. Juni bis zum 21. Juli 2017. An ihr nahmen 75 Personen teil.
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