Ladeinfrastruktur für die Mobilitätswende: Einfach machen!

Gastautor Portrait

Timo Sillober

EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Timo Sillober leitet als Chief Sales & Operations Officer den Vertrieb sowie die vertriebliche Produkt- und Geschäftsentwicklung der EnBW. Unter seiner Führung hat die EnBW ihre strategischen Aktivitäten in der Elektromobilität massiv ausgebaut: Das Unternehmen ist führend im Bereich Schnellladen und betreibt bundesweit das größte Schnelladenetz Deutschlands. Der gebürtige Österreicher war vor seinem Wechsel in die Energie- und Infrastrukturbranche für den Vodafone Konzern tätig, zuletzt als Mitglied der Geschäftsleitung von Vodafone Deutschland und dort zuständig für den Bereich Transformation & Digital. Vor dieser Zeit hatte Timo Sillober mehrere Führungspositionen in der Siemens AG inne. Er hat Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert.

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16. November 2021
Foto: EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Die Mobilitätswende ist eines der größten Erneuerungsprojekte unserer Zeit. Sie wird mittelfristig ein Erfolg werden. Die entscheidende Frage ist allerdings wann und vor allem mit welcher Geschwindigkeit. Und – wie einfach und kundennah gestalten wir den Umstieg auf E-Mobilität?

In pragmatischen Lösungen liegt meist der Schlüssel zum Erfolg; das gilt auch und vor allem im Bereich der Ladeinfrastruktur. Fragen wir Nutzer:innen, was sie sich bei der E-Mobilität wünschen, dann sind die Antworten meist auch ganz einfach. Das Problem? In der Regel werden die Kund:innen gar nicht erst gefragt und Lösungen am Kunden vorbei implementiert.

„Es ist einfach. Ich verstehe es. Es funktioniert. Ich fühle mich wohl.“

Die meisten Menschen interessieren sich an der Ladesäule nicht fürs komplizierte Back-end im eigenen Auto.

Timo Sillober

Die meisten Menschen interessieren sich an der Ladesäule nicht fürs komplizierte Back-end im eigenen Auto. Auch nicht für digitale Authentifizierungs- oder Bezahlverfahren, die im Hintergrund ablaufen. Schon gar nicht für Infrastukturintensität, Gleichzeitigkeitsfaktoren oder statistische Mittel. Sie wollen in erster Linie: Schnell laden. Zügig bezahlen. Weiterfahren. Sie wollen, dass das Handling beim Ladevorgang möglichst einfach und bequem ist.

Wir bei der EnBW wissen das aus dem direkten Kundenfeedback. Denn, wir hören den Nutzer:innen tatsächlich zu und bekommen täglich wertvolles Feedback. Und in der Tat stellt sich bei der Lektüre dieses Feedbacks heraus, dass die Menschen sich ganz pragmatische Dinge wünschen. Eine überdachte Bank, wo man sich hinsetzen kann. Beleuchtung, damit man (und vor allem Frau) sich wohl und sicher fühlt. Gute Beschilderung, die bei der Orientierung hilft. Und schlussendlich – vor allem eine funktionierende Ladesäule.

Mehr Kundenperspektive, weniger Technokratie wagen!

Einfach, pragmatisch, gut. Das ist es, was unsere Kund:innen bewegt. Nehmen wir einmal das Thema Bezahlverfahren beim Ladevorgang. Der klassische und wohl noch immer meist verbreitete Weg ist die Zahlung per Ladekarte. Aber nicht erst seit kurzem ist das Smartphone das Tool der Wahl, um Zugtickets zu buchen, im Wallet Kinokarten zu hinterlegen oder per Apple Pay zu bezahlen. Da macht es nur Sinn, auch die E-Mobilität vornehmlich über das Handy zu managen – denn das haben die Menschen einfach immer dabei – egal in welchem Auto sie gerade sitzen. Und übrigens auch da, wo sie laden. Wenn dieses Thema nicht im Sinne der Nutzer:innen und damit möglichst einfach angelegt ist, konstruieren wir hier eine Sollbruchstelle.

Auch das Thema der grenzüberschreitenden E-Mobilität wird in den Diskussionen gerne vergessen, dabei ist es für die Menschen von zentraler Bedeutung. Denn das Laden muss überall funktionieren. Und im besten Fall auch das Gleiche kosten, damit es keine Überraschungen gibt. So wie im EnBW HyperNetz: Von Flensburg bis Florenz, von Berlin bis Bordeaux – es gibt einen einheitlichen Preis an über 200.000 Ladepunkten – egal ob man in Österreich, der Schweiz, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg oder Liechtenstein mit dem E-Auto unterwegs ist.

Nur wer sich wohl fühlt, steigt um.

Neue Gesetze, gerade im Bereich E-Mobilität, sollten immer eine Art »Industrie-Check« durchlaufen.

Timo Sillober

Wir stehen in regelmäßigem Austausch mit unseren Kund:innen. Und die sagen uns ganz deutlich, was sie wollen. Hier gilt klar: einfach machen. Bevor man deutschlandweit Ladesäulen mit Kreditkartenterminals aufrüstet, sollte man in etwas investieren, was dafür sorgt, dass die Menschen gerne laden. Und, das können beispielsweise auf den ersten Blick „profane“ Dinge sein wie Licht, Toiletten oder Sitzbänke.

Wenn wir mehr Pragmatismus und Einfachheit in die E-Mobilität bringen wollen, dann hilft es also, genau hinzuhören, was die Menschen bewegt. Und dementsprechend zu handeln. Denn: Kundenrealität schlägt Technokratie.

Die aktuell laufende Ausschreibung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) für das Deutschlandnetz ist hier leider kein gutes Beispiel – weder für Geschwindigkeit noch für Einfachheit. Im Kern wird hier das richtige Ziel verfolgt: Das Deutschlandnetz soll die Grundversorgung mit Schnellladeinfrastruktur im Mittel- und Langstreckenverkehr mit rund 8.000 zusätzlichen Schnellladepunkten sicherstellen. Nur mit dem Makel, dass es hier durch das mehrmonatige, mehrstufige Bewerbungsverfahren viele bürokratische Hürden gibt, bis die positiven Bescheide verschickt werden und der Ausbau in Q3 2022 überhaupt beginnen kann.

In diesem Zusammenhang ein Gedanke am Rande: Neue Gesetze, gerade im Bereich E-Mobilität, sollten immer eine Art „Industrie-Check“ durchlaufen. Einen „Realitäts-TÜV“, der die Kundenperspektive in den Mittelpunkt stellt. Damit der Ausbau der Ladeinfrastruktur noch schneller vorankommt. Das Ziel muss auch hier sein: Pragmatische Lösungen, um das bestehende Netz flächendeckend in hoher Qualität und Geschwindigkeit auszubauen. Ein Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Politik sowie ein regelmäßiger, enger Dialog zwischen den verschiedenen Playern (Fahrzeughersteller, Energieversorger, Zahlungsdienstleister, Plattformbetreiber, etc.) ist hier von Nöten. Denn nur, wenn wir die Menschen in ihrem Alltag für Elektromobilität begeistern können, gelingt die Mobilitätswende.

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