Prof. Dr. Volker Quaschning im Interview: Paris einhalten, Erneuerbare ausbauen.

Gastautor Portrait

Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
18. November 2020

China hat ein großes kommerzielles Interesse am Klimaschutz. Er treibt schon jetzt einen großen Teil der Wirtschaft an.

Prof. Dr. Volker Quaschning

Redaktion: Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Quaschning, lassen Sie uns mit einem Blick über den Tellerrand beginnen. Während unseres Gespräches werden in den USA die Stimmzettel ausgezählt. Und es sieht so aus, als bekäme die USA einen neuen Präsidenten. Welche Auswirkung wird diese Wahl auf den internationalen Klimaschutz haben?

Prof. Dr. Volker Quaschning: Ganz klar ist das ein wichtiges Signal. Jo Biden hat ein sehr ambitioniertes Programm beim Klimaschutz, das Deutschland alt aussehen lässt. Aber die Präsidentenwahl alleine ist weder für den Klimaschutz in den USA noch global von herausragender Bedeutung. Selbst unter einem Präsidenten Trump, einem Leugner des von Menschen gemachten Klimawandels und einem großen Förderer der fossilen Energien, wurden in den letzten Jahren signifikant Kohlekraftwerke abgeschaltet. Und der Ausbau der erneuerbaren Energien ging auch in den USA weiter. Das ist einfach eine Frage des Marktes. Erneuerbare Energien sind preiswerter als ihre fossile Konkurrenz. Das macht den entscheidenden Unterschied. Wichtig für den Klimaschutz in den USA ist jetzt vor allem der Ausgang der Wahlen zum Senat. Dort werden Gesetzte zum Klimaschutz beschlossen. Für die notwendigen Maßnahmen bei der angekündigten Rückkehr in den Pariser Klimavertrag bräuchte Joe Biden dort eine Mehrheit.

Redaktion: China hat mit seinem Versprechen, bis 2060 klimaneutral zu sein, jüngst aufhorchen lassen. Werden wir uns daran gewöhnen müssen, dass ein autoritärer Staat beim Klimaschutz zum internationalen Schrittmacher wird?

Prof. Dr. Volker Quaschning: Die chinesische Klimapolitik zeichnet sich seit Jahren durch eine gewisse Zweideutigkeit aus. Zum einen gingen und gehen dreckige Kohlekraftwerke ans Netz. Zum anderen hat das Land beim Ausbau der erneuerbaren Energien mit weitem Abstand die Spitzenreiterposition inne. Bei allen Technologien, die beim Klimaschutz eine Rolle spielen, gehören die Chinesen zu den Treibern der Innovation. Ob Windkraft, Fotovoltaik, Elektromobilität oder Speichertechnologie: die chinesische Wirtschaft setzt technologisch und quantitativ global die Maßstäbe. Das heißt aber auch: China hat ein großes kommerzielles Interesse am Klimaschutz. Er treibt schon jetzt einen großen Teil der Wirtschaft an.

Das Ziel, 2060 klimaneutral zu sein, ist dabei noch nicht mal einmal besonders ambitioniert. Da China selbst zu den Ländern gehört, die durch den Anstieg der Temperaturen und den Klimawandel massiv zu leiden haben werden, wird das Land auch aus Gründen des Selbstschutzes handeln.

(Hinweis der Redaktion: Hier finden Sie ein aktuelles Ranking der Länder, die am stärksten auf grüne Energien setzen.)

Es ist ein großer Verdienst von Fridays for future, hier in der Debatte für die nötige Klarheit gesorgt zu haben.

Prof. Dr. Volker Quaschning

Redaktion: Kommen wir zurück nach Deutschland und Europa. Wir haben Klimaschutzziele für die Jahre 2020, 2030 und 2050. Die sind jeweils unterlegt durch Sektoren. Dazu gibt es noch Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien. Und all das sowohl in Deutschland als auch auf Ebene der EU. Und nicht zuletzt haben wir ein, man kann es gar nicht oft genug betonen, völkerrechtlich verbindliches Ziel im Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet und ratifiziert? Brauchen wir nicht mehr Transparenz im Klimaschutz?

Prof. Dr. Volker Quaschning: Es ist immer eine Herausforderung, einen komplexen Zusammenhang mit wenigen verständlichen Zahlen zu erläutern. Man kann es auch in der aktuellen Corona Diskussion verfolgen. Jede Zahl, die genannt wird, führt zu einem neuen Diskussionsstrang. Noch wichtiger als die Transparenz ist die verständliche Kommunikation der Fakten und Maßnahmen.

Ausgehend vom Pariser Klimaschutzabkommen und dem dort festgelegten Ziel von 1,5° maximaler globaler Temperaturerhöhung sollten wir festhalten: Um dieses Ziel zu erreichen, muss Deutschland spätestens im Jahr 2035 klimaneutral sein. Klimaneutral heißt: alle fossilen Energieträger müssen bis dahin durch erneuerbare Energieträger ersetzt werden. Nach 20 Jahren der Energiewende beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch lediglich 20 Prozent. Der durchschnittliche Zuwachs pro Jahr betrug bisher deutlich weniger als 1 Prozent. Um Paris einzuhalten, müssen wir das Tempo der Energiewende um den Faktor 5 beschleunigen.

Wissenschaftler formulieren in der Regel immer sehr vorsichtig. Auch die Berichte des IPCC zeichnen sich durch eine eher abwägende Sprache aus. Und so diskutieren wir mal über die Ziele des Jahres 2020 dann über den Sektor Mobilität im Jahre 2030 und verlieren dabei die zentralen Fakten aus den Augen. Es ist ein großer Verdienst von Fridays for future, hier in der Debatte für die nötige Klarheit gesorgt zu haben. Das Pariser Klimaabkommen ist ein Kompromiss, der zwischen den beteiligten 195 Staaten erzielt. Das ist die völkerrechtlich verbindliche Richtschnur für unser Handeln. Daraus leiten sich für uns alle weiteren Schritte ab. Klimaneutralität bis 2035, Beschleunigung beim Ausbau der Erneuerbaren, Abschaltung der Kohlekraftwerke sowie das Ende von Erdgas, Heizöl, Benzin und Diesel. Das ist überlebensnotwendig.

Es ist absurd, dass die Genehmigung einer Windkraftanlage inzwischen ähnlich komplex ist wie die einer Munitionsfabrik.

Prof. Dr. Volker Quaschning

Redaktion: Was bedeutet das für den Ausbau der erneuerbaren Energien? Wie bekommen wir da die fünffache Beschleunigung hin?

Prof. Dr. Volker Quaschning: Zunächst müssen wir die Hemmnisse beseitigen, die dem Ausbau der neuen Energien im Wege stehen. Solar und Wind. Grundlegende Anreize sollte ein ausreichend hoher CO2-Preis setzen, der den Einsatz fossiler Energien unattraktiv macht. Ferner brauchen wir eine Umkehrung der Abgabenlast. Ökostrom sollte von Steuern und Abgaben befreit werden, während Öl und Gas stärker belastet werden müssen.

Und wir müssen auf die langfristigen Effekte schauen. Pkws haben eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 15 bis 20 Jahren. Bei Heizungen sind es 20 Jahre und mehr. Folglich dürfen neue Öl- und Gasheizungen nicht mehr eingebaut werden. Ab sofort. Gleiches gilt für die Neuzulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Ansonsten können wir bis 2035 keine Klimaneutralität erreichen.

Wenn wir jetzt umschwenken und sowohl unseren Verkehrssektor als auch die Gebäudeenergie auf grünen Strom umstellen, wird die Nachfrage nach erneuerbarem Strom stark steigen. Entgegen anderslautenden Prognosen haben wir genügend Fläche für den nötigen Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland. Wir brauchen lediglich ca. 2 Prozent der Landesfläche für die Windenergie und ein Prozent für die Fotovoltaik. Das würde ausreichen, um den Gesamtenergiebedarf Deutschlands zu decken.

Redaktion: Jeder Bau einer neuen Windkraftanlage in Deutschland ist heiß umkämpft. Scheitert die Beschleunigung nicht schon an den Verwaltungsgerichten?

Prof. Dr. Volker Quaschning: Geschehen muss auch etwas im Planungsrecht. Es ist absurd, dass die Genehmigung einer Windkraftanlage inzwischen ähnlich komplex ist wie die einer Munitionsfabrik. Daher sollte in den Verfahren weiterhin erörtert und diskutiert werden, wie die Anlagen zu bauen sind. Aber das Ob des Baus darf nicht mehr zur Disposition stehen.

Zur Person

Prof. Dr. Volker Quaschning

HTW Berlin

Person

Volker Quaschning ist seit 2004 Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin und heute dort Sprecher für den Studiengang Regenerative Energien. Der studierte Elektrotechniker promovierte 1996 an der TU Berlin über Photovoltaiksysteme und schloss 2000 seine Habilitation über eine klimaverträgliche Elektrizitätsversorgung in Deutschland ab. Er hat inzwischen mehrere erfolgreiche Bücher geschrieben, betreibt das Informationsportal www.volker-quaschning.de zu erneuerbaren Energien und Klimaschutz und ist gefragter Redner und Interviewpartner.

Diskutieren Sie mit

  1. Tom

    vor 3 Jahren

    Soweit mir bekannt baut China auch massiv die Kernkraft aus. Das kann was den CO2 Ausstoss angeht eine gute Idee sein.
    Irgendeine Meinung dazu?

  2. Hubertus Grass

    vor 3 Jahren

    Wie Sie wissen, hat sich Deutschland mit ganz großer Mehrheit im Bundestag dazu entschieden, aus der Kernkraft auszuscheiden. Es gibt viele Gründe gegen die Kernkraft. Hier sei nur einer genannt: Kein Betreiber ist in der Lage, eine hinreichende Betriebshaftpflichtversicherung vorzulegen. Mein Frisör hat eine.

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  3. Gerhard WERNER

    vor 3 Jahren

    Wenn die chinesische Politik heute noch Kohlekraftwerke bauen läßt, dann wird sie die wohl derzeit noch brauchen, bis sie mit EE genügend erreichen kann. Anders als bei uns, können die auf Betreiben der Regierung schon nach 5 Jahren wieder o h n e Entschädigung "eingestampft werden.

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