Regierung ohne Grün, ist wie Klima ohne Schutz

Gastautor Portrait

Michael Kellner

Politischer Bundesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen

Michael Kellner ist Politischer Bundesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen. Er ist 1977 im thüringischen Gera geboren und aufgewachsen. Er ist verheiratet, lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Berlin und in der Uckermark. Sein Studium der Politikwissenschaften in Potsdam, Canterbury, Großbritannien und East Lansing, USA hat er 2002 abgeschlossen. Mitglied bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist er seit 1997. Seit Oktober 2013 ist er politische Bundesgeschäftsführer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Seit 2014 ist er Mitglied im Aufsichtsrat und in der Mitgliederversammlung der Heinrich-Böll Stiftung. Michael Kellner leitet die Wahlkämpfe auf Bundesebene. 2017 verantwortete er den Bundestagswahlkampf, mit dem bisher zweitbesten Ergebnis von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. In den Jamaika-Sondierungen nach der Bundestagswahl 2017 koordinierte er die Gespräche und verantwortete die Kommunikation in die Partei und in die Öffentlichkeit mit. Auch den Wahlkampf zur Europawahl 2019, mit über 20 Prozent das historisch beste Wahlergebnis bei einer bundesweiten Wahl, verantwortete er. Im November 2019 wurde er erneut ins Amt des politischen Bundesgeschäftsführers gewählt und wird die Partei als Wahlkampfleiter in die Bundestagswahl 2021 führen. Im November 2020 wurde er zum Direktkandidaten für den Wahlkreis Uckermark/Barnim 1 gewählt.

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06. September 2021

Eine Anmerkung der Redaktion der Stiftung Energie & Klimaschutz: Wir geben den Bundesparteien eine Stimme, konkret: Den Fachexpertinnen und Fachexperten von CDU, SPD, FDP, DIE LINKE, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN. 

Welche Rolle der Klimaschutz im Bundestagswahlkampf spielt haben wir als Leitfrage den oben genannten Parteien gestellt und Antworten bekommen. Klar ist: noch nie hat der Klimaschutz eine so präsente Rolle im Wahlkampf und in der öffentlichen Berichterstattung bekommen wie derzeit, kurz vor der nächsten Legislaturperiode.  

Der erste globale Klimastreik, organisiert von Fridays for Future, fand im Frühjahr 2019 statt. Zum Antritt der jetzt noch im Amt befindlichen Bundesregierung hatte der Klimaschutz keine so laute und vernehmbare Stimme in der Zivilgesellschaft, wie sie in den vergangenen zwei Jahren entstanden ist. 

Der Refrain „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“ von Fridays for Future ist ein Appell an die Politik, spürbare Veränderungen in der Klimaschutz-Politik umzusetzen, zeitnah. Der Appell kam an – keine der genannten Parteien lässt Klimaschutz in Wahlprogramm oder auch Wahlkampagnen außen vor.  

Doch wo sind die Schwerpunkte und wie unterscheiden sich die Vorhaben in den Details? Was sind die konkreten Wahlprüfsteine? Antworten geben Energie-Expertinnen und Energie-Experten mit ihren Gastbeiträgen, die ab dem 6. September vor der diesjährigen Bundestagswahl hier veröffentlicht werden. 

Wir bedanken uns für die Gastbeiträge, die uns als Antwort auf unsere Anfrage erreichten. Heute schreibt Michael Kellner, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN.

Unser Ziel sind Gebäude, die gut gedämmt sind, verbrauchsarme Autos, auch wenn sie elektrisch betrieben werden, effiziente Gewerbe- und Industrieprozesse sowie Weitergabe und Nutzung von Abwärme.

Michael Kellner

1) Halten Sie die Erreichung des Ziels aus dem Pariser Klimaschutzabkommen – eine Begrenzung der Erderwärmung deutlich unter 2° – noch für erreichbar?

Ja, das Ziel ist noch erreichbar. Dafür braucht es aber jetzt unmittelbares und substanzielles Handeln in Form eines klugen Mix aus Förderprogrammen, Ordnungsrecht und Preissignalen. Ein wirksamer CO2-Preis auf fossile Energieträger macht Klimaschutz betriebswirtschaftlich sofort lohnend, Förderprogramme helfen beim Umstieg auf klimafreundliche Technologien und Verfahren, über das Ordnungsrecht setzen wir die notwendigen Standards, damit die zum Erreichen der Treibhausgasneutralität notwendigen Technologien auch angeboten werden. Entscheidend wird die möglichst schnelle komplette Umstellung auf erneuerbare Energien und um dies zu erreichen deren beschleunigter Ausbau.

2) Welchen Beitrag kann und muss Deutschland dafür leisten?

Der beste Beitrag ist, dass Deutschland seine Klimaziele sicher erreicht und zugleich Technologievorreiter wird. Dafür braucht es Maßnahmen, die jetzt schnell wirksam sind.  Das heißt, wir müssen jetzt vor allem den Ausbau der erneuerbaren Energien ab sofort deutlich beschleunigen – für Solar jährlich 10-12 GW, für Wind an Land 5-6 GW und mit einem Ausbauziel von 35 GW Wind auf See in 2035. Der Kohleausstieg muss auf 2030 vorgezogen werden, indem wir möglichst in Abstimmung mit den umliegenden europäischen Nachbarländern einen nationalen CO2-Mindestpreis von 60 Euro pro Tonne einführen. Außerdem müssen wir im Rahmen der anstehenden Reform des europäischen Emissionshandels in Brüssel eine deutliche Reduzierung von Emissionszertifikaten, die Löschung überschüssiger Zertifikate und eine präzise Ausrichtung des Emissionshandels auf das neue EU-Klimaziel erreichen. Begleitend dazu muss der nationale CO2-Preis für die Bereiche Verkehr und Wärme angehoben werden und die bereits geplante Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro auf das Jahr 2023 vorgezogen werden. All das hilft dem Klima und bringt uns zugleich auch in eine Pool-Position für zukunftsfähiges Wirtschaften.

3) Reichen die von der EU und Deutschland bislang verfolgen Klimaziele aus, um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten? Wo müssen wir ggf. nachschärfen?

Wir GRÜNE hätten uns ein ehrgeizigeres EU Klimaschutzziel für 2030 in Höhe von minus 65 % (statt minus 55%) gewünscht und haben dafür gestritten. Auch das neue nationale Klimaschutzziel von minus 65% bis 2030 hätte mit minus 70% ehrgeiziger ausfallen müssen. Es kommt jetzt darauf an, dass diese Ziele sicher erreicht werden und vor allem darauf, dass wir unsere Klimaschutzmaßnahmen am noch verbleibenden CO2 Restbudget orientieren, das wir insgesamt noch emittieren dürfen, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. An diesem Restbudget müssen sich auch die weiteren Ziele, insbesondere für die Zeit nach 2030, orientieren.

4) Welche konkreten Maßnahmen schlagen Sie vor,

a.) um den Ausbau der Erneuerbaren Energien (in welchen Schritten?) zu forcieren?

Wir brauchen eine massive Ausbauoffensive für erneuerbare Energien, von der die Menschen vor Ort gleichzeitig profitieren. Deshalb wollen wir, dass die Gemeinden verbindlich an den Einnahmen aus den erneuerbaren Energien beteiligt werden, sowohl von Windkraft, als auch von Freiflächensolaranlagen. Mieterstrom wollen wir fördern, entbürokratisieren  und weiterentwickeln, dass Mieter*innen stärker vom Ausbau der Erneuerbaren profitieren. Solardächer wollen wir zum Standard machen und fördern. Unser Ziel sind 1,5 Millionen neue Solardächer in den kommenden vier Jahren. Wir wollen Bürokratie für die Nutzung des Stroms vom eigenen Dach abbauen, Eigenverbrauch und Direktvermarktung stärken. Freiflächensolaranlagen sollen besonders auf versiegelten Flächen wie an Parkplätzen, neben Autobahnen oder an Schienen ausbauen, um wertvolles Ackerland zu schonen. Auch bei der Windkraft müssen wir schneller vorankommen, zum Beispiel indem wir den Ausbau außerhalb der Ausschreibungen stärken Mit frühzeitiger Bürger*innenbeteiligung, klaren Vorrang- bzw. Eignungsgebieten für Wind sowie mit Ausschlussgebieten und gezielten Artenschutzprogrammen sorgen wir für eine naturverträgliche Standortwahl und Win-win-Situationen für alle Beteiligten. Die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen wir durch vereinfachte Verfahren, mehr Personal und einheitliche Bewertungsmaßstäbe.

b.) um Energie einzusparen und die Energieeffizienz zu erhöhen (möglichst für die jeweiligen Sektoren)?

Auch in einer Welt der Erneuerbaren ist Energie ein wertvolles Gut, mit dem wir sparsam und effizient umgehen müssen. Das gilt umso mehr, solange wir noch Kohle, Öl und fossiles Gas verbrennen. Unser Ziel sind Gebäude, die gut gedämmt sind, verbrauchsarme Autos, auch wenn sie elektrisch betrieben werden, effiziente Gewerbe- und Industrieprozesse sowie Weitergabe und Nutzung von Abwärme. Dafür machen wir GRÜNE klare ordnungsrechtliche Vorgaben.

Strompreisvergünstigungen für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, sollen an die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen geknüpft werden. Denn je weniger Energie benötigt wird, desto schneller schaffen wir 100 Prozent Erneuerbare, erreichen die Klimaziele und sparen Kosten für Energieinfrastruktur. Klimaschutz lohnt sich.

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