Prof. Dr. Volker Quaschning im Interview: Weltrettung wäre preiswert

Gastautor Portrait

Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
16. Mai 2022
paanxpaan/Shutterstock.com

Volker Quaschning ist Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin. Der Wissenschaftler hat sich nicht nur als Fachautor des Standardwerks zu den Regenerativen Energien einen Namen gemacht, sondern auch mit seinem öffentlichen Eintreten für die Energiewende und den Klimaschutz. Trotz seiner zahlreichen Verpflichtungen fand er Zeit für ein Gespräch, über den Stand des Klimawandels und die Handlungsoptionen, die uns bleiben.

 

Redaktion: Im April erschien der Beitrag der Arbeitsgruppe “Minderung des Klimawandels” zum 6. IPCC-Report. Der Bericht gleicht einem ärztlichen Bulletin zum Gesundheitszustand der Erde. Wie geht es dem Patienten?

Prof. Dr. Volker Quaschning: Für die regelmäßigen Leser der Reports gibt es wenig Neues zu erfahren. Einige Zahlen werden präzisiert, manche Zusammenhänge werden detaillierter beschrieben und der Ton wird dringlicher. Die Grundaussagen der Berichte sind uns seit 30 Jahren bekannt: Wir Menschen heizen die Erde auf und uns rennt immer schneller die Zeit davon, denn seitdem wir um die Fakten und Kausalitäten wissen, sind die CO2-Emissionen dramatisch angestiegen. Das Zeitfenster schließt sich, in dem wir noch die Möglichkeit haben, den Klimawandel auf ein noch erträgliches Maß einzuschränken. Dem Patienten Erde ist die Temperatur ziemlich egal. Aber wir Menschen bekommen massive Probleme bei einem Temperaturanstieg von 2 Grad Celsius oder mehr.

Psychologisch ist der Mensch auf den Umgang mit dem Klimawandel schlecht vorbereitet

Prof. Dr. Volker Quaschning

Redaktion: Urheber des Klimawandels ist der Mensch. Wie bewerten sie die Chance, dass die Menschheit sich vom Verursacher zum Problemlöser wandelt?

Prof. Dr. Volker Quaschning: Psychologisch sind wir schlecht auf die Klimakrise vorbereitet. Der Mensch ändert sein Verhalten meist in Abhängigkeit vom kurzfristigen Belohnungssystem. Daran hat sich seit der Steinzeit nichts verändert. Die Klimakrise ist sensorisch kaum erfahrbar, nur durch Daten und Kausalitäten können wir ihn verstehen und mögliche Folgen unseres Verhaltens für die Zukunft beschreiben Es braucht also Wissen und kognitive Fähigkeiten. Intelligenz beeinflusst unser tägliches Verhalten aber nur marginal.

Anders als bei einem großen Kometen, der in hoher Geschwindigkeit auf die Erde zurast, haben wir beim Klimawandel noch eine reelle Chance, das Schlimmste zu verhindern. Technisch und finanziell war es noch nie so einfach wie heute, die CO2-Emissionen auf Null zu bringen und den Klimawandel zu stoppen. Die Mittel sind verfügbar, die Zusammenhänge bekannt. Solarstrom, der früher einem mehr als ein Euro pro kWh kostete, steht uns heute für wenige Cent zur Verfügung. Dank der Kostendegression bei Solar und Wind lässt sich heute feststellen: Weltrettung wäre preiswert.

Und so lange wir noch die Möglichkeit haben, auf den Lauf der Dinge Einfluss zu nehmen, sollten wir optimistisch bleiben und daran arbeiten, Einfluss auszuüben. Pessimismus oder gar Fatalismus lähmen, das können wir uns nicht erlauben.

Redaktion: Dass der 1. FC Bayern absolut erwartbar wieder Deutscher Fußballmeister wurde, war eine Breaking News im deutschen Fernsehen. Das Erscheinen des IPPC-Report, eine Arbeit von 2.000 Forschern, schaffte es dagegen noch nicht einmal in die Tagesschau. Was läuft falsch in unseren Medien? Müsste der Öffentliche Rechtliche Rundfunk bei der Wissenschaftsberichterstattung mit gutem Beispiel voran gehen?

Weltrettung: Es mangelt nicht an finanziellen Ressourcen

Prof. Dr. Volker Quaschning

Prof. Dr. Volker Quaschning: Es ist kaum nachvollziehbar, warum kurz vor der Tagesschau täglich eine Sendung wie “Börse vor 8” über das Wirtschafts- und Börsengeschehen berichtet, obgleich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung mit Aktien handelt. Ein Megathema wie der Klimawandel findet im deutschen Fernsehen meist nach 23 Uhr zu einer Zeit statt, in der Zuschauerzahlen gering sind. Die Initiative “Klima vor 8” dringt darauf, dass die Berichterstattung zum Klimawandel in die Primetime kommt. Zum Glück haben wir in den Öffentlich Rechtlichen engagierte Meteorologen, die ihre knappe Sendezeit fürs Wetter nutzen, um auch über die klimatischen Zusammenhänge aufzuklären.

Redkation: Globale Herausforderungen gab es vor dem 24. Februar 2022 schon genug. Jetzt bindet der von Russland ausgelöste Krieg zusätzliche Ressourcen. Wenn in jeder Krise auch eine Chance wohnt, wo ließe sich die entdecken?

Prof. Dr. Volker Quaschning: Jenseits von Haushaltsplanungen und Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung in Reaktion auf den Krieg einen Sonderetat von 100 Milliarden Euro für Investitionen in die Verteidigung aufgelegt. Mit 100 Milliarden ließen sich Solarkraftwerke mit einer Leistung von 200 GW bauen. Damit wäre ein großer Teil der Energiewende mit einem Beschluss finanziert. Wir sehen: An finanziellen Ressourcen mangelt es nicht. Es ist eine Frage der Prioritäten, wie wir sie einsetzen.

Das Interview führte Hubertus Grass.

Prof. Dr. Volker Quaschning

HTW Berlin

In den sozialen Medien ist Volker Quaschning auf folgenden Kanälen präsent:

Gemeinsam mit seiner Frau produziert er den Podcast „Das ist eine gute Frage“ zur Klimakrise und Energierevolution.

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  1. Matze

    vor 10 Monaten

    naja. Ich kenne nicht alle Aussagen von den beiden Herren. Aber ich denke man muss zwei verschiedene Dinge betrachten. Das eine ist, dass Windräder im Süden natürlich schon funktionieren. Es gibt ja auch durchaus eine Menge - wenn auch viel zu wenige. Das andere ist, dass ein potentieller Betreiber natürlich üblicherweise nach Wirtschaftlichkeits-Überlegungen entscheidet wo er ein Windrad oder einen Windpark einrichtet. Und dabei wird man vermutlich relativ leicht zu dem Schluss kommen, dass Grund und Boden im Süden tendentiell teurer und die Ertragsprognose schlechter ist. Im Ergebnis wird man sich vermutlich entscheiden eher für einen Standort im Norden entscheiden um einen Windpark einzurichten. In sofern finde ich schon, dass die Überlegungen von Herrn G durchaus eine Berechtigung haben (wie gesagt ich kenne nicht jede Aussage im Detail).

  2. Franz Rüther

    vor 10 Monaten

    Herr G. versucht mich zu überzeugen, daß Windräder in Bayern nicht funktionieren werden.
    In seiner Herleitung zur These macht er allerdings mehrere Fehler.
    Das wäre schlimm, wenn alle diese Fehler publizieren würden.
    Aber nur Herr G. macht dazu ein Video und macht dabei Fehler.

    Warum möchte Herr G. keine Windenergie? Natürlich wegen dem Tourismus, hahaha!

    Wenn die Windenergie aber angeblich so nicht funktioniert, dann werden die laufenden Geschäfte mit Gas für Gaskraftwerke und Kohle für Kohlekraftwerke beschützt, egal ob es den Enkeln schadet oder nicht.

    Es ist dir hoffentlich aufgefallen, dass Herr G. Gründe finden will, die dagegen sprechen.

    Er will keine Lösungen, die die fossilen Brennstoffe überflüssigen machen.

  3. Swen Richter

    vor 11 Monaten

    Lieber Herr Bielawski,
    Herr Quaschnig greift Punkt für Punkt die Themen aus Herrn Ganteföhrs Beitrag auf und nimmt dazu inhaltlich Stellung. Er weißt damit durch Fakten auf, wie ungenau und unzutreffend Herrn G. Behauptungen und Schlüsse sind. Diese führen laut Herrn G. dazu, dass sich im Süden keine Windräder lohnen und das ist falsch, wenn man eine Bauhöhe von 100m zu Grunde legt. Bei 200m lohnt sich die Windkraft durchaus!
    Und DAS bewertet Herr Q. und bemängelt es dann auch an der Darstellung von G.
    Auch ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, das Herr G. viele Gründe findet, warum etwas NICHT geht...
    Das Pro und contra sollte immer betrachtet und bewertet werden! Aber wäre es nicht sinnvoll nach vorne zu schauen und aufzuzeigen, WIE etwas gehen könnte?!
    Swen Richter

  4. Leopold Bielawski

    vor 12 Monaten

    Vor paar Tagen ist mir ein Video in Youtube von Herr Quschning aufgefallen. In dem Video Herr Quschning greift persönlich (nicht sachlich) einen anderen Professor (G. Ganteföhr, das Video habe ich mir ebenfalls angeschaut). Ich habe mich gefragt, ob die Art, wie Herr Quschning über seinen Kollegen spricht , der andere Position vertritt, eines Professor würdig ist.

  5. Rainer Borchers

    vor 1 Jahr

    Hallo Herr Dr. Quaschning,
    in der Kreiszeitung Syke haben Sie in einem Artikel über erneuerbare Energien geschrieben , dass Sie nur 500 € Heizkosten im Kj. haben. Diese Zahl sagt für sich allein nichts aus. Ich hätte das gerne näher erläutert, a) von wann ist der Preis, wieviel qm Wohnfläche beheizen Sie damit, wieviel Personen wohnen im Haus, ist da mit Warmwasser oder ohne.
    Für eine Antwort wäre ich sehr dankbar.
    Mit freundlichen Grüßen, Rainer Borcherw

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