Mit Solar gegen die Stromlücke

Gastautor Portrait

Carsten Körnig

Hauptgeschäftsführer, BSW – Bundesverbandes Solarwirtschaft e. V.

Carsten Körnig wurde 1970 geboren und ist seit Anfang 2006 Geschäftsführer des BSW – Bundesverbandes Solarwirtschaft e. V., der Interessenvertretung der Solartechnik- und Solarspeicherbranche in Deutschland, mit Sitz in Berlin. Zuvor hatte er neun Jahre die Geschäftsführung der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (UVS) inne, die er 1997 in Berlin gegründet hatte und die 2006 mit dem Schwesterverband BSi zum BSW fusionierte. In dieser Rolle war er maßgeblich u. a. am Zustandekommen des EEG, des EEWärmeG, der ersten Bundesförderprogramms für Solarstromspeicher, von PV-Sonderauktionen sowie der steuerlichen Förderung von Solarheizungen beteiligt. Seine berufliche Laufbahn startete Körnig in den 90er Jahren als Mitarbeiter der Umweltschutzorganisation Greenpeace, als Journalist und Unternehmensgründer. Seit 2006 ist Carsten Körnig zugleich Vizepräsident im Bundesverband Erneuerbare Energien e. V. (BEE).

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09. Juli 2020

Nicht zuletzt die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig die Versorgung mit heimischer Energie ist. Die Solarenergie kann hier einen wichtigen Beitrag leisten. Mit der Anfang Juli erfolgten Abschaffung des 52 GW-Solardeckels im EEG ist endlich eine der größten Marktbarrieren der Solarisierung gefallen. Doch noch viele weitere Hindernisse müssen aus dem Weg geräumt werden, um eine Stromlücke im Zuge des Atom- und Kohleausstiegs zu vermeiden.

Um die für 2030 selbst gesetzten Klimaziele zu erreichen, brauchen wir eine Verdoppelung des Photovoltaik-Ausbautempos im Jahr 2021 und eine Verdreifachung der jährlich installierten PV-Leistung ab dem Jahr 2022. Die im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung für das Jahr 2030 vorgesehenen solaren Kraftwerkskapazitäten müssten bereits Mitte der 20er Jahre errichtet sein. Nur so kann einem aktuellen Gutachten des Bonner Forschungsinstituts EuPD Research zufolge eine Stromerzeugungslücke infolge des Atom- und Kohleausstiegs vermieden werden, die andernfalls bereits in drei Jahren aufreißen würde. Bei der Kapazität von Batteriespeichern müssen wir zum Ende des Jahrzehnts sogar eine Verzehnfachung erreicht haben, um ihre wichtige kurzfristige Pufferfunktion für die Energiewende im erforderlichen Umfang erfüllen zu können.

Weitere Marktbarrieren müssen fallen

Keine andere Energieerzeugungsform an Land ist so preiswert und erfreut sich auch im Kraftwerksmaßstab so hoher Akzeptanzwerte in der Bevölkerung wie die Solartechnik.

Carsten Körnig

Es müssen darüber hinaus dringend weitere PV-Marktbarrieren fallen, um den Ausbau der inzwischen sehr preiswerten und gesellschaftsübergreifend hoch geschätzten Photovoltaik zu entfesseln. So darf die Selbstversorgung und Belieferung mit Solarstrom nicht länger durch die Belastung mit der „Sonnensteuer“ (EEG-Umlage) ausgebremst werden. Sie blockiert Milliardeninvestitionen mittelständischer Unternehmen sowie die Energiewende in deutschen Innenstädten, das Prosuming, und verlängert künstlich die PV-Förderabhängigkeit.

Nahezu alle Dächer großer Industriehallen bleiben für die Solarstromernte ungenutzt, obwohl Solarstrom hier im Megawatt-Maßstab besonders preiswert erzeugt werden könnte. Ursache ist eine nicht nachvollziehbare Beschränkung der Marktprämien-Gewährung auf Anlagen mit einer Leistung von maximal 0,75 Megawatt, der so genannte PV-XL-Dach-Deckel bzw. ihre unsachgemäße Einbeziehung in Auktionsverfahren.

Keine andere Energieerzeugungsform an Land ist so preiswert und erfreut sich auch im Kraftwerksmaßstab so hoher Akzeptanzwerte in der Bevölkerung wie die Solartechnik. Dennoch dürfen Solarparks nach dem EEG nur an sehr wenigen ausgewählten Standorten errichtet werden. Die Standortkulisse kann und muss unter Berücksichtigung relevanter anderer Interessen ausgeweitet werden, um die EE-Ausbauziele zu erreichen.

Speicherkapazitäten vervielfachen

Mit dem weiteren Ausbau der fluktuierenden Energieerzeugung aus Erneuerbaren Energien und der gleichzeitigen Verringerung regelbarer Erzeugungskapazitäten steigt der Bedarf an Speicherkapazitäten zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und Netzstabilisierung. Solarstromspeicher werden künftig zu einer zentralen Flexibilitätsoption der Stromversorgung. Die Batteriekapazität von Heim-, Gewerbe- und Netzspeichern muss bis 2030 verzehnfacht werden. Zwar wächst der Batteriemarkt dynamisch, aber ungerechtfertigte Abgaben, langwierige Genehmigungsverfahren, teils fragwürdige Netzanschlussbedingungen und eine fehlende Unterstützung für Gewerbespeicher bremsen den weiteren Markthochlauf.

Neue Nutzungsformen für die Solarenergie

Wir müssen neuen PV-Anwendungen eine Chance geben. Die Modularität und Robustheit der Photovoltaik erlauben es, sie auch unter rauen Bedingungen und in Kombination mit anderen Nutzungsformen wie z. B. der Land- oder Wasserwirtschaft einzusetzen. Auch in der Agri- und Floating-PV sind inzwischen Erzeugungskosten von unter 10 Cent ja Kilowattstunde möglich. Ihre Verbreitung sollte wie in anderen Ländern mittels geeigneter Anreize daher eine breite Markteinführung erfahren.

Faire Investitionsbedingungen schaffen

Photovoltaikstrom steht an der Schwelle zur Wirtschaftlichkeit und erreicht nach einer sensationellen Kostenentwicklung im Kraftwerksmaßstab nach der Netzparität nun auch die Marktparität. Auch in Deutschland entstehen in der Folge erste Projekte ohne direkte oder indirekte Förderung. Damit diese nicht nur unter Idealbedingungen in Ausnahmefällen und zu geringem Umfang errichtet werden, bedarf es auch im Stromsektor der Einführung von CO₂-Mindestpreisen zur Absicherung fairer Investitionsbedingungen für die Photovoltaik.

Ü20-Anlagen

Den allein in den kommenden fünf Jahren über 100.000 aus der EEG-Förderung aus-scheidenden Anlagen (Ü20) sollte ein barrierefreier Weiterbetrieb ermöglicht werden. Dazu bedarf es keiner Anschlussförderung mehr, wohl aber einer Freistellung von Umlagen und Abgaben für selbst konsumierten Solarstrom und der Erstattung eines fairen Marktwerts für eingespeisten Überschussstrom.

Potenziale für Mobilität, Wärme und industrielle Prozesse heben

Ob als Solaranlage auf dem Eigenheim oder hochskaliert im Kraftwerksmaßstab, ob als „Kraftstoff“ für Solartankstellen für den klimafreundlichen Betrieb von E-Autos oder zwischengespeichert in stationären Batterien, ob als saubere Antriebsenergie für Wärme-pumpen oder zum Betrieb von Elektrolyseuren zur Erzeugung grünen Wasserstoffs: Die riesigen Potenziale des Multitalents Photovoltaik sollten jetzt durch gezielte Beförderung der Sektorenkopplung konsequent erschlossen werden – zur Versorgung von Eigenheimen bis zur Versorgung ganzer Wohn- und Industriequartiere in einem ausgewogenen Mix und intelligent gesteuert mit anderen Erneuerbaren Energien.

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