Ist der Arbeitsmarkt bereit für die Energiewende?

Gastautor Portrait

Christian Schneemann und Johanna Zenk

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)

Christian Schneemann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Forschungsbereich „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“. Mit Schwerpunkten Prognose, Wasserstoff und digitale und ökologische Transformation. Johanna Zenk ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Forschungsbereich „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“. Mit Schwerpunkten Prognose, Wasserstoff und digitale und ökologische Transformation.

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09. Januar 2023
M2020/Shutterstock.com

Arbeitskräfteangebot und -nachfrage in Zeiten der ökologischen Transformation

Um die Klimaziele zu erreichen, ist eine Energiewende unumgänglich. Zum Ausbau der Erneuerbaren Energien werden nicht nur alternative Technologien benötigt, sondern auch die entsprechenden Arbeitskräfte. Schließlich müssen Technologien für die Gewinnung, die Umwandlung, den Transport, die Speicherung sowie die Nutzung von Erneuerbaren Energien nicht nur geplant, sondern auch hergestellt, installiert und gewartet werden. Gleichzeitig könnte der Rückgang konventioneller Technologien zu negativen Beschäftigungseffekten in einzelnen Wirtschaftsbereichen und Berufsgruppen führen.

Für den Arbeitsmarkt stellen sich damit mehrere Fragen: Welche Branchen bauen zukünftig Beschäftigung auf oder ab? Welche Berufe werden in Zukunft verstärkt nachgefragt? Wo wird es Arbeitskräfteknappheit oder -überhänge geben?

Ausgehend von beobachtbaren Trends und Verhaltensweisen werden im Rahmen der BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsprojektionen (QuBe-Projekt) diese und andere Fragen beantwortet. Dabei zeigt sich in der siebten Welle der QuBe-Basisprojektion deutlich, dass die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt vor einem Umbruch stehen, der von Knappheiten geprägt ist. Ein wichtiger Faktor ist die zukünftige demografische Entwicklung in Deutschland.

Energiewende gewinnt an Dynamik

Energiebilanz in der siebten Welle der QuBe-Basisprojektion

Quelle: QuBe-Projekt, Maier u.a. (2022)

Um Aussagen darüber treffen zu können, was diese Transformation für den deutschen Arbeitsmarkt bedeutet, müssen zusätzliche Annahmen zur Energiewende getroffen werden, die sich bislang nicht in den Vergangenheitswerten widerspiegeln. Folgende Punkte werden deshalb in der siebten Welle der QuBe-Basisprojektion zum Thema Energiewende mitberücksichtigt:

  • Es wird angenommen, dass der Windausbaupfad zu Lande gemäß „Osterpaket“ der Bundesregierung umgesetzt werden kann. Ab 2025 würden somit jährlich zehn Gigawatt zusätzliche Leistung ausgebaut.
  • Für den Photovoltaik-Ausbaupfad wird hingegen eine Verzögerung angenommen. Bis 2030 würde der Ausbau demnach auf ca. 19 Gigawatt (netto) pro Jahr anwachsen.
  • Für die CO2-Steuer wird ein Preis von 65 Euro pro Tonne angenommen.
  • Für die Zahl rein elektrisch betriebener Personenkraftwagen wird angenommen, dass diese bis 2040 auf rund 13 Millionen Fahrzeuge anwächst (26 Prozent des Pkw-Bestands). Inklusive Hybridfahrzeuge würden fast 40 Prozent des Pkw-Bestands mit alternativem Antrieb ausgestatten sein.
  • Für den Gebäudebereich wird die Annahme getroffen, dass bis 2040 rund 7,35 Mio. Wärmepumpenheizungen installiert sein werden.

Somit wird für die siebte Welle der QuBe-Basisprojektion eine Verschiebung weg von fossilen, hin zu erneuerbaren Energieträgern angenommen (vgl. Energiebilanz in der siebten Welle der QuBe-Basisprojektion). Es wird jedoch keine explizite Treibhausgasneutralität bis zum Jahre 2045 modelliert.

Zudem findet die Energiewende nicht im luftleeren Raum statt. So werden in unserer Projektion neben der Energiewende auch der demografische Wandel und die digitale Transformation berücksichtigt. Auch die Corona-Pandemie, Lieferengpässe, Zuwanderungen und der Angriffskrieg auf die Ukraine haben zu mehreren neuen Entwicklungen geführt, die ebenfalls beachtet werden. Zudem könnte der Angriffskrieg auf die Ukraine die Energiewende noch beschleunigen.

Der demografische Wandel dominiert

Unabhängig von der Energiewende unterliegt der deutsche Arbeitsmarkt auch den Einflüssen des demografischen Wandels. Durch die Alterung der Gesellschaft wird in den kommenden Jahren vor allem die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (15 bis unter 75 Jahren) zurückgehen (vgl. Bevölkerung und Arbeitsmarkt in der siebten Welle der QuBe-Basisprojektion). Dadurch sinkt auch die Zahl derjenigen Personen, die ihre Arbeitskraft tatsächlich am Arbeitsmarkt anbieten (Erwerbspersonen). Somit könnte sich die schon jetzt vorherrschende Arbeitskräfteknappheit in einzelnen Wirtschaftsbereichen noch weiter verschärfen. Andererseits führt eine geringere und ältere Bevölkerung auch zu Änderungen in der Konsumnachfrage und den Investitionsentscheidungen.

Bevölkerung und Arbeitsmarkt in der siebten Welle der QuBe-Basisprojektion

Quelle: QuBe-Projekt, Maier u.a. (2022)

Gegenläufige Faktoren wirken auf die Branchen ein

Veränderung der Erwerbstätigenzahlen nach ausgewählten Branchen in Prozent

Quelle: QuBe-Projekt

Für den verstärkten Ausbau Erneuerbarer Energien werden bis 2040 zwischen 130.000 und 150.000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigt. Dennoch kommt es in mehreren Branchen, die Güter oder Dienstleistungen für die Energiewende bereitstellen, sowohl mittel- als auch langfristig zu einem Rückgang des Arbeitskräftebedarfs (vgl. Veränderung der Erwerbstätigenzahlen nach Branchen in Prozent).

Der Nachfrage- und Investitionsrückgang im Zuge des demografischen Wandels führt, neben weiteren Einflussfaktoren, beispielsweise im Baugewerbe zu einem Arbeitsplatzabbau. Der Negativeffekt ist dabei so stark, dass er den Arbeitsplatzaufbau für die Energiewende überlagert.

Aufgrund des ebenso abnehmenden Arbeitskräfteangebots wird dennoch kein Anstieg der Erwerbslosenzahlen erwartet. Andere Bereiche wie die Herstellung von elektronischen und optischen Erzeugnissen, IT-Dienstleistungen oder Ingenieurbüros können hingegen von anderen Entwicklungen profitieren, zu denen neben der Energiewende vor allem auch die Digitalisierung zählt.

Mangel in einzelnen Berufen erwartet

Arbeitskräftebedarf und Arbeitskräfteangebot nach ausgewählten Berufsgruppen, in Tausend Personen

Quelle: QuBe-Projekt

Trotz des insgesamt sinkenden Arbeitskräftebedarf wird es aller Voraussicht nach zu einem Arbeitskräftemangel in einzelnen Berufsgruppen kommen. Es ist unter anderem festzustellen, dass das Arbeitskräfteangebot im Zuge des demografischen Wandels in einzelnen Berufsgruppen schneller sinkt als der Arbeitskräftebedarf. So beispielsweise in der Maschinenbau- und Betriebstechnik oder im Hochbau (vgl. Arbeitskräftebedarf und Arbeitskräfteangebot nach Berufsgruppen).

Insgesamt zeigt sich, dass der Arbeitskräfteüberhang im Zeitverlauf in allen dargestellten Berufsgruppen abnimmt. Dadurch kann es aufgrund von räumlichen oder qualifikationsspezifischen Passungsproblemen selbst bei vorhandenen Überhängen dazu kommen, dass offene Stellen nicht oder nur schwer besetzt werden können.

Insgesamt ist deshalb auch mit einem weiteren Anstieg der Suchdauern der Betriebe nach geeignetem Personal zu rechnen.

Zukunft gestalten

Scheitert die Energiewende also an fehlenden Fachkräften? Diese Frage kann anhand der vorliegenden Ergebnisse verneint werden.

Christian Schneemann und Johanna Zenk

Die QuBe-Projektionen zeigen das Bild eines zukünftigen Arbeitsmarktes anhand von beobachteten Trends und Verhaltensweisen, aktuellen Ereignissen sowie zusätzlichen Annahmen über künftige Entwicklungen. Dieses Bild ist jedoch nicht in Stein gemeißelt. Vielmehr soll der Handlungsbedarf aufgezeigt werden, um Passungsproblemen auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken.

Während für das Vorantreiben der Energiewende zusätzliche Arbeitskräfte benötigt werden, sinkt der Bedarf in anderen Bereichen. Es gilt deshalb, verfügbare Arbeitskräfte zu rekrutieren, aber auch aus- und weiterzubilden. Zusätzliche Stellschrauben sind die Förderung des MINT-Bereichs bei der Berufswahl, die Zuwanderung beziehungsweise Verhinderung der Abwanderung qualifizierter Fachkräfte, die leichtere Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen, die Verringerung von Abbruchquoten in Bildungsstätten sowie die Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren.

Scheitert die Energiewende also an fehlenden Fachkräften? Diese Frage kann anhand der vorliegenden Ergebnisse verneint werden. Ein zunehmender Ausbau Erneuerbarer Energien ist möglich. Ob die Klimaschutzziele bis 2045 erreicht werden können, bleibt auf dem aktuellen Entwicklungspfad hingegen fraglich.

Über die Autoren

Christian Schneemann

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB

Christian Schneemann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Forschungsbereich „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“. Mit Schwerpunkten Prognose, Wasserstoff und digitale und ökologische Transformation.

christian.schneemann2@iab.de

Johanna Zenk

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB

Johanna Zenk ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Forschungsbereich „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“. Mit Schwerpunkten Prognose, Wasserstoff und digitale und ökologische Transformation.

johanna.zenk@iab.de

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