Handlungsempfehlung für ein nachhaltiges Konjunktur- und Strukturprogramm

Gastautor Portrait

Antonia Kilavuz und Peter Baum

Aurora Energy Research

Antonia ist Consultant für das Berliner Aurora-Team und spezialisiert auf Digital- und Infrastrukturthemen. Bei PricewaterhouseCoopers (PwC) arbeitete sie als Associate in IT- und Digitalisierungsprojekten der öffentlichen Verwaltung sowie des Bundes. Zu ihren Projekten gehörten unter anderem die Entwicklung einer IT-Strategie für ein Bundesministerium sowie die schriftliche Erarbeitung einer Blockchain-Strategie für den deutschen öffentlichen Sektor. Zudem absolvierte sie Praktika im Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Antonia Kilavuz studierte an der Columbia Universität Public Administration und an der Hertie School of Governance Public Policy mit dem Schwerpunkt Energie. Peter ist Senior Associate im Berliner Büro von Aurora. Zuvor arbeitete er 4 Jahre bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), wo er an Investitionen in Energie- und Infrastrukturprojekte in Schwellenländern in Osteuropa, Nahost und Nordafrika arbeitete. Bei Aurora behandelter Themen rund um die Finanzierung von Erneuerbaren sowie die Beratung des öffentlichen Sektors. Peter Baum studierte Umweltwissenschaften an der ETH Zürich und hat einen Doppelmasterabschluss in International Economics und Energy Policy der Yale Universität.

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02. Juli 2020
Abbildung 1: Maßnahmenfelder für ein nachhaltiges Konjunktur- und Strukturprogramm

Grafik: Aurora & EnBW

Die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie sind für Deutschland noch nicht vollständig absehbar, werden aber von verschiedenen Studien mit einem Rückgang des Bruttoinlandprodukts von bis zu 10 Prozent beziffert.

Um zur Erholung der Wirtschaft beizutragen und die Dauer der Rezession zu verkürzen, wurden die ersten, zügigen Notmaßnahmen direkt verabschiedet und Eckpunkte zum Konjunkturprogramm beschlossen. Darauf aufbauend hat die Diskussion zu weiterführenden Maßnahmen begonnen. Diese bietet die Chancen das kurzfristig orientierte Ankurbeln der Konjunktur mit einer längerfristigen Perspektive zu verbinden. Durch den Fokus auf zukunftsweisende Infrastrukturen und Wirtschaftszweige kann die deutsche Wirtschaft weit über die aktuelle Krise hinaus gestärkt werden.

Mit Blick auf Klimawandel und ambitionierte deutsche und europäische Klimaziele geht langfristige Wettbewerbsfähigkeit mit Nachhaltigkeit einher. Deshalb ist es wichtig, im Zuge des Krisenbewältigung Investitionen zu vermeiden, die in einer nachhaltigen Wirtschaft wertlos sind und Rahmenbedingungen für zukünftige Wettbewerbsfähigkeit schon heute mitzudenken.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie von Aurora Energy Research in Zusammenarbeit mit der EnBW haben wir Handlungsoptionen insbesondere für zukunftsweisende Themenfelder – wie dem Energiesektor und damit verbundene Sektoren wie Transport, Industrie und Wärme, sowie der Digitalisierung und der damit verbundenen Infrastruktur identifiziert (siehe auch Abbildung 1). Diese haben wir in drei Themenfelder gruppiert.

A. Saubere Energieversorgung, als Grundlage einer international wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Wirtschaft

Abbildung 2: Zusätzliche Erneuerbaren Kapazitäten und Investitionen für das 65%-Ziel

Grafik: Aurora & EnBW

Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien ist die Fortführung der Energiewende im Stromsektor mit dem Ziel verankert, bis 2030 65% der Nettostromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Um dieses Ziel auch konsequent anzugehen und den Ausbau zu stärken gilt es jetzt, Ausschreibungsvolumen zu erhöhen, Flächenverfügbarkeiten zu sichern und Verantwortungen auch auf Länderebene zu klären. Dies ermöglicht zusätzliche Investitionen in Höhe von 12,5 Milliarden Euro bis 2025 (siehe Abbildung 2). Darüber hinaus kann die deutsche EU-Ratspräsidentschaft helfen die Energiewende auch auf europäische Ebene zu denken und voranzubringen.

Auch in der Reformierung der Stromsteuer und Umlagen liegt Potenzial. Denn eine Stromsteuersenkung entlastet Haushalte direkt in Zeiten der Krise und kann auch zur Vereinfachung der Sektorenkopplung beitragen. Nicht alles was gut ist, muss teuer sein: Die Einführung eines CO2-Mindestpreises im Emissionshandelssystem ist sogar kostenfrei, verringert jedoch Unsicherheit und senkt somit Kapitalkosten für Investitionen in Erneuerbare.

Für eine sektorenübergreifende Dekarbonisierung in der Zukunft ist der Aufbau der Wasserstoffindustrie maßgeblich. Dafür gilt es schon heute, die Produktion durch internationale Zusammenarbeit und Handelspartnerschaften zu fördern und in Deutschland und Europa den Ausbau der benötigten Netzinfrastruktur anzugehen.

B. Dekarbonisierung der energieverbrauchenden Sektoren durch gezielte Unterstützung zur Energiewende in Industrie, Mobilität und Wohnen

Während die vollständige Versorgung mit „sauberem“ Strom in der Zukunft bereits greifbar scheint, gilt es, die Energiewende auch in der Industrie, der Mobilität und dem Wohnen voranzutreiben.

In der Industrie sind kostenintensive Investitionen für Umrüstungen auf alternative Brennstofftechnologien, insbesondere Wasserstoff, erforderlich. Um langangelehnte Investitionen und einen Lock-In in „alte Technologien“ zu vermeiden sowie den Ausbau moderner, klimafreundlicher Industrieinfrastruktur anzuregen und langfristig abzusichern, sprechen wir uns für die Einführung von Carbon Differenzkontrakten (C-CfDs) aus.

Die Elektromobilität nimmt zusehends an Fahrt auf, dennoch muss bereits heute die adäquate Infrastruktur für die Zukunft etabliert werden. Dafür gilt es zunächst, den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur bedarfsgerecht zu fördern, jedoch zusätzlich auch die Voraussetzungen für smarte Lösungen mit der Einführung flexibler Netzentgelte zu schaffen.

C. Flankierende Maßnahmen nachhaltigen Wirtschaftens, die Digitalisierung voranbringen und Grundlagen dafür schaffen, dass in Deutschland zukünftig besser gearbeitet, gelernt und gelebt wird

Abbildung 3: Breitbandverfügbarkeit in Deutschland – Stadt und Land

Grafik: Aurora & EnBW

Die Coronakrise hat die Bedeutung der Digitalisierung stark hervorgehoben: von einem auf den anderen Tag wurden viele Firmen zur Arbeit von zu Hause gezwungen und auch der Schulunterricht wurde mitunter auf Online-Formate umgestellt. In ländlichen Gebieten, in denen der Breitbandausbau zum Teil stark hinterherhinkt (siehe auch Abbildung 3), wurde besonders deutlich, dass schnelles und angemessenes Internet zur weiteren Teilnahme am modernen Leben maßgeblich ist, nicht nur für Krisenzeiten.

Der Breitbandausbau ist grundsätzlich Voraussetzung für die Umsetzung intelligenter und nachhaltiger Verkehrs- und Stadt- und Landkonzepte. Wir sprechen uns daher für die Etablierung eines Grundrechts auf schnelles Internet aus – dies wird mit der Beschleunigung des Breitbandausbaus, mittels eines verschlankten Antragsverfahrens und Kompetenzaufbau in Kommunen, untermauert.

65% Erneuerbare, Netz- und Breitbandausbau – die rasche Umsetzung von Infrastrukturprojekten ist Gebot. Dies scheitert jedoch oftmals an langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse ermöglicht deren Neugestaltung und Verbesserung – das heißt beschleunigte, aber auch transparente und partizipative– Prozesse.

Denn Investitionen, die gegen strukturelle Rahmenbedingungen anlaufen, sind ineffizient und können höchstens kurzfristig Wirkung entfalten.

Antonia Kilavuz und Peter Baum, Aurora Energy Research

Mit der wachsenden, digitalen Vernetzung vergrößert sich die Angriffsfläche für Cyberattacken, weshalb es KMUs in der Etablierung von IT-Sicherheitskonzepten zu unterstützen gilt. Es sollte auch dem Fachkräftemangel entgegengewirkt und der Standort Deutschland für innovative Start-ups und internationale Fachkräfte attraktiver gestaltetet werden.

In der Studie raten wir dazu, dass konjunkturelle Maßnahmen, neben der Mobilisierung von privaten Investitionen und direkten Staatsausgaben, auch gestalterische Elemente und Reformen beinhalten sollen. Denn Investitionen, die gegen strukturelle Rahmenbedingungen anlaufen, sind ineffizient und können höchstens kurzfristig Wirkung entfalten. Hingegen kann die Schaffung besserer Rahmenbedingungen und effizienterer Prozesse die Wirkung der Investitionen und Anreize verstärken und verlängern. Unserer Meinung nach ist es wichtig diese Chance zu nutzen, um die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Maßnahmen, die es ermöglichen Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum zu verbinden, können eine doppelte Dividende einfahren: Wirtschaftswachstum bei gleichzeitigem Klima- und Ressourcenschutz.

Über die Autoren

Antonia Kilavuz

Consultant, Aurora Energy Research

Antonia Kilavuz ist Consultant für das Berliner Aurora-Team und spezialisiert auf Digital- und Infrastrukturthemen. Bei PricewaterhouseCoopers (PwC) arbeitete sie als Associate in IT- und Digitalisierungsprojekten der öffentlichen Verwaltung sowie des Bundes. Zu ihren Projekten gehörten unter anderem die Entwicklung einer IT-Strategie für ein Bundesministerium sowie die schriftliche Erarbeitung einer Blockchain-Strategie für den deutschen öffentlichen Sektor. Zudem absolvierte sie Praktika im Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Antonia Kilavuz studierte an der Columbia Universität Public Administration und an der Hertie School of Governance Public Policy mit dem Schwerpunkt Energie.

Peter Baum

Senior Associate, Aurora Energy Research

Peter Baum ist Senior Associate im Berliner Büro von Aurora. Zuvor arbeitete er 4 Jahre bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), wo er an Investitionen in Energie- und Infrastrukturprojekte in Schwellenländern in Osteuropa, Nahost und Nordafrika arbeitete. Bei Aurora behandelt er Themen rund um die Finanzierung von Erneuerbaren sowie die Beratung des öffentlichen Sektors. Peter Baum studierte Umweltwissenschaften an der ETH Zürich und hat einen Doppelmasterabschluss in International Economics und Energy Policy der Yale Universität.

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