100 Tage GroKo: Die Energiepolitik braucht einen marktbasierten Aufbruch

Gastautor Portrait

Hermann Albers

Bundesverband WindEnergie

Hermann Albers ist seit 2007 mit einjähriger Unterbrechung Präsident des mit 20.000 Mitgliedern größten Verbandes der Erneuerbaren Energien. Zugleich ist er als Vize-Präsident im Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) aktiv. Als Windenergieunternehmer plant, entwickelt und betreibt er Windparks in mehreren Bundesländern.

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24. Juli 2018
Windpark aus Blumenfeld fotografiert vom Bundesverband Windenergie
Foto: BWE/Jens Meier

Schon 10 Monate liegt die Bundestagswahl zurück. Zehn Monate in denen sich das politische Berlin weitgehend um sich selbst gedreht hat. Immerhin seit 14. März 2018 ist die Bundesregierung im Amt. Der Koalitionsvertrag gibt gute Signale nicht nur mit dem Ziel 65 Prozent Erneuerbare bis 2030 und angekündigten Sonderausschreibungen in 2019 und 2020, sondern auch dem Bekenntnis zur Sektorenkopplung, der Ankündigung Investitionen in Speichertechnologien und intelligente Vermarktungskonzepte zu fördern sowie „Reallabore“ für Power-to-X zu schaffen. Es gibt also eine Agenda zur Fortführung der Energiewende. Weil sich die Koalition in den Wochen vor der Sommerpause in einer erschreckend emotional geführten Debatte zur Migrationspolitik lähmte, ist eine Umsetzung dieser Energieagenda nach wie vor nicht erkennbar. Schlimmer noch: Wesentliche Vereinbarungen des Koalitionsvertrages wurden streitend neu diskutiert und interpretiert, so dass selbst ein angekündigtes 100-Tage-Gesetz nicht zustande kam. Die, wie kaum ein anderer Bereich, durchregulierte Energiebranche ist aber auf eine handlungsfähige Regierung angewiesen.

Die Politik untergräbt ihre eigene Glaubwürdigkeit

Windpark an der Küste in Abenddämmerung
Die deutsche Windindustrie ist bereit die Bundesregierung zu unterstützen

Foto: pixabay

Auf diese Weise untergräbt die Politik ihre eigene Glaubwürdigkeit und gefährdet neben den Klimaschutzzielen auch die wirtschaftliche Stärke der Zukunftsbranche Windenergie. Dabei wäre es nach dem Fehlstart des Ausschreibungssystems in 2017 dringend erforderlich gewesen, ein glaubwürdiges Signal des Aufbruchs zu geben. Die aktuelle Betriebsräteumfrage der IG Metall Küste ist ein dramatisches Warnsignal, dass die Politik nicht überhören sollte. Es geht darum, das Fundament für die technologische Spitzenposition der deutschen Windindustrie in dynamisch wachsenden Weltmärkten zu sichern. Dieses Fundamt liegt in einem von vielen Akteuren getragenen und stark mittelständisch geprägten Heimatmarkt mit immerhin 160.000 Beschäftigten.

Die Branche ist bereit mehr Verantwortung zu übernehmen und die Bundesregierung bei der Erreichung ihrer Ziele zur Fortsetzung der Energiewende zu unterstützten. Aus der Windbranche heraus gibt es viele Initiativen, die zeigen, dass die Branche die Politik beim Wort nimmt und sich dem Markt stellen will. Dabei muss dieser Markt fair ausgestaltet sein, weshalb die Weigerung der Bundesregierung, sich auf eine nachhaltigen Bepreisung des klimaschädlichen CO2 festzulegen, gleich in zweierlei Hinsicht unglaubwürdig ist: Der Marktplatz bleibt unfair. Die klimaschädliche Braunkohle verstopft weiter die Netze und führt zu Dumpingpreisen an der Strombörse. Das ist volkswirtschaftlicher und klimapolitischer Unsinn. Es braucht eine Reform des Steuer- und Umlagensystems und die CO2-Bepreisung als Grundlage für eine volkswirtschaftlich effiziente und betriebswirtschaftlich tragbare Fortführung der Energiewende über alle Sektoren der Energiewirtschaft.

In den „Schaufenstern intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) arbeiten Unternehmen der Branche aktiv an Musterlösungen für 100% Erneuerbaren Energien mit. Der Bundesverband WindEnergie hat konkrete Vorschläge zur B2B Belieferung von Gewerbe und Industrie mit Windstrom vorgelegt, die große CO2-Senkungspotenziale erschließen würden sowie zusätzlicher Synergieeffekte durch Flexibilisierung ermöglichen. Wir haben in einer gemeinsamen Studie mit der Initiative Erdgasspeicher gezeigt, dass zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie an Land einen ausreichend hohen Beitrag liefern, um die Dekarbonisierung unserer Energiewirtschaft bis 2050 abzusichern. Und wir haben den Planungsträgern in einem Leitfaden dargestellt, wie sich gut akzeptierte Bestandsflächen weiter nutzen lassen.

Bekenntnis zur Energiewende erneuern

Die Politik untergräbt ihre eigene Glaubwürdigkeit

Hermann Albers

Jetzt muss die Bundesregierung sich wirklich zum 65-Prozent-Ziel bekennen und sichtbar machen in welchen Schritten dieses bis 2030 erreichbar wird. Die technologiespezifischen Ausbaupfade für Wind an Land, Offshore und Fotovoltaik sind dem neuen Ziel anzupassen. Gerade Windenergieprojekte mit langen Planungsvorläufen brauchen einen sicheren Ausbauhorizont. Bebaubare Flächen und die sachgerechte Abwägung unterschiedlicher Belange sind die Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Deshalb sind auch Länder und Kommunen gefordert, ihr Bekenntnis zur Energiewende zu erneuern. Wer im Bund ambitionierte Ziele setzt, darf diese nicht durch restriktive Abstands- und Ausschlussregelungen in den kommunalen Planungs- und Genehmigungsverfahren konterkarieren! Die Energiewende wird nicht an den Kosten scheitern, sie droht allerdings im dornigen Geflecht sich teils wiedersprechender landes- und bundesrechtlicher Erlasse, Verordnungen und Gesetze blockiert zu werden.

Die Zeit wird knapp

Nach der Sommerpause hat es die Koalition in der Hand, die guten Ansätze des Koalitionsvertrages sichtbar mit Leben zu füllen. Der Gesetzgeber ist stark gefordert, um den von der IG Metall beschriebenen Beschäftigungseinbruch umzukehren. Die Zeit dafür wird knapp. Die Bundesregierung muss zugleich einen neuen Konsens mit den Ländern herbeiführen. Es braucht ein gemeinsames deutliches Commitment zur Energiewende. Es braucht einen marktbasierten Aufbruch!

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