Beitrag vom 06.10.2022
Madrid 360 – Der neue (alte) Kampf gegen die Luftverschmutzung
Madrid hat innerhalb der letzten Jahre nicht nur durch diverse Fußballerfolge Schlagzeilen gemacht, sondern auch aufgrund eines weit weniger erfreulichen Themas: Die Luftverschmutzung der Innenstadt. Wiederholt überschritt Spaniens Hauptstadt die gesetzten Luftverschmutzungs-Grenzwerte der EU, weshalb die Stadtverwaltung bereits mehrmals scharf aus Brüssel kritisiert wurde (Barcelona Institute for Global Health, 2021; Louven, 2019). Madrids Luftverschmutzung hat zur Folge, dass die auf Stickoxid-Werte (NO2) zurückzuführende Sterberate der Madrilenen die höchste unter Europas Städten ist (Khomenko, 2021). Zu diesem Ergebnis kam eine Studie des Forschungsinstitutes ISGlobal, die in der Zeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde.
Zurückzuführen ist dieses Problem hauptsächlich auf den Straßenverkehr (Wandler, 2019). Um den EU-Richtlinien gerecht werden zu können, wurde 2018 schließlich die Niedrigemissionszone Madrid Central eingeführt: Mehrere hundert Hektar wurden für den Straßenverkehr gesperrt, in den Stadtkern durften, Anwohner ausgenommen, Autos mit Verbrennungsmotoren nur eingeschränkt einfahren (Louven, 2019). Tatsächlich ging die Luftverschmutzung deutlich zurück, das positive Ergebnis des Projektes erreichte europaweit Aufmerksamkeit (Wandler, 2019). Heute existiert Madrid Central jedoch nichtmehr in seiner originalen Form – stattdessen regelt seit 2019 eine abgewandelte Form namens Madrid 360 den Straßenverkehr. Grund hierfür ist ein Regierungswechsel der von Madrids Stadtverwaltung, nachdem die ehemalige Bürgermeisterin Manuela Carmena im Juni 2019 die Wiederwahl verpasste und an ihre Stelle der weitaus konservativere Jose Luis Martinez-Almeida trat, der sich im Wahlkampf als Gegner von Madrid Central positionierte (Louven, 2019). Die anfangs versprochene Abschaffung der Verkehrsbeschränkungen im Rahmen von Madrid Central konnte Martinez-Almeida unter Verwarnungen seitens der EU und diversen richterlichen Beschlüssen zwar nicht einhalten, doch an Stelle von Madrid Central trat eine aufgeweichte Version, die in Madrid 360 umbenannt wurde. Unter dem neuen Regelwerk dürfen u.a. rund 40 % mehr Fahrzeuge in die Innenstadt als zuvor, da Einfahrerlaubnisse ausgedehnter erteilt werden können und neue Sonderrechte greifen (Wandler, 2019).
Das ein Verwaltungswechsel gleichzeitig auch einen Regelwechsel für den innerstädtischen Verkehr bedeutet, sorgte nicht nur für Verwirrung, sondern auch für Unmut unter den Einwohnern Madrids (Louven, 2019). Bis heute, 2022, konnte letztlich jedoch ein Großteil der ursprünglichen Madrid Central-Vorschriften den Projektgegnern gegenüber standhalten. Dozent und Autor Timo Daum (Abs. 12, 2021) ist sich sicher, dass dies auch vorerst so bleiben wird: „Insgesamt aber ist der Druck von der Straße, aus den Gerichten und von Seiten der EU zu stark, als dass eine vollständige Rückkehr zum Status quo ante politisch durchsetzbar gewesen wäre.“ (Daum, Abs. 12, 2021)
Literaturverzeichnis
Barcelona Institute for Global Health. (2021). Study Identifies European Cities with Highest Mortality Due to Air Pollution. ISGlobal. Retrieved September 26, 2022, from https://www.isglobal.org/en/-/un-estudio-muestra-las-ciudades-europeas-con-mayor-mortalidad-relacionada-con-la-contaminacion-del-aire
Daum, T. (2021). Madrid Central – eine Erfolgsgeschichte? Digitale Mobilität. https://digitalemobilitaet.blog.wzb.eu/2021/02/17/madrid-central/
Khomenko, S. (2021). Premature mortality due to air pollution in European cities: a health impact assessment. The Lancet Planetary Health. https://www.thelancet.com/journals/lanplh/article/PIIS2542-5196(20)30272-2/fulltext
Louven, S. (2019). Luftverschmutzung: Madrid schafft autofreie Innenstadtzone wieder ab. https://www.handelsblatt.com/politik/international/weltgeschichten/louven/spanien-madrid-schafft-autofreie-innenstadtzone-wieder-ab/25113384.html
Wandler, R. (2019). Kommentar Luftverschmutzung in Madrid: Nur die Hälfte der PKWs fährt. TAZ
Verlags- Und Vertriebs GmbH. https://taz.de/Kommentar-Luftverschmutzung-in Madrid/!5370090/
Atocha, die grüne Bahnhofshalle Madrids
In ihrem ersten Video, zeigt uns Energie-Reporterin die Atocha Station, die weltberühmte begrünte Bahnhofswartehalle in Madrid, die dem botanischen Garten zum verwechseln ähnlich sieht. Durch das Glasdach und Vernebelungsanlagen können hier zum Teil tropische Pflanzen wachsen.Quartierssanierung in Madrid
In ihrem zweiten Video berichtet Energie-Reporterin Anna über die Sanierung des in den 1950er Jahren erbauten Barrio del Aeropuerto in Madrid. Im Rahmen einer umfassenden Umweltstrategie sollen nach und nach alle Wohngebäude in diesem Viertel energetisch saniert und damit die Emissionen deutlich gesenkt werden. Wie der aktuelle Stand der Arbeiten in Madrid ist, erfahrt ihr in diesem Video.Die "Grüne Wand" in Madrid
In ihrem dritten Video berichtet Energie-Reporterin Anna über die Pläne der Stadt Madrid, im Rahmen ihrer 360 Grad Strategie einen 75 Kilometer langen Stadtwald um die Stadtherum entstehen zu lassen. Welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen und was das Ziel des Projektes ist, erfahrt ihr im Video.Von Meerwasser zu Trinkwasser
Immer häufiger bedrohen Dürreperioden aufgrund des Klimawandels Spanien und dessen Flüsse, denen es zunehmend an Wasser fehlt. Hiervon sind einerseits Spaniens Wasserkraftwerke betroffen, die beispielsweise durch Wellenenergie Strom erzeugen können. Andererseits ist das Land durch die Trockenheit zunehmend auf Meerwasser-Entsalzungsanlagen angewiesen, welche das benötigte Trinkwasser bereitstellen können.
Dies ist eine Methode, auf die Spanien bereits seit Jahren setzt und auch künftig wird, denn die Frage nach der Gewinnung zusätzlicher Wasserressourcen wird auch in Zukunft ganz oben auf der Agenda stehen bleiben. Über 700 Meerentsalzungsanlagen gibt es laut dem öffentlich-rechtlichen Sender Arte TV bereits im Land verteilt, die größte von ihnen in Torrevieja im Südosten des Landes. Spaniens Anlagen steuern laut Costa Nachrichten täglich rund fünf Millionen Kubikmeter entsalztes Wasser bei; dies entspricht rund neun Prozent des spanischen Trinkwassers. Spanien verfügt damit über die größten Kapazitäten an Meerwasserentsalzung in Europa und belegt auch international eine Spitzenposition. Heutzutage beziehen Inseln wie Lanzarote und Fuerteventura einen Großteil des Trinkwassers aus solchen Anlagen, da sie selbst kein Süßwasservorkommen haben, so das Onlinemagazin Viva Canarias. Namenhaft ist in diesem Kontext auch die Spanish Desalination and Reuse Association (AEDyR), die aus dem wachsenden Interesse an Entsalzungstechniken heraus entstand und unterschiedliche Interessengruppen zusammenführt.
Die Meerwasserentsalzung steht jedoch zunehmend in der Kritik. Zum einen aufgrund der entstehenden Salzlauge, die, angereichert mit Schwermetallen und Chemikalien, als Abfallprodukt meist im Meerwasser zurückentsorgt wird. Rund 1,5 Liter Lauge entstehen laut dem Wissenschaftsmagazin Scinexx für jeden einzelnen Liter Trinkwasser. Zum anderen aufgrund des hohen Energieaufwandes, denn das Umkehrosmose-Verfahren der Entsalzung verbraucht laut dem Sender Arte große Mengen an Strom. Eine Lösung hierbei könnte eine Kombination der Anlagen mit Solar- oder Windenergie sein, die den gesamten Prozess umweltfreundlicher und günstiger machen könnte. Letztendlich lässt sich sagen, dass bislang wirtschaftliche Anreize, um die Anlagen effizienter zu machen und die Salzlauge sinnvoll zu nutzen, z.B. indem Metalle rückgewonnen werden oder spezielle Einsatzmöglichkeiten der Lauge für das Meeresbiotop erschlossen werden.
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