Energie-Reporterin Alisa Groh in Taiwan

Alisa Groh

Energie-Reporterin

Alisa Groh berichtet für uns aus Taiwan zu den Themen Energiewirtschaft, Klimaschutz und Energiewende.

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25. Oktober 2022
Energie-Reporterin Alisa Groh

Beitrag vom 10.10.2022

Taiwan – Müllinsel oder Recycling-Vorbild?

Bei einem Spaziergang in Taipei City trifft man nur selten auf Mülleimer. Zeitweise kann man über eine halbe Stunde in der Stadt herumlaufen, ohne auch nur einen Ort zu finden, um die Verpackung des vorangegangenen Snacks loszuwerden. Dennoch schaffte es Taiwan von seinem Ruf als „Müllinsel“, den es in den frühen 90er Jahren noch hatte, zu einem der weltweit führenden Länder im Thema Recycling zu werden. Hierbei liegt Taiwan inzwischen auf Platz 2 weltweit, nur Deutschland liegt weiter vorne. Inzwischen werden in der Stadt 100% des produzierten Mülls gesammelt und ordnungsgemäß entsorgt. Diese drastischen Veränderungen im Müllhaushalt ist nicht zuletzt vielfältigen Initiativen zu verdanken – vorne mit dabei „pay as you throw“. Diese Initiative sorgte dafür, dass alle Haushalte und Unternehmen spezielle Mülltüten für ihren Abfall kaufen müssen und entsprechender Abfall nur in eben diesen Tüten eingesammelt wird. Jedoch gilt diese kostenpflichtige Regelung nur für nicht-recyclebaren Abfall und Verpackungen; Recyclebarer Abfall kann umsonst entsorgt werden ohne, dass spezielle Tüten benötigt werden. In den letzten Jahren wurde diese Initiative immer weiter ausgebaut, sodass beispielsweise auch Küchenabfälle separat eingesammelt werden und als Kompost aufbereitet werden. „Pay as you throw“ hat inzwischen die Recycling Rate auf 64,42% gesteigert und die Menge an produzierten Müll pro Person von 1,14kg in 1998 auf nur noch 0,4kg in 2015 reduziert. Ins Leben gerufen wurde dieser Wandel 1987 von der Homemaker United Foundation. Hinter dieser Organisation befanden sich 10 taiwanesischen Hausfrauen, die ihre Bedenken über die Umweltfolgen des Müllhaushalts äußerten und Daten bezüglich der Recyclebarkeit des Mülls sammelten.

Der Müll aller Haushalte wird mehrmals die Woche von Müllwägen eingesammelt. In Taipeh fahren mehr als 4000 Fahrzeuge an 5 Abenden der Woche. Diese kann man durch Apps tracken, sodass man genau weiß, wann und wo man seinen Müll abgeben kann. Selbst wenn man nicht auf die App schaut, sind die Müllfahrzeuge nur schwer zu verpassen, da sich diese durch laute klassische Musik ankündigen, die durch die Straßen hallt – der Müllwagen für Kompost spielt z.B. „Für Elise“. Sollten die Zeiten der Müllwägen nicht mit dem eignen Lebensrhythmus übereinstimmen, kann der Müll auch zu Sammelorten gebracht werden.

Auch größerer oder Sperrmüll, wie Möbel oder Fahrräder, wird in Taiwan recycelt. Hierfür wurde 2009 von der taiwanesischen Regierung ein „Reparierte Möbel Ausstellungsbereich“ eröffnet. Spezielle Stellen nehmen größere Möbelstücke, wie Sofas und Schränke, aber auch alte Fahrräder an und verwenden möglichst viele Teile davon wieder, um neue Möbelstücke herzustellen. Beispielsweise werden aus Stapeln an Fahrrad-Rädern Stühle gebaut.

Weiterhin wurde dem Ruf als „Müllinsel“ entgegengewirkt, indem die Mülldeponien größtenteils durch Müllverbrennungsanlagen ersetzt wurden. Denn aufgrund der dichten Bevölkerung und limitierten Platz an Land, gibt es nur begrenzt viel Platz für Mülldeponien. Darüber hinaus gelten viele Orte, die sich zur Mülllagerung eignen könnten, als heiliges Land für einige Bewohner:innen. Hinzu kommt, dass durch die häufigen Taifune in Taiwan Schadstoffe, die sich möglicherweise in dem angelagerten Müll befinden, in den Boden und das Grundwasser gelangen. Deponien, die Haushalts- und Industrieabfälle enthalten können darüber hinaus Treibhausgase freisetzen. Aus diesen Gründen werden mittlerweile nur noch ca. 2% des nicht-recyclebaren Mülls deponiert, der Rest verbrannt.

Der Vorteil hierbei ist nicht nur die verminderte Anstauung von Müll, sondern auch, dass die Asche des verbrannten Mülls wiederverwendet werden kann: Die Umweltschutzverwaltung Taiwans unterstützt diese Wiederverwendung für Bauzwecke. Die Überreste des verbrannten Mülls kann beispielsweise bei der Herstellung von Backsteinen, Asphalt oder Beton hinzugefügt werden. Die durch Verbrennung herbeigeführte Luftverschmutzung – insbesondere durch Dioxine und Furan – wird streng kontrolliert, sodass bestimmte Standards eingehalten werden. Die Kapazität der Verbrennungsanlage Neihu in der Nähe von Taipeh kann bspw. 900 Tonnen Müll pro Tag verbrennen, andere Anlagen sind noch effizienter. 2020 wurden insgesamt mehr als 800.000 Tonnen der Asche wiederverwendet. Die spiegelt sich auch im aktuellen Motto der Stadt Taipeh zum Thema Müllentsorgung wider: „Zero landfill, total recycling“, also keine Mülldeponien, sondern nur noch Recycling.

 

Quellen:

https://www.epa.gov.tw/eng/CE35BA06898214FB

https://english.dep.gov.taipei/News_Content.aspx?n=010EDE53B1F4A4AF&sms=85FBABE70858A8D4&s=98C0E979E6454330

https://international.thenewslens.com/article/117330

https://www.taiwan-panorama.com/Articles/Details?Guid=d3e55ba3-723b-4d74-bb66-b64d71ace339&langId=3&CatId=7

https://www.epa.gov.tw/eng/1503E5CFEF44E352

https://law.moj.gov.tw/ENG/LawClass/LawAll.aspx?pcode=O0020031

 

Taifune in Taiwan

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In ihrem ersten Video berichtet Energie-Reporterin Alisa über Taifune in Taiwan und erklärt unter anderem, warum das Land besonders häufig von Taifunen betroffen ist. Außerdem geht sie einerseits darauf ein, welche negativen Folgen Taifune mit sich bringen, andererseits erklärt sie, welch große Bedeutung Taifune für den taiwanesischen Wasserhaushalt haben.

Lichtverschmutzung in Taiwan

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In ihrem zweiten Video berichtet Energie-Reporterin Alisa von der sehr farbenfrohen aber auch energieintensiven Lichterkultur in Taipeh und Taiwan im Allgemeinen. Diese bringt natürlich auch einige Probleme mit sich, Stichwort Lichtverschmutzung. Welche Arten von Lichtverschmutzung es gibt und viele weitere spannende Fakten, erfahrt ihr in diesem Video.

Nachtmärkte und vegetarisches Essen

Nachtmärkte: helle Leuchtschriften, billiges Essen und Menschenmassen. Das ist das Bild was vielen sofort in den Kopf schießt. Nachtmärkte sind ein integraler Bestandteil taiwanesischer Kultur. Viele taiwanesische Haushalte beinhalten nicht einmal Küchen, da die Essenskultur so stark auf Nachtmärkte fixiert ist – zurecht! Die Nachtmärkte haben eine lange Tradition: Früher sammelten sich einige kleine Stände, oft in der Nähe von Tempeln oder anderen Orten, an denen sich Menschen ansammeln. Besonders beliebt wurden sie als Treffpunkt für Gastarbeiter, nicht zuletzt aufgrund der billigen Essenpreise. Die meisten Stände sind dabei auf nur ein Essen spezialisiert, häufig handelt es sich dabei um Xiǎochī“ (chiao tsche), also eher kleine Snacks statt großer Portionen. Erst in den 60er Jahren, als Taiwans Wirtschaft begann aufzublühen und auch der Wohlstand im Land stieg, begannen auch die Nachtmärkte zu wachsen. Helle Lichter, laute Musik und Neontafeln wurden angebracht um mehr Kunden anzuziehen.

Wie sieht es aber mit vegetarischen und veganen Essen in Taiwan aus? Die Auswahl an vegetarischem und veganen Essen ist hauptsächlich drei religiösen Gruppen zu verdanken: Buddhist:innen, Taoist:inne und Anhänger:innen des i-Kuan tao. Die buddhistische Bevölkerung macht eine der größten religiösen Gruppen in Taiwan aus, ungefähr 35% der Gesamtbevölkerung sind buddhistisch. Buddhisten spielen eine besonders große Rolle in den vegetarischen und veganen Optionen in Taiwan: Zwar gibt es im Buddhismus keine Regel die explizit verbietet Fleisch zu essen, jedoch glauben Sie, dass weniger Fleisch zu essen einen mitfühlender macht und das Karma verbessert. Taoist:innen ernähren sich zwar in der Regeln nicht unbedingt vegetarisch, dennoch gibt es Anlässe an denen auf Fleisch verzichtet wird, wie bestimmte Tagen des Mondkalenders oder nach dem Tod eines engen Verwandten. Die drittgrößte Religion Taiwans ist I-Kuan Tao, eine chinesische religiöse Philosophie die Elemente des Taoismus und des Buddhismus vereint und viele Jahrhunderte alt ist. Hier wird, ähnlich wie im Buddhismus, der Konsum von Fleisch nicht explizit verboten, dennoch wir auf Fleisch verzichtet und die vegetarische Ernährung stark ans Herz gelegt, als bedeutungsvolle Geste des Mitgefühls gegenüber Tieren. Daher gibt es sehr viele vegetarische und vegane Restaurants in ganz Taiwan, die Stadt Taipei wurde von der PETA 2016 als vegan-freundlichste Stadt Asien nominiert.

Auf den Nachtmärkten sieht das jedoch leider etwas anders aus: Zwar gibt es viele vegetarische Optionen in der traditionellen taiwanischen Küche, wie z.B. Cong You Bing, also Frühlingzwiebel-Pfannkuchen oder Stinky Tofu, der Großteil des Essens beinhaltet aber Fleisch. Wieso spielt Ernährung ohne Fleisch überhaupt eine Rolle? Die Fleischproduktion benötigt zum einen viel Land – auch in Taiwan: Etwa 5% des Landes wird als Weideland genutzt. Zudem emittieren Tiere, insbesondere Wiederkäuer, Methangas, welches einen noch stärkeren Treibhaus-Effekt hat als CO2. Allgemein können Etwa 70% der direkten Treibhausgas Emission unserer Ernährung auf tierische Produkte zurückgeführt werden. Taiwan ist einer der größten per capita Fleischverbraucher Asiens: etwa 90kg Fleisch, wovon 35-40 kg Schweinefleisch werden jedes Jahr per capita gerechnet. Der Konsum von Fleisch zeigt in den letzten 30-40 Jahren auch eher eine steigende Tendenz. Von dem konsumierten Schweinefleisch werden ca. 90% in Taiwan selbst hergestellt. Jedoch stammt von dem benötigten Futter der Farmtiere nur ca. 1% aus Taiwan selbst, der Rest wird aus anderen Ländern, insbesondere den USA, importiert.

Plastikmüll in Taiwan

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In ihrem dritten Video berichtet über die in Taiwan immer noch sehr verbreitete Nutzung von Einmalplastik in der Gastronomie, beim Einkaufen oder als Regencapes. Sie beschreibt, welche Maßnahmen beschlossen werden, um die Nutzung solcher Produkte zu reduzieren und gibt einen Ausblick, was in der Zukunft noch geschehen muss, um die Entwicklung zu beschleunigen.

Öffentlicher Nahverkehr in Taiwan

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In ihrem vierten Video berichtet Energiereporterin Alisa über die gute Infrastruktur im öffentlichen Nahverkehr in Taiwan. Warum trotzdem sehr viele Menschen in Taiwan mit einem eigenen Roller im Straßenverkehr unterwegs sind und wie die taiwanesische Regierung versucht, die Menschen dazu zu bringen vermehrt E-Roller zu benutzen, erfahrt ihr in diesem Video.

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