Wasserstoffprojekte in Portugal
Felix berichtet in seinem ersten Beitrag von portugiesischen Energieprojekten. Setzt das Land auf erneuerbare Energien? Wie sieht die Nutzung und Herstellung von Wasserstoff vor Ort aus? Felix gibt umfangreiche Einblicke.Grüner Wasserstoff als Transitionstechnologie in Portugal
Mit nüchternem Realismus stellte Francesco La Camera, Generaldirektor der International Renewables Energy Agency (IRENA), vor kurzem fest, dass sich das Erreichen des 1,5°C Klimaziels von Paris als zunehmend herausfordernd erweist. IRENA betonte daher im neuesten Bericht „World Energy Transition Outlook“ die Notwendigkeit einer raschen Energiewende [1].
Unterschiedliche Länder verfolgen daher verschiedene Strategien um im großem Still zu dekarbonisieren, wobei Portugal auf grünen Wasserstoff als Schlüsseltechnologie seiner Energiewende setzt. Mit reichen natürlichen Ressourcen wie Sonne, Wind und Wasser sowie einer strategischen geografischen Lage strebt das Land hier an, eine Vorreiterrolle in Europa einzunehmen [2]. Schon heute werden 62% des Stroms in Portugal durch erneuerbare Energien erzeugt, verglichen mit einem EU-Durchschnitt von 22% [3]. Weiterhin hat das Land hat das Ziel, bis 2026 mindestens 80% seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken.
Zusätzlich ist das Land bereit, auch innovative Projekte zu unterstützen, wie etwa der im vergangenen Jahr installiere schwimmende „Floating Solar“ Photovoltaik (PV) Solarpark auf dem Alqueva-Stausee beweist [3]. Zudem erzeugen die rund 12.000 PV-Panels mit einer Leistung von etwa 5 Megawatt (MW) hier nicht nur eine Strom-Jahresleistung von 7,5 Gigawattstunden für rund 1.500 Haushalte, sondern sind außerdem aus recycletem Platik und speziellen Kork Kompositen befestigt und ist Beweis für die zunehmenden Bemühungen der „Energias de Portugal“ (EDP), dem nationalen Energieversorger des Landes [4]. Doch im Vergleich zu geplanten Projekten wie dem 83 MW „Iberdrola Algarve Solar PV Park“ oder dem 49 MW „Lagos Solar PV Park“ handelt es sich dabei doch um kleine Projekte. Auch diese gigantischen Erneuerbaren Projekte stehen wiederum im Schatten einiger der größten Projekte im Sektor der Erneuerbaren Energien Sektor auf dem europäischen Kontinent, so plant das spanische Stromerzeugungsunternehmen Iberdrola, schließlich Europas siebtgrößter Energieproduzent, aktuell Europas größten Solarpark mit einer Kapazität von 1,2 Gigawatt in Santiago do Cacém nahe der Stadt Sines, knapp 1,5 Autostunden südlich von Lissabon, zu errichten [5]. Eine andere wichtige Rolle im portugiesischen Energiesystem kommt Wasserkraft zu: Nach Angaben der portugiesischen Energieregulierungsbehörde ERSE machte die Wasserkraft im Jahr 2020 etwa 16% des gesamten erzeugten Stroms aus, unter anderem der Alqueva-Staudamm, einer der größten künstlichen Seen Europas der durch eine Speicherkapazität von etwa 4.150 Mio. Kubikmetern Wasser eine installierte elektrische Leistung von 240 MW bereitstellen kann [6]. Darüber hinaus betreibt das Land das Pumpspeicherkraftwerk Vale de Frades mit einer installierten Kapazität von 756 MW, das entscheidend zur nationalen Netzstabilität Portugals beiträgt [7], was im Kontext der Dekarbonisierung immer wichtiger wird, denn durch das Speichervermögen der Stauseen kann die nur variabel mögliche Produktion von Solar- und Windenergie ausgeglichen werden.
Auf genau diese reichhaltigen erneuerbaren Energieressourcen setzt Portugal bei der Verfolgung seiner Ambitionen im Bereich des grünen Wasserstoffs mit Nachdruck. Ein Vorzeigeprojekt befindet sich im Hafen von Sines, hier wird ein ehemaliges Kohlekraftwerk in eine Produktionsanlage für grünen Wasserstoff umgewandelt. Dieser Sines-Cluster soll bis 2025 eine Elektrolysekapazität von 265 MW erreichen und bis 2030 auf 2,5 GW erweitert werden, um dann ab 2025 jährlich 50.000 Tonnen grünen Wasserstoff und 500.000 Tonnen Ammoniak produzieren. Dies bringt nicht nur Portugals eigene Dekarbonisierungsziele voran, sondern positioniert das Land auch als wichtigen Akteur auf dem entstehenden europäischen Wasserstoffmarkt [2].
Doch nicht nur Ammoniak, sondern auch andere emissionsreiche Sektoren wie beispielsweise der Zement- oder Glassektor erfahren innovativen Aufschwung in dem sonnigen südeuopäischen Land. In einem bedeutenden Schritt zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen haben sich die großen Glas- und Zementhersteller Portugals zusammengeschlossen, um eine grüne Wasserstoffanlage zu errichten. Das von Rega Energy geleitete Konsortium Nazare Green Hydrogen Valley (NGHV) besteht aus Branchenriesen wie Cimpor und Secil in der Zementproduktion sowie BA Glass, Crisal und Vidrala in der Glasbranche, Unternehmen die zusammen zu 10% der industriellen Kohlenstoffemissionen des Landes beitragen. Die Initiative steht im Einklang mit Portugals Ziel, bis 2050 kohlenstoffneutral zu sein, und zielt auf eine Verringerung der Emissionen um 45-55 % bis 2030 gegenüber dem Stand von 2005 ab. Das Konsortium wird die Anlage für grünen Wasserstoff in Zentralportugal mit einer anfänglichen Kapazität von 40 MW bauen, die auf bis zu 600 MW erweitert werden soll. Der Baubeginn ist für dieses Jahr geplant und soll Ende 2025 fertiggestellt werden. Darüber hinaus plant das Konsortium, mehr als 100 Mio.€ zu investieren, um bestehende Anlagen für die Kohlenstoffneutralität umzurüsten. Der von der Anlage erzeugte überschüssige Wasserstoff wird über das bestehende Erdgasnetz an andere Industrien geliefert, was den sektorübergreifenden Ansatz des Projekts zur Verringerung der CO2-Bilanz Portugals verdeutlicht [8].
Mich persönlich inspirieren diese Projekte sehr, und auch die täglichen Diskussionen, die ich mit anderen Studenten und Dozenten während meiner Studienzeit in Portugal geführt habe. Es war auch ein mitunter aufregendes Gefühl, in den klimaneutralen Wasserstoffbussen der Hafenstadt Cascais südlich von Lissabon mit dem Surfboard unter dem Arm an die Strände der Stadt zu fahren.
Referenzen
[1] IRENA (2023), World Energy Transitions Outlook 2023: 1.5°C Pathway, Volume 1, International Renewable Energy Agency, Abu Dhabi.
[2] Industrieanzeiger, Portugal Setzt auf Grünen Wasserstoff, https://industrieanzeiger.industrie.de/management/portugal-setzt-auf-gruenen-wasserstoff/#:~:text=Als%20erstes%20Land%20der%20Welt,Endenergieverbrauchs%20allein%20durch%20Wasserstoff%20decken.
[3] FOCUS online, Das Wasserstoff-Tal: Wie Portugal den krieg als energie-chance nutzt, https://www.focus.de/perspektiven/nachhaltigkeit/das-wasserstoff-tal-wie-portugal-den-krieg-als-energie-chance-nutzt_id_107947599.html#:~:text=80%20Prozent%20aus%20erneuerbaren%20Energien&text=In%20der%20Hafenstadt%20Sines%2C%20die,Europ%C3%A4ern%20ist%20es%20also%20ernst.
[3] Bundesregierung Deutschland, Energie und Klimaschutz, Anteil der erneuerbaren Energien steigt weiter, https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/klimaschutz/faq-energiewende-2067498#:~:text=Wie%20hoch%20ist%20der%20Anteil,2023)%20hervor.
[4] Energie.blog, Portugal strebt bei grünem Wasserstoff Schlüsselposition in Europa an. Energie. https://energie.blog/portugal-strebt-bei-gruenem-wasserstoff-eine-schluesselposition-in-europa-an/
[4] edp.com, EDP’s pioneer floating solar power plant in Alqueva ready to start producing energy, https://www.edp.com/en/news/2022/07/14/edps-pioneer-floating-solar-power-plant-alqueva-ready-start-producing-energy
[5] Balkan Green Energy News, Europe’s largest solar power project is underway in Portugal, https://balkangreenenergynews.com/europes-largest-solar-power-project-is-underway-in-portugal/
[6] Matos, C., Catalão, J., & Detzler, P., (2018), Impact of the Alqueva dam on regional development and electricity production in Portugal, Journal of Energy and Natural Resources, 7(1), 31.
[7] Silva, V., (2021), The role of pumped hydro storage in the Portuguese electricity system: Past, present, and future, Renewable and Sustainable Energy Reviews, 141, 110771.
[8] Reuters, Portuguese cement and glass companies join green hydrogen consortium, https://www.reuters.com/business/environment/portugals-top-cement-glass-makers-join-new-consortium-green-hydrogen-plant-2022-02-22/
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