Die Lösungen von heute sind die Probleme von morgen – Unsere Verkehrslandschaft im Umbruch

Gastautor Portrait

Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
08. Februar 2019
Foto: Reinhold Maier Stiftung

In einem Tesla sind 27 SIM-Karten verbaut. Die wissen alles über Sie.

Dr. Bernd Bienzeisler, Fraunhofer IAO

Ob drohende Fahrverbote für Pkws, ausgelastete Straßenbahnen und Busse, fehlende Radwege oder je nach Sichtweise zu wenige oder zu viele Parkplätze in den Innenstädten oder fehlende Radwege – Verkehr sind wir alle, und insofern sind wir alle Teil des Problems.

Und so richtig es sein mag, dass man in der Vergangenheit hätte deutlich mehr in die Infrastruktur hätte investieren sollen: Durch den Blick in den Rückspiegel lösen wir die Herausforderungen nicht. Wie aber begegnen wir dem Spagat zwischen steigendem Mobilitätsbedarf und gleichzeitiger Notwendigkeit nach mehr Klimaschutz?

Die Stiftung Energie & Klimaschutz und die Reinhold Maier Stiftung hatten zu einer Diskussion mit Expertinnen und Experten aus Forschung, Politik und Praxis eingeladen.

„Die Digitalisierung ist kein Trend, der vorübergeht. Digitalisierung und Mobilität lassen sich nicht trennen. Aber: Die Digitalisierung löst nicht das Problem, sie verschiebt es nur, genauso wie gute Straßen letztendlich noch mehr Verkehr anziehen“, sagt Dr. Bernd Bienzeisler vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. Weiter zeigt er den Wandel der Kundenbeziehungen auf: Früher kaufte der Kunde sein Auto bei einem Hersteller. Heute kauft er Mobilität über eine App. Und morgen einen Service, vielleicht bei Google? Bienzeisler sieht auch den Grund des wachsenden Widerstands gegen den Pkw weniger in den Schadstoffen als in der Fläche, die pro Fahrzeug verbraucht wird: „Überlegen Sie, was man mit einem Parkplatz von 12 Quadratmetern alles machen kann“ – einen Abstellplatz für zehn Fahrräder, eine kleine Grünfläche mit Bank, den Gehweg verbreitern … Für Bienzeisler stellt sich jedenfalls die Grundfrage: „Können zehn Milliarden Menschen so mobil sein, wie wir das heute sind?“

Umbrüche hat es zu allen Zeiten gegeben

Ein Diesel-Verbot ist mit uns nicht machbar

Judith Skudelny MdB, Generalsekretärin der FDP Baden-Württemberg

Dr. Wolfgang Fischer leitet die Projekt- und Clusteraktivitäten der e-mobil BW GmbH. Die Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive begleitet baden-württembergischen Unternehmen bei der Verkehrswende. Er wies darauf hin, dass zu allen Zeiten Unternehmen und Berufsfelder verschwunden und dafür neue entstanden seien. Die Herausforderung werde darin bestehen, dass die betroffenen Arbeitsplätze nicht eins zu eins umgewandelt werden. Hilfreich dabei sei, dass sich dieser Umbruch nicht schlagartig, sondern graduell vollzieht. Auch werde der Verbrennungsmotor nicht komplett verschwinden, aber er werde ganz sicher nicht mehr in der aktuellen Breite im Einsatz sein. Fischer warnte davor, auf einem Gebiet zu beharren, auch wenn man darin besonders gut sei: „Wir müssen neugierig bleiben auf Neues.“

Die Zukunft des Diesel-Antriebs

Viele kleine und mittlere Unternehmen machen sich mit Neugier und auch mit einem gesunden Selbstvertrauen an den Wandel.

Dr. Wolfgang Fischer, e-mobil BW GmbH

Marc Burgstahler, Leiter Elektromobilität bei der EnBW Energie Baden-Württemberg, weiß, dass letztendlich ein Wandel in den Köpfen erforderlich ist, um die Kunden für die Elektromobilität zu begeistern. Er stellt dann gern die Fragen nach der Tagesstrecke, der Tankhäufigkeit und der Zeit, während der das Fahrzeug tatsächlich in Bewegung ist. „Und wie oft im Jahr fahren Sie mehr als 250 km am Stück?“ fragte er das Publikum.

Judith Skudelny MdB wehrte sich: „Wir reden hier immer nur über Elektromobilität.“ Die umweltpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion und Generalsekretärin der FDP Baden-Württemberg sagt ganz klar: „In meiner Welt hat auch der Diesel seine Berechtigung.“ Ihre Argumentation: Die wenigsten Politiker seien Ingenieure oder haben bereits Unternehmen geleitet. Politiker sollen deshalb keine Technologien bewerten, sondern den Rahmen setzen und die Umsetzung den technischen Fachleuten und dem Markt überlassen.

Skudelny brachte auch noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein: Bisher werden gebrauchte Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in die osteuropäischen Staaten verkauft oder erfahren noch ein „zweites Leben“ in Afrika. Sie warnt davor, auch die Elektroautos diesem Verwertungszyklus zu überlassen, da die realistische Gefahr bestehe, dass die Batteriekomponenten an ihrem Lebensende unter menschenunwürdigen Bedingungen von Kindern recycelt werden: „Das wird Geld kosten, aber wir müssen uns jetzt bereits damit auseinandersetzen.“

Moderator Ulrich Schreyer aus der Wirtschaftsredaktion der Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten ließ auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Fragen direkt an die Expertinnen und Experten auf dem Podium stellen. Im stimmungsvollen Ambiente des Pforzheimer Gasometers reichte der Abend jedoch bei weitem nicht aus, alle Fragen aus dem Publikum zu beantworten.

Über die Kooperationsveranstaltung berichtete auch die Pforzheimer Zeitung in einem Beitrag.

Die Stiftung wird dem Thema Mobilität einen eigenen Schwerpunkt ab Mitte März widmen.

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