Der Klimawandel gewinnt an Dynamik – Extremwetterereignisse nehmen zu
Nach den wiederholten Dürren der letzten Jahre gab es in der ersten Jahreshälfte 2024 in Deutschland bereits drei sog. „Jahrhunderthochwasser“. In anderen Regionen (z.B. Brasilien, Karibik) scheinen die Extremwetterereignisse noch drastischer auszufallen. Immer mehr Menschen werden ihres Lebens bzw. ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Die ökonomischen Schäden gehen in die Milliarden und steigen exponentiell. Bereits seit vielen Jahren warnen nicht nur Klimaforscher, sondern auch bspw. Rückversicherungen sowie der jährlich auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos erscheinende Global Risks Report vor den Konsequenzen des menschengemachten Klimawandels, der ursächlich auf die noch immer steigenden CO2-Emissionen vor allem von Menschen mit hohen Einkommen bzw. großen Vermögen zurückzuführen ist. Rund 35% der CO2-Emissionen in Deutschland entfallen auf den Gebäudesektor. Der Großteil entfällt auf die Wärmenutzung. Dies unterstreicht die Dringlichkeit einer beschleunigten Wärmewende in Gebäuden und Infrastruktur.
Die Notwendigkeit einer Großen Transformation
Um großen Gesellschaftlichen Herausforderungen („Grand Challenges“) wie bspw. dem Klimawandel wirksam und zukunftsorientiert zu begegnen, bedarf es einer „Großen Transformation“ von Wirtschaft und Gesellschaft [...]
Um großen Gesellschaftlichen Herausforderungen („Grand Challenges“) wie bspw. dem Klimawandel wirksam und zukunftsorientiert zu begegnen, bedarf es einer „Großen Transformation“ von Wirtschaft und Gesellschaft, die wiederum aus unterschiedlichen Wenden besteht. Zum Gelingen der Wärmewende bedarf es erheblicher Dekarbonisierungsfortschritte auf zwei Ebenen, die zukünftig viel stärker als bisher miteinander verzahnt werden sollten: Erstens, einer stark beschleunigten energetischen Sanierung des Gebäudebestands (v.a. Wohngebäuden). Zweitens, einem massiven Ausbau von Nahwärmenetzen sowie der Umstellung bestehender Netze auf erneuerbare Energien und die Nutzung vorhandener Abwärmepotenziale.
Wesentliche Akteure dieser Transformation sind Unternehmen (z.B. aus der Energie- und Immobilienwirtschaft), die sich ebenfalls – idealerweise mit Hilfe von Innovationen („Transformation durch Innovation“) – entlang der ESG-Dimensionen in nachhaltige Unternehmen transformieren. Nachhaltige Unternehmensführung (CSR) wird zum zum Standard. Gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) sind Unternehmen mit bspw. mehr als 250 Mitarbeiter:innen künftig dazu verpflichtet Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen, mit denen sie gegenüber ihren Stakeholdern bzgl. ihres Transformationsfortschritt berichten. Gelingt diese Unternehmenstransformation flächendeckend, kann auf Ebene des Wirtschaftssystems das Erfolgsmodell der Sozialen Marktwirtschaft in eine Sozial-ökologische Marktwirtschaft weiterentwickelt werden (vgl. Abb. 1).
Sustainable Finance - Der Kapitalmarkt als Hebel
Sowohl auf Unternehmensebene als auch Ebene bspw. von Gebäudeeigentümern sind zum Gelingen der Transformation erhebliche Investitionen notwendig. Allein auf Wohngebäudeebene werden bis 2045 ca. 6.000 Mrd. EUR benötigt. Angesichts der hohen öffentlichen Verschuldung wird die öffentliche Hand diesen Investitionsbedarf nicht ansatzweise decken können. Umso wichtiger ist es, mit dem regulatorischen Rückenwind des EU Aktionsplans zur Finanzierung Nachhaltigen Wachstums und der darin enthaltenen Maßnahmenpakete (z.B. EU Taxonomie) den Kapitalmarkt im Bereich Sustainable Finance zielgerichtet zu erschließen.
In dem BMBF-geförderten Vorhaben CREATE haben wir für den Wohngebäudebereich gemeinsam mit unseren Projektpartner:innen unter Nutzung des Leitprinzips der „transformativen Wirkung“ den „integralen CO2-Impact-Ansatz“ entwickelt. Dieser zielt u.a. auf eine stärkere Verzahnung von Sanierungs- und Finanzierungsprozess ab. Zudem sollten Fördermaßnahmen und -kredite sowie weitere Finanzierungsinstrumente, primär gebäudetypspezifisch Sanierungsmaßnahmen bzw. Maßnahmenbündel finanzieren, die das höchste CO2-Reduktionspotenzial aufweisen. Der knappe Euro sollte also dort eingesetzt werden, wo er das größte Dekarbonisierungspotenzial realisieren kann. In einem gemeinsam mit dem Sustainable-Finance-Verband VfU durchgeführten Vorhaben für das Umweltbundesamt (UBA) haben wir herausgearbeitet, dass die konsequente Befolgung der ESG-Linked-Logik für Gestaltung von Finanzierungsinstrumenten im Bereich Sustainable Real Estate Finance durch die Kopplung von Finanzierungskonditionen an die ESG-Performance (hier: CO2-Reduktion) grundsätzlich dazu geeignet sein kann, die Sanierungsraten im Gebäudebestand zu steigern. Entsprechende Instrumente sind bspw. ESG-Linked-Loans/-Bonds/ -Schuldscheindarlehen (SSD). Für Wohnimmobilieneigentümer können dies ESG-Linked-Loans von Banken/Sparkassen, Bausparkassen und Versicherungen sein.
Da sich das CREATE-Projekt als Beitrag zum Innovationsökosystem in Baden-Württemberg versteht und explizit die interaktive Einbindung wesentlicher Stakeholder vorsieht, sind Akteure z.B. aus Immobilien-, Energie- und Finanzwirtschaft nach wie vor herzlich eingeladen, sich bis Sommer 2025 an diesem Vorhaben zu beteiligen.
Den Kapitalmarkt auch für Wärmenetze erschließen
Investitionen in den Klimaschutz lohnen sich ökonomisch allein deshalb, als die andernfalls aufgrund von Extremwetterereignissen steigenden Schadenssummen um ein Vielfaches höher ausfallen dürften.
Ähnlich herausfordernd gestaltet sich die Situation auf Ebene der Wärmeinfrastruktur. Allein bis 2030 ist für die Dekarbonisierung bestehender Netze und die Installation neuer Netze ein Investitionsbedarf von bis zu 100 Mrd. EUR zu erwarten. Da auch hier öffentliche Haushalte aus den genannten Gründen nicht die vollständige Finanzierung leisten können, gilt es hier ebenfalls, das der Kapitalmarkt zielgerichtet erschlossen wird. In dem EU-geförderten Projekt REWARDHeat haben wir herausarbeiten können, dass grundsätzlich unterschiedliche Investorengruppen (z.B. Retailinvestor:innen / Bürger:innen, Investmentfonds, Versicherungen, etc.) vor dem Hintergrund der EU-Taxonomie und des EU-Green Deal bereit sind, in Wärmenetze zu investieren. Als Hindernis erweist sich jedoch vielfach, das mit den frühen Phasen im Infrastrukturlebenszyklus verbundene hohe Risiko. Hier können Blended Finance-Ansätze einen Beitrag leisten, bei denen die öffentliche Hand (z.B. durch Bürgschaften) „De-Risking“ betreibt. Aufgrund der sich damit verbessernden Rendite-Risiko-Relation für Investoren wird angestrebt, Finanzierungsmittel über den Kapitalmarkt zu mobilisieren. Weitere Finanzierungsansätze sind bspw. Green- bzw. ESG-Linked-Loans / -Bonds / -SSD, spezielle Fonds zur Verbesserung des Eigenkapitals bei Stadtwerken und Alternative Investment Funds (AIF, wie z.B. European Long-Term Investment Funds, ELTIF). In bestimmten Fällen kann auch die Umwandlung von Stadtwerken in Wärmegenossenschaften – verbunden mit der Mobilisierung von „Bürgerkapital“ – eine vielsprechende Option darstellen.
Ausblick
Investitionen in den Klimaschutz lohnen sich ökonomisch allein deshalb, als die andernfalls aufgrund von Extremwetterereignissen steigenden Schadenssummen um ein Vielfaches höher ausfallen dürften. Das für die erfolgreiche Gestaltung der Wärmewände erforderliche Kapital ist grundsätzlich verfügbar. Die Kapitalmarktregulatorik (z.B. EU-Taxonomie) zielt darauf ab, dieses Kapital zu mobilisieren. Hierzu bedarf es jedoch einer Vereinfachung der regulatorischen Rahmenbedingungen sowie einer Verschlankung von bürokratischen Prozessen. Ebenso sollten verstärkt marktorientierte Instrumente wie eine ambitionierte, flächendeckende CO2-Bepreisung (gepaart mit sozialen Ausgleichsmechanismen) zum Einsatz kommen. Ebenso bedarf es dringend digitaler Tools, um sowohl im Gebäude- als auch Wärmeinfrastrukturbereich Regulatorik-konforme CO2-Daten zu erheben, zu verarbeiten und allen involvierten Stakeholdern standardisiert zur Verfügung zu stellen.
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