Mit der zunehmenden Einspeisung von Windenergie und anderen erneuerbaren Energien wächst auch die Herausforderung, die fluktuierende Energieeinspeisung aus Wind und Sonne in das Stromnetz zu integrieren. Das Stromnetz war ursprünglich für fossile Energieträger konzipiert. Strom wurde von großen Kraftwerken aus an die Verbraucher verteilt – ein zentral gesteuertes System, in dem die Verbraucher mit Energie versorgt wurden, aber selbst keine Energie produzierten. Heute können Verbraucher auch als Energieerzeuger auftreten, mit einer kleinen Photovoltaik- oder Windenergieanlage. Man bezeichnet diesen Personenkreis auch als Prosumer, aus dem englischen „Producer“ und „Consumer“. Das Netz und der Energiefluss sind heute viel komplexer und die Steuerungsmöglichkeiten und die Unsicherheiten wachsen mit der zunehmenden Diversität und Dezentralisierung der Energieversorgung. In der Energiewende-Diskussion spielt daher die Versorgungssicherheit eine große Rolle. Immer öfter wird die Frage gestellt: Können wir die bisherige hohe Versorgungssicherheit bei einem zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien überhaupt noch garantieren, wenn beispielweise die Erneuerbaren bis zu 80 Prozent im Vergleich zu den ca. 28 Prozent im Jahr 2015 erreichen?
Abbildung 1 Offshore Testfeld Alpha Ventus
Früher genügte es, wenn Windenergieanlagen nur Strom produzierten und einspeisten, weil der Anteil der Stromproduktion aus Windenergie marginal war. Heute müssen Windenergieanlagen viel mehr leisten, um das Stromnetz zu unterstützen. Dazu dienen die sogenannten Systemdienstleistungen wie Stabilisierung der Netzfrequenz und Netzspannung, Erzeugung oder Aufnahme von Blindleistung etc. Irland ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Windenergie einen positiven Beitrag zur Netzstabilität leisten kann, da viele der Systemdienstleistungen für ein schwaches Inselnetz, wie es in Irland vorhanden ist, entwickelt wurden. Das eigentliche Problem ist nicht, ob die Windenergieanlagen technisch in der Lage sind, solche Systemdienstleistungen zu liefern, sondern welche Anreize die Betreiber von Windparks haben, überhaupt Systemdienstleistungen anzubieten. Damit kommen wir zu dem grundsätzlichen Problem der Marktgestaltung und Preisbildung von erneuerbaren Energien. Zurzeit werden Windenergie und Sonnenenergie vorrangig ins Netz eingespeist. Windenergie hat sehr niedrige marginale Kosten. Im Vergleich zu fossilen Energien kostet die Kilowattstunde aus Wind fast nichts. Der Energiemarkt kann aber nur funktionieren, wenn das Gut, Energie in diesem Fall, einen Wert hat. Gleichzeitig werden die Netzintegrationskosten von erneuerbaren Energien bei der Preisbildung der Energie nicht berücksichtigt und damit werden die Kosten nicht auf einer transparenten Basis verteilt. Eine Neugestaltung des Energiemarktes muss her. Aber wie diese aussehen soll, das ist die entscheidende Frage. Wie kann man einen transparenten Energiemarkt gestalten, damit alle Kosten der Energieproduktion, des Transports und Verbrauchs gerecht ermittelt werden können, einschließlich der Kosten, die CO2-Emissionen verursachen, der Gesundheitskosten, Rückbaukosten etc. In einem transparenten Energiemarkt wären die erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig und die Kostenverteilung und Preisbildung transparenter.
Welche technischen Entwicklungen in der Windenergie tragen dazu bei, die Zuverlässigkeit der Energieversorgung zu steigern? Da ist zunächst der Ausbau der Offshore-Windenergie zu nennen. Offshore-Windparks liefern an beinahe 350 Tagen im Jahr Strom mit einem Kapazitätsfaktor von über 50 Prozent. Damit trägt die Offshore-Windenergie zu einer stetigeren Energieerzeugung bei. Die Herausforderung liegt darin, die Energiegestehungskosten der Offshore-Windenergie weiter zu senken. Im Gegensatz zur Windenergie an Land bilden die Offshore-Windenergieanlagen nur ca. 30 Prozent der Energiegestehungskosten ab. Da die Windenergieanlagen bereits eine lange Optimierungsphase durchlaufen haben, liegt das große Einsparpotenzial bei der Gründungsstruktur, der Installation und der Wartung. Die Kosten der Gründungsstruktur lassen sich auf verschiedene Weise reduzieren, zum Beispiel durch Verwendung des sogenannten XXL-Monopile mit einem Durchmesser von bis zu 10 Metern. Mit einem Vibrationsverfahren werden die Installationszeiten der Pfähle wesentlich verkürzt und durch innovative Monitoring-Systeme der Wartungsaufwand bei Offshore-Windenergieanlagen erheblich reduziert. Es wird erwartet, dass die Energiegestehungskosten der Offshore-Windenergie innerhalb der nächsten fünf Jahre auf weniger als 100€/MWh reduziert werden können.
Netzausbau hört nicht an der nationalen Grenze auf
Unabdingbar für die Nutzung der Offshore-Windenergie ist der Netzausbau, um den Offshore-Windstrom zu den Verbrauchern zu bringen. Der Netzausbau hört nicht an der nationalen Grenze auf. Um eine effizientere Nutzung der Windenergie zu erreichen, sollte der Netzausbau auf europäischer Ebene koordiniert werden, denn eine Vernetzung von Windparks in einer größeren geographischen Region führt zu geringeren Schwankungen bei der Einspeisung von Windenergie. Das hat wiederum einen positiven Effekt auf die Netzintegrationskosten.
Ein zweiter Trend in der Windenergie ist die Entwicklung von großen Windenergieanlagen für die sogenannten Schwachwind-Standorte. Durch die Vergrößerung der Rotordurchmesser und der Nabenhöhe können erhöhte Energieerträge erzielt werden und damit die Zahl der Standorte steigen, die wirtschaftlich betrieben werden können. Die Dimensionen der Rotoren erreichen dabei Durchmesser von bis zu 136 Metern, die früher der Offshore-Windenergie vorbehalten waren.
Die Herausforderung für die Windenergie an Land in dicht besiedelten Gebieten wie in Europa liegt darin, wie man die Auswirkungen auf die Umwelt und die Bevölkerung minimieren kann. Gleichzeitig muss man die Bevölkerung bei der Planung, dem Bau und Betrieb von Windparks einbeziehen, um das Akzeptanzniveau hoch zu halten.
Wind braucht auch Freunde
Um bis 2050 einen Anteil der Erneuerbaren von über 80 Prozent zu erreichen, müssen wir auch eine Lösung für die Energiespeicherung finden. Man kann chemische Energie wie Kohle und Gas als Speicher nutzen, um die fluktuierende Einspeisung von erneuerbaren Energien zu kompensieren. Das ist aber kontraproduktiv für die Erreichung der Klimaziele. Wir müssen also mit neuen technologischen Entwicklungen die Weichen stellen, um 100 Prozent erneuerbare Energie erreichen zu können. Über die wichtigen Fragen bei der Energiespeicherung, nämlich wie viel und in welcher Form gespeichert werden kann, wird viel diskutiert und geforscht. Zurzeit besteht aber nur über die Notwendigkeit der Energiespeicherung Konsens. Eine andere Herausforderung liegt in der Marktgestaltung, wo finanzielle Anreize für Investitionen in Energiespeicher geschaffen werden müssen. Das ist im Moment noch nicht der Fall. Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen. Sie muss dafür sorgen, dass eine Technologie-Vielfalt und eine Konkurrenz zwischen den Technologien entstehen, damit kostengünstige Energiespeichertechnologien entwickelt werden können.
Wind braucht auch Freunde. Mit dem Netzausbau, neuen Energiespeichertechnologien und einem transparenten Energiemarkt wird es uns gelingen, den Windstromanteil an der Stromversorgung in Deutschland weiter zu erhöhen, ohne die gefürchtete Kostenexplosion und ohne den Verlust der Versorgungssicherheit. Damit können wir die Grundlagen eines nachhaltigen Energiesystems für zukünftige Generationen schaffen.
Abbildung 2 Kleinwindenergieanlage auf dem Campus in Vaihingen
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