Unsere Redaktion blickt zurück auf den Debatten-Abend zum Thema Offshore-Windkraft, der am 21. Mai 2019 in Stuttgart stattfand. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erlebten sowohl vor Ort als auch via Livestream eine angeregte Podiumsdiskussion und stellten auch ihre eigenen kritischen Fragen.
„Small is beautiful“ sei bei der Offshore-Windkraft wohl nicht der richtige Weg, fasst ein Teilnehmer im Publikum die bisher gehörten Aspekte beim Debatten-Abend zusammen. Die lebendigen Ausführungen von Professor Dr.-Ing. Andreas Reuter, Geschäftsführender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme IWES und Leiter des Instituts für Windenergiesysteme der Leibniz Universität Hannover, sorgten für Staunen: „Die Anlagen sind groß, sehr, sehr groß. Eine 12 Megawatt-Anlage hat einen Rotordurchmesser von 220 Metern. Ein Airbus A380 ist Spielzeug dagegen mit einer Spannweite von 80 Metern. Das sind die größten rotierenden Maschinen, die die Menschheit je gebaut hat.“ Aber die Größe alleine zählt nicht, darin waren sich alle Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer einig.
Mehr Agilität und Konsequenz von der Politik gefordert
Ich bin froh, dass wir die Diskussion in Baden-Württemberg nicht zum ‘Ob‘, sondern zum ‘Wie‘ führen
Eingangs macht Paula Segelken vom Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore BWOdeutlich, dass die Offshore-Industrie in Deutschland im weltweiten Vergleich inzwischen das Nachsehen hat – das vorhandene Potenzial werde durch die politischen Rahmenbedingungen beschnitten, so ihre Kritik. Dazu zählten vor allem die politisch viel zu gering ambitionierten Ausbauziele: Bis 2030 ist die Offshore-Windkraft in der deutschen Nordsee bei 15 Gigawatt gedeckelt, der BWO fordert 20 Gigawatt als angepasstes Ausbauziel. Deutschland hinke bei den Ausbauzielen der Erneuerbaren hinterher, beim Erreichen der Klimaschutzziele ohnehin – warum, so die einhellige Frage, wartet die Bundespolitik noch und setzt nicht auf das prächtige Pferd Offshore, das beileibe kein kleines Seepferdchen im Gesamtenergiesystem ist?
„Es ist fünf vor zwölf“, so die Begründung von Reuter für die drängenden Appelle aus der Podiumsrunde. Er betont: „Die Herausforderung ist nicht wirklich eine technische, sondern eine Frage von Politik und Genehmigungsrecht“.
Wo über Offshore-Windkraft gesprochen wird, ist auch der Aspekt der Stromnetzleitungen und des Netzausbaus nicht weit. „Baden-Württemberg ist Stromimportland, und 2030 ist aus planerischer Sicht quasi morgen. Ich bin deshalb froh, dass wir die Diskussion in Baden-Württemberg nicht zum ‘Ob‘, sondern zum ‘Wie‘ führen“, fasst Dr. Werner Götz, Vorsitzender Geschäftsführer der TransnetBW GmbH, die Situation beim Netzausbau zusammen und lobt die positive Unterstützung seitens der Landesregierung.
Power-To-Gas begleitet die zukünftige Offshore Erzeugung
Auch die Power-to-Gas-Technologie war ein vieldiskutierter Aspekt beim Debatten-Abend in Stuttgart. Power-to-Gas sei Bestandteil sowohl der aktuellen Netzausbaupläne, wie Götz berichtete, als auch fest verankert in den geplanten Demonstrationsprojekten in der Ostsee direkt vor Rostock, was Segelken und Reuter ausführten. Dies aber nur als kleindimensionierter Testraum, um die neuen 10-Megawatt-Anlagen mit unkomplizierter Erreichbarkeit in Küstennähe zu testen. Die Zukunft von Offshore findet weit draußen in der Nord- und Ostsee statt, u.a. auch mit Hilfe neuer digitaler Monitoring- und Wartungstechnologien für einen effizienten Betrieb.
Gesellschaftliches Engagement und Akzeptanz werden benötigt
Last not least: Auch an diesem Debatten-Abend kamen die Podiumsteilnehmer zu dem Punkt, dass es ohne die Bevölkerung nicht geht, besonders dort, wo die Leitungen verlaufen, ohne dass Strom eingespeist oder entnommen wird. „Hohe Akzeptanz und Volllaststunden machen Offshore zum Spitzenreiter, was Sinnhaftigkeit für das Energiesystem angeht“, merkte Reuter auf dem Podium an. Abschließend betonte BWO-Vertreterin Segelken: Die FridaysForFuture-Bewegung sei ein Segen für den Klimaschutz, „die Themen werden in Berlin wieder besprochen, und da tut sich was, vielleicht wird die eine oder andere Entscheidung schneller gefällt“. In seinem Schlussappell zitierte Professor Reuter den amerikanischen Ex-Präsidenten Barack Obama: „Wir sind die letzte Generation, die das hinkriegen kann mit dem Klimawandel. Tun Sie, was sie können. Reden Sie mit ihren Politikern, wählen Sie richtig“.
Andy Jansky
vor 6 JahrenAm Ende des Tages wird sich nicht die Politik sondern die Physik durchsetzen. So werden im Moment (05.06.2019, 08:50) 3.769 MW grüner Atomstrom aus Frankreich importiert, da sich drei unserer Kernkraftwerke in der Revision befinden. Deutschland kann nach 2022 nur auf die Exportbereitschaft der Nachbarländer hoffen. Das Prinzip "Hoffnung" stellt für eine Industrienation allerdings eine sehr zweifelhafte Zukunftsstrategie dar. Schade ist, dass die Menschen in Deutschland erst nach einem massiven Blackout aufwachen werden.
Ulrich Gräber
vor 6 JahrenFast 10 Jahre nach Energiewende bestätigt sich die Fehleinschätzung von Politik und Energiewirtschaft mit einem massiv gesteigerten Ausbau der Erneuerbaren die CO2 Emissionen reduzieren zu können. Ohne Einsatz einer CO2 freien und von jeglichen Witterungseinflüssen unabhängigen Grundlasterzeugung ist dies schlicht physikalisch nicht möglich. Wären wir nicht aus der Kernenergie ausgestiegen könnte Deutschland‘s Stromerzeugung heute schon klimaneutral sein. Und nun sollen bis 2023 noch die letzten 7 Kernkraftwerke - übrigens mit die modernsten, sichersten und leistungsfähigsten der Welt - abgeschaltet werden, davon 2 im Besitz der EnBW. Im Ergebnis wird die Kohleverstromung nach 2023 noch steigen und die Klimaziele Deutschlands rücken in immer weitere Ferne. Deutschland und deren Energieversorger machen sich weltweit lächerlich.