Dekarbonisierung des Straßengüterfernverkehrs: Quo vadis?

Gastautor Portrait

Philipp Kluschke

Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI

Philipp Kluschke hat Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Kassel (Diplom) und der TU Berlin (M.Sc.) studiert. Parallel absolvierte er eine technische IHK-Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik (IHK) und trat anschließend ein Auslandsstudium an der University of Queensland, Australien, an. Vor seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer ISI, war er drei Jahre vorrangig in der Automobilindustrie im Bereich Forschung und Entwicklung für elektrische Antriebssysteme tätig.

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14. Januar 2019
Foto: pixabay

Mit etwa 14% der CO2-Emissionen weltweit ist der Transportsektor der viert größte Emittenten dieses Treibhausgases. Innerhalb dieses Sektors repräsentiert der Güterfernverkehr mit ca. 40% einen sehr großen Anteil – Tendenz steigend. Zwar werden CO2-Emissionen z.B. im PKW-Bereich in der EU stark reguliert, dennoch gab es in Mitgliedsstaaten wie Deutschland lediglich eine minimale Reduktionen im Verkehr.

Der notwendige Beitrag von Lastkraftwagen (LKW) zur Einsparung von CO2-Emissionen ist signifikant, da er einen Anteil von 73% an der Transportleistung im deutschen Güterverkehr darstellt. Weiterhin wird von 2010 bis 2030 ein Anstieg des deutschen LKW-Verkehrs von 28% prognostiziert.

Sattelzugmaschinen (SZM) weisen aufgrund einer hohen durchschnittlichen Fahrzeug-Laufleistung durch hauptsächliche Nutzung im Fernverkehr einen hohen Anteil an der LKW-Gesamtfahrleistung auf (ca. 30%). Darüber hinaus sorgen sie aufgrund des höheren spezifischen Energieverbrauch pro Fahrzeug für rund 50% der CO2-Emissionen der deutschen LKW-Flotte.

Um die deutschen Emissionsziele aus dem Klimaschutzplan zu erreichen, braucht Deutschland also ein umfassendes Konzept für die Dekarbonisierung des straßengebundenen Güterfernverkehrs – insbesondere mit Fokus auf SZM.

Verschiedene Technologien stehen in Konkurrenz

Verkehrsknoten von oben
Die Zukunft von modernen Kraftstoff- und Antriebstechnologien für den Güterverkehr ist noch offen.

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Im Status-quo operiert nahezu 100 % der SZM-Flotte mit konventionellen Dieselantrieben, da hiermit viele Nutzeranforderungen an Lkw erfüllt werden: vergleichsweise geringe Kraftstoffkosten und Investitionen, hohe Motorleistung, Flexibilität, Reichweite und Zuverlässigkeit. Je nach Anwendung wiegen einige Anforderungen mehr als andere: So sind im Fernverkehr vor allem die Kraftstoffkosten dominierend, während in der Nahverkehrslogistik Flexibilität eine große Rolle spielt – wie auch zunehmend die lokal emissionsfreie Belieferung in Städten.

In einigen Studien werden alternative Kraftstoffe (E-Fuels und Bio-Fuels sowie Erdgas oder synthetische Gase) zur Nutzung in adaptierten Verbrennungsmotoren diskutiert. Diese Optionen haben den Vorteil der Nutzung weitestgehend bestehender Antriebstechnik sowie etablierter Versorgungsinfrastruktur. Die Herstellung synthetischer E-Fuels ist vergleichsweise weniger effizient als die direkte Nutzung von Strom; sie weisen derzeit hohe Herstellungskosten auf und eine lokale Emissionsfreiheit ist nicht gewährleistet. Das Potenzial von Biokraftstoffen ist begrenzt. Vor allem aus energiestrategischen Gründen werden auch Erdgasantriebe (CNG oder LNG) derzeit diskutiert und zum Teil erprobt. Erdgas steht bzgl. des Klimaschutzes jedoch letztlich vor den gleichen Herausforderungen wie Flüssigkraftstoffe und wird deshalb hier nicht separat betrachtet.

Neuere Studien gehen daher vermehrt auf elektrifizierte alternative Antriebe wie batterieelektrischer Antrieb, Brennstoffzellen-Antrieb oder Oberleitungs-Antrieb für schwere Nutzfahrzeuge ein. Ein rein batterieelektrischer Antrieb bietet eine hohe Energieeffizienz, ist derzeit allerdings aufgrund der geringen Energiedichte und der Nachladedauer der Batterie eher für kürzere Strecken geeignet.  Brennstoffzellen-Antriebe haben bei der Nutzung von verflüssigtem Wasserstoff Vorteile durch größere Reichweiten sowie schnellere Betankung. Allerdings ist hier die Energieeffizienz durch Umwandlungsverluste schlechter, was zu hohen Kosten führt. Und das Konzept für eine flächendeckende Infrastruktur ist unklar. Oberleitungs-Antriebe sind eine bewährte Technik aus dem Schienenverkehr. Sie bieten hohe Wirkungsgrade, allerdings verbunden mit einer hohen Markteintrittsbarriere: dem Infrastrukturaufbau.

Ausblick: Der Umstieg auf alternative Antriebe muss zeitnah erfolgen

Das Potenzial von Biokraftstoffen ist begrenzt

Philipp Kluschke

Auch wenn die Entkopplung zwischen Energieverbrauch und Aktivität voraussichtlich zunehmen wird, stellen verschiedene Studien fest, dass die Dekarbonisierung hinter den vereinbarten Zielen zurückbleibt (z.B. Pariser Klimaschutzabkommen) und die derzeitigen Maßnahmen auf die Kraftstoffeffizienz konventioneller HDVs abzielen. Neben Effizienz und Betriebsverbesserung kommen zu sie dem Schluss, dass AFPs der größte Hebel in der HDV-Dekarbonisierung sind. Die alleinige Verwendung alternativer Kraftstoffe wird jedoch nicht ausreichen, um die CO2-Emissionsziele zu erreichen. Und es besteht ein zusätzlicher Bedarf an alternativen elektrischen Antriebssträngen mit deutlicherem Reduktionspotenzial bei der CO2-Emission.

Die Einführung von neuen Antrieben und Kraftstoffen im schweren Straßengüterverkehr kann nur gelingen, wenn technische Herausforderungen gemeistert und gleichzeitig die Akzeptanz der beteiligten Akteure (Logistikbetriebe, Nutzer, Fahrzeug- und Kraftstoffproduzenten) gewonnen werden kann. Auf politischer Seite muss auf möglichst vielen Ebenen – in der Kommune, im Land, im Bund und auf europäischer Ebene – Einigkeit über die Priorität alternativer Energieversorgungsinfrastruktur für den Straßengüterverkehr und die Unvermeidbarkeit eines Restrisikos bei Investitionen in diesem Bereich herrschen. Letztlich müssen auch Beteiligte vor Ort, d.h. Anwohner in der Nähe von Oberleitungen, Tankstellen, Kraftstoffproduktionsanlagen oder zusätzlichen Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien, bereit sein, den Weg hin zu in neuen Antrieben für den schweren Straßengüterverkehr mit zu gehen.

Vor diesem Hintergrund sollten marktnahe alternative Antriebs- und Energieversorgungsoptionen baldmöglichst im größeren Maßstab in die Praxis überführt werden. Dies kann beispielsweise in Gestalt von Reallaboren geschehen, in denen kommerzielle Pilotprojekte realisiert werden, für die der Staat über einen längeren Zeitraum planbare Rahmenbedingungen garantiert.

Ziel sollte die Entwicklung einer langfristigen Strategie für den Straßengüterverkehr sein. Die Evaluation der Reallabore sowie die frühzeitige internationale Kooperation und Koordination mit Aktivitäten der Nachbarländer sind hierbei wichtige Bausteine.

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