Positiven Anklang fand der erste Debattenabend 2021 der Stiftung Energie & Klimaschutz. Diesmal widmete sich das Podium dem energiepolitischen Ausblick der USA. Mit der Wahl des neuen US-Präsidenten Joe Biden entstanden vielerorts auch große Hoffnungen auf eine neue Ära der Klimapolitik. Im Mittelpunkt stand die Frage: „Climate first? Was ändert sich mit dem neuen US-Präsidenten?“. Das Besondere an diesem Debattenabend: Ein internationales Podium mit Zuschaltungen aus Berlin, Washington und New-York. Doch bevor die ausgewiesenen USA-Kenner mit ihren entsprechenden Perspektiven die virtuelle Bühne betraten, präsentierte Melinda Crane, die Moderatorin des Abends, die Gewinnerinnen des Energie-Campus 2020. Bereits zum 10. Mal prämierte die Stiftung Energie & Klimaschutz herausragende Promotionsarbeiten. Prof. Kai Hufendiek von der Universität Stuttgart hatte als Präsident der Jury die Ehre, die Laudatio zu halten und die Urkunden an die Gewinnerinnen zu überreichen.
Als Einführung zum Thema des Abends, führte Melinda Crane zunächst ein Zwiegespräch mit Damian Bednarz. Als Director External Affairs der EnBW North America ein absoluter Kenner des Energiemarkts und ebenso der Klimapolitik der US-Regierung. Auf die Frage nach den großen Trendthemen, die sich abzeichnen, zählt er u.a. die Solarenergie, die Elektromobilität und die Wasserstoff-Debatte auf. Letztere nahm in der Intensität der Diskussion vehement zu – parallel wie auch in Europa. Pilotprogramme machen das Thema in den USA greifbarer, so Bednarz.
Das virtuelle Podium im Anschluss an die Impulse aus New York gestaltete sich mit unterschiedlichen Perspektiven auf die USA aus Sicht der Wirtschaft, Wissenschaft und NGO. Zu Gast waren Paul Linnarz, Leiter des Auslandsbüros USA der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Washington D.C., sowie Dr. Susanne Dröge, Senior Fellow SWP-Berlin und Matthias Berninger, Senior Vice President Public Affairs, Science & Sustainability der Bayer AG.
Welche Aufgaben stehen der US-Administration bevor?
Europa hat einen Plattfuß – das ist die Ablehnung von Innovation. Ich wette auf die USA.
Matthias Berninger betonte ebenso wie Paul Linnarz, dass der Klimawandel eines von vier großen Themen in den USA sei – aber nicht das alleinig beherrschende. Er verwies auch darauf, dass Klimaschutz nicht mit lediglich „Executive Orders“ gelinge. Das Problem sei, dass Regulierungen auch wieder rückgängig gemacht werden, wie man an der Trump-Ära u.a. in Hinblick auf die Verträge von Paris miterleben musste. Seine Sorge ist zudem, dass das Narrativ des Klimaschutz zum Ur-Thema der Demokraten gemacht wird. In Europa habe der Green Deal eine breite Unterstützung über alle Parteien, „diese Einigkeit fehlt in den USA“, konstatiert er. Dennoch zeigte sich Berninger grundsätzlich optimistisch in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der USA für den Klimaschutz. Es gäbe drei große Stellhebel, die bei großen Veränderungen bewegt werden müssen: Regulierung, Innovation, Partizipation. „Europa hat einen Plattfuß – das ist die Ablehnung von Innovation. Ich wette auf die USA“, sagt der Nachhaltigkeitsexperte.
Auch Susanne Dröge machte deutlich, dass derzeit eine Chance im Raum stünde: Mit Joe Biden könnten sich Gesellschaft und Wirtschaft so manifestieren, dass sich das auch über die Amtszeit hinaustragen könne, so die Wissenschaftlerin. Risiken seien u.a. die Polarisierung in der Gesellschaft, die wieder zurückschlagen kann – andererseits, so Dröge: Die Pandemie-Bekämpfung könne als Kraftakt gemeinsamer Anstrengung auch dem Klimaschutz zugutekommen – mit neuem, in der Gesellschaft spürbarem Momentum eines „Gelingens“, welches auch für den Klimaschutz übertragbar wäre.
Paul Linnarz brachte zum Ausdruck, dass innerhalb der US-Klimapolitik ein breit gefächertes Spektrum an Themen in Detail liegt. Seiner Einschätzung nach wird die Biden-Regierung das Thema Umweltgerechtigkeit (englisch: EJ für Environmental Justice) in den nächsten Monaten prominent besetzen. „Positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt könnten die Folge sein – und dabei insbesondere Frauen und Minderheiten wie den Hispanics neue Chancen im Jobmarkt zu eröffnen“, so Linnarz. Dabei blickt er auf eine Aussage von Bill Gates, der gesagt habe, dass die Herausforderung darin bestünde, die Menschen zu überzeugen. Es gilt diejenigen zu bremsen, die sich lautstark äußern, dass Klimapolitik Arbeitsplätze zerstöre. Aber man müssen auch jene bremsen, so Linnarz, die sagen, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre mit Biden die Klimakrise beigelegt werden könne.
Wirtschaftliche Faktoren der zukünftigen US-Klimapolitik
Die gute Nachricht ist: Auch in den vergangenen Jahren klappte es in der Forschung und Entwicklung gut. Unis und Unternehmen arbeiten Hand in Hand. Linnarz legt dar, dass viele große Unternehmen sich sehr ehrgeizige klimapolitischen Ziele verschrieben haben. General Motors ist dabei ein Beispiel aus der traditionellen Wirtschaft – neben u.a. den Tech-Giganten wie Microsoft. So helfe auch die Landwirtschaft aktiv mit, Veränderungen sowohl im Bewusstsein als auch mit konkreten Maßnahmen herbeizuführen. „Vor zwei Jahren gab es im Westen der USA Überschwemmungen im extremen Ausmaß – zehntausende Hektar sind verschwunden“, so Linnarz. Für die Landwirte gehe es ums Überleben. „Im Bereich Präzisionslandwirtschaft kommen eine Menge Impulse, worauf ich große Hoffnungen hege“, blickt er optimistisch in die Zukunft.
Die Diskussionen fokussierten weitere Aspekte rund die US-Wirtschaft und die künftigen transatlantischen Beziehungen. Berninger dazu: „Die Rolle von Microsoft, vielen Konsumgüterunternehmen und der Autoindustrie zugunsten des Klimaschutz nimmt an Gewicht zu. Vieles hat sich sogar in der Petroleum-Industrie verschoben – hier setzen sich die Unternehmen für CO2-Bepreisung ein – natürlich wohl wissentlich, dass kein anderer Weg an Bidens US-Klimaschutzpolitik vorbeiführt“, sagte Berninger.
Livestream des Debatten-Abends
Der komplette Debatten-Abend bietet auch im Nachgang einen Fundus an Denkanstößen und wertvollen Insights. Die Aufzeichnung findet sich hier – wir laden Interessierte dazu ein, sich eine ruhige Stunde zu nehmen und beim Verfolgen der Diskussionen die ein oder andere neue Perspektive für die US-Klimapolitik zu gewinnen.
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