Windausbau: Der Wandel von NIMBY zu Akzeptanz ist notwendig

Gastautor Portrait

Alexandra Weber

Leiterin der EnBW-Niederlassung in Erfurt

Alexandra Weber ist studierte Diplom-Kauffrau und seit über zwölf Jahren in der Energie-Branche tätig. 2016 wurde sie Leiterin der EnBW-Niederlassung in Erfurt, die sich der Entwicklung, dem Bau und dem Betrieb von Onshore-Projekten in mehreren Bundesländern, u.a. Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, widmet. Hier verantwortet sie die Projektentwicklung von der Flächenakquise bis zur Investitionsentscheidung und identifiziert und bewertet Bestandsparks mit Repowering-Potenzial. Ihre beruflichen Erfahrungen umfassen darüber hinaus auch branchenbezogene politische Arbeit sowie die Entwicklung von Bürgerbeteiligungsmodellen

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04. Mai 2022
Foto: Paul Langrock

Generell befürwortet eine Mehrheit von 80 Prozent der Menschen in Deutschland den Ausbau der Windkraft [...]

Alexandra Weber

In Deutschland stehen rund 30.000 Windenergieanlagen. Das entspricht einer ausgewiesenen Fläche von ca. 0,8 Prozent. Von einer notwendigen Fläche von 2 Prozent pro Bundesland, auf denen sich in Zukunft Windräder drehen sollen, sind wir daher noch weit entfernt. Diese 2 Prozent reichen nach Angaben der Experten aus Branche und Politik aus, um den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von jetzt 40 auf 80 Prozent im Jahr 2030 zu verdoppeln. Neben der rechtssicheren Ausweisung bebaubarer Flächen und den zu beschleunigenden, da bisher mehrere Jahre dauernden Genehmigungsverfahren ist ein Thema besonders wichtig: die Menschen und ihre Akzeptanz von Windenergie. Generell befürwortet eine Mehrheit von 80 Prozent der Menschen in Deutschland den Ausbau der Windkraft, wie die regelmäßigen Befragungen der Fachagentur Windenergie an Land und Forsa-Umfragen zeigen. Für die anderen 20 Prozent geht es um Sorgen, Bedenken, Gefühle – nicht nur um Energie, Natur- und Klimaschutz. Informationen sind zu Beginn eines Vorhabens auch oft noch vage und unsicher. Unter diesen Bedingungen werden in den Gemeinden mögliche Auswirkungen und persönliche Betroffenheit abgeschätzt. Diese kann vor Ort auch mit intensiven und emotionalen Diskussionen verknüpft sein. Bürgerinitiativen gründen sich, Sorgen, Bedenken und Ärger werden ausgesprochen. Auch Widerstand wird zum Ausdruck gebracht, organisiert und von den Lokalmedien aufgegriffen. In diesen Situationen entsteht oft Eigendynamik und es können Konflikte aufkommen, welche die öffentliche Wahrnehmung und Meinung vor Ort prägen und auch zu Bürgerentscheiden führen. Diese Situation ist allerdings vielerorts nicht von Dauer. Denn fast 80 Prozent der bundesweit Befragten mit Windenergieanlagen in ihrem direkten Wohnumfeld sind mit den Anlagen „eher“ oder „voll und ganz“ einverstanden. Ich selbst habe schon die gesamte Bandbreite an Reaktionen erlebt von „Windenergie? Bloß nicht hier!“ bis zu „Schön sind sie nicht, Eure Windräder. Aber hoffentlich gut für meine Enkelkinder.“

Windkraftgegner sind eine Minderheit, aber eine laute, und rufen über Internetseiten, Flyer und Protestaktionen zum Widerstand auf. Oft werden eigene – meist falsche – Berechnungen zu Windhöffigkeit, Infraschall und Artenschutzthematiken als Vorwand genommen, um Windräder in der eigenen Umgebung zu verhindern. Dieses St. Florians-Prinzip hat sich inzwischen unter dem Akronym NIMBY (Not in my backyard) weit verbreitet. Es ist lokal immer unterschiedlich, und doch sind die Gründe meist dieselben. Der Natur- und Artenschutz, der für die Windkraft sehr streng geregelt ist, wird oft als Klagegrund genommen. Es sind aber nicht alle Menschen Hobby-Ornithologen, meist gefallen ihnen die Windräder optisch einfach nicht und sie haben Angst vor Wandel im Allgemeinen oder vor veränderten Landschaftsbildern. NIMBY entzweit mancherorts ganze Dorfgemeinschaften, wir Windparkplaner werden sogar persönlich bedroht. Auch Lokalpolitiker stecken manchmal den Kopf in den Sand, um sich keinen Ärger mit ihren Gemeindemitgliedern einzufangen.

Mir scheint es daher besonders wichtig, die Anwohnerinnen und Anwohner gleich zu Beginn einer Windparkplanung mit ins Boot zu holen, ihre Sorgen und Nöte anzuhören und bestenfalls ernst zu nehmen. Die Kommunen profitieren von Windkraftanlagen, können von den Beträgen, die pro eingespeiste Kilowattstunde bezahlt werden, den Kindergarten renovieren, neuen Rasen für den Sportplatz säen und ihr Freibad streichen. Und wenn die Windräder erst einmal laufen, lösen sich die Bedenken oft auf und wandeln sich in Zustimmung.

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