Wie Großwärmepumpen Gebäude und Industrie versorgen können

Gastautor Portrait

Anna Kraus

Projektreferentin Gebäude & Wärmenetze, Agora Energiewende

Anna Kraus ist Projektreferentin im Bereich Gebäude und Wärmenetze bei Agora Energiewende. Ihre Themenschwerpunkte sind Wärmenetze, Infrastruktur und Wärmeplanung. Anna Kraus hat einen Master in Umweltpolitik und -management in Lund (Schweden) absolviert und ihre Ab-schlussarbeit zur Wärmewende im deutschen Gebäudesektor geschrieben.

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08. Februar 2024
Bild: Dusan Petkovic/Shutterstock.com

In der öffentlichen Diskussion um die Wärmewende hat eine Technologie bisher wenig Aufmerksamkeit bekommen: die Großwärmepumpe. Zu Unrecht, denn was ihre kleine Schwester für einzelne Häuser erledigt, schafft die Großwärmepumpe im großen Stil für Wärmenetze und industrielle Prozesswärme. Stadtwerke und Industrie stehen heute vor der Frage, wie sie auf klimaneutrale Wärme umsteigen können. Die Großwärmepumpe liefert darauf eine wichtige Antwort.

Mehr als drei Viertel des deutschen Erdgasverbrauchs und ein Viertel der deutschen Emissionen entfallen derzeit auf Wärmeanwendungen bis 200 °C. Aktuell werden immer noch knapp 80 Prozent des Wärmebedarfs in Gebäuden und der Industrie durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe, vor allem Erdgas, gedeckt.

Dabei sind Großwärmepumpen am Markt im Segment bis 200 °C bereits breit verfügbar, – wenngleich bisher wenig genutzt – wie eine Studie des Fraunhofer IEG im Auftrag von Agora Energie-wende zeigt.

Anna Kraus, Co-Projektleiterin bei Agora, erklärt den Stand und zeigt was jetzt nötig ist, um das Potenzial der Technologie zu nutzen.

Großwärmepumpen, hier definiert als Wärmepumpen mit einer thermischen Leistung ab 500 Kilowatt (kW), kommen sowohl in Wärmenetzen als auch in der Industrie zur Bereitstellung von Prozesswärme zum Einsatz. Sie veredeln natürliche Wärmequellen, zum Beispiel Flusswasser oder Abwärme aus Rechenzentren, indem sie diese unter Einsatz von Strom auf ein höheres Temperaturniveau heben. Die hierfür erforderliche Strommenge beträgt dabei lediglich einen Bruchteil der erzeugten Wärme, das heißt, der Wirkungsgrad beträgt deutlich mehr als 100 Prozent.

Grafik: Agora

Breites Angebot an Wärmequellen & großes Potenzial zur Senkung der Emissionen und des Gasverbrauchs

Häufig nutzen Wärmepumpen die Umgebungswärme der Luft als Wärmequelle. Das verfügbare Potenzial geht aber weit darüber hinaus: Großwärmepumpen können eine Vielzahl von weiteren erneuerbaren Wärmequellen nutzbar machen, allen voran oberflächennahe und tiefe Geothermie. Danach folgen Seen und Flüsse, industrielle Abwärme sowie Abwasser, Grubenwasser aus Kohlengruben und Rechenzentren. Zusammen beträgt das potenzielle Wärmeangebot durch erneuerbare Wärmequellen, die von Wärmepumpen genutzt werden können, mehr als 1.500 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Dies übersteigt die jährliche Wärmenachfrage im Temperaturbereich bis 200 °C von rund 1.000 TWh deutlich – auch ohne die Umgebungsluft als Wärmequelle zu berücksichtigen.

Grafik: Agora

Der Temperaturbereich bis 200 °C umfasst vollständig die in Wärmenetzen benötigten Temperaturen sowie ein gutes Drittel des industriellen Wärmebedarfs. Hier gibt es also einen großen Hebel, den Gasverbrauch zu reduzieren und Emissionen zu senken.

Erprobte Technologie & langjährige Erfahrung in anderen Ländern

Die gute Nachricht: Großwärmepumpen sind eine ausgereifte Technologie und schon breit am Markt verfügbar. In den Temperaturbereichen, die für Wärmenetze und viele industrielle Prozesse notwendig sind, haben Hersteller bereits ein großes Spektrum an effizienten Großwärmepumpen im Angebot.

Grafik: Agora

Die Investitionskosten von Großwärmepumpen-Projekten hängen sehr stark vom Aufwand für die Erschließung und Anbindung der Wärmequellen ab. Tiefe Geothermie etwa ist in der Regel mit deutlich höheren Investitionskosten als andere Wärmequellen verbunden, punktet aber mit ganzjährig hohen Temperaturen und niedrigen Betriebskosten.

Grafik: Agora

In anderen Ländern werden Großwärmepumpen schon seit langem eingesetzt. Bereits seit 1986 werden Großwärmepumpen in der schwedischen Hauptstadt Stockholm zur Wärmeversorgung genutzt. In der dänischen Stadt Esbjerg wurde im letzten Jahr die größte Wärmepumpe ihrer Art installiert. Sie bezieht die Wärme aus dem Meer und kann bis zu 25.000 Haushalte versorgen.

Status Quo & Hindernisse

Auch in Deutschland gibt es einige Städte, die bereits erfolgreich auf Großwärmepumpen setzen: In Mannheim wurde 2023 eine Flusswärmepumpe ins Wärmenetz integriert, die rund 3.500 Haushalte mit emissionsfreier Wärme aus dem Rhein versorgt. In Schwerin planen die Stadtwerke mit Großwärmepumpen auf Basis von Geothermie. Insgesamt jedoch steht der deutsche Markt noch am Anfang: Weniger als ein Prozent der Fernwärme wird hierzulande durch Großwärmepumpen erzeugt. Damit liegt Deutschland unter dem europäischen Durchschnitt und insbesondere weit unter dem in den skandinavischen Ländern. Aktuell sind laut Fraunhofer IEG mindestens 45 Großwärmepumpen mit insgesamt 130 Megawatt (MW) Leistung installiert und 37 weitere Projekte für Fernwärme und Industrie mit über 850 MW im Bau oder in Planung. Hersteller berichten von steigenden Anfragen, allerdings wird nur ein kleiner Prozentsatz dieser Projekte tatsächlich in Auftrag gegeben. Wesentliche Herausforderungen sind:

  • Unzureichende Wirtschaftlichkeit aufgrund der vergleichsweise hohen Belastung von Strom mit staatlich induzierten Preisbestandteilen gegenüber Gas. Außerdem wird Strom über den Emissionshandel mit höheren CO2-Preisen belastet als die Verwendung von Gas in Gebäuden in kleineren und mittleren Betrieben;
  • Vielerorts noch fehlende kommunale Wärmeplanung, fehlende Daten, wenig Wissen, hohe Unsicherheiten über die Technologie;
  • Kleine Produktionsmengen bei den Herstellern und daher sehr individuelle Projekte mit aufwendigen Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Grafik: Agora

Was muss jetzt geschehen?

Großwärmepumpen sind der große Hebel zur Emissionsminderung in Fernwärme und industrieller Prozesswärme. Energieszenarien sind sich einig, dass der Anteil der Großwärmepumpen an der Fernwärmeversorgung in Zukunft stark steigen wird.

Anna Kraus

Großwärmepumpen sind der große Hebel zur Emissionsminderung in Fernwärme und industrieller Prozesswärme. Energieszenarien zeigen eindeutig, , dass der Anteil der Großwärmepumpen an der Fernwärmeversorgung in Zukunft stark steigen wird. Der Anteil wird 2045 bis zu 70 Prozent betragen. Dafür müssten bis 2045 jährlich mindestens vier Gigawatt neue Großwärmepumpenleistung zugebaut werden.

Hierfür gilt es, die politischen Rahmenbedingungen anzupassen und Hersteller und Fernwärmebetreiber in die Lage zu versetzen, Großwärmepumpen schnell und unbürokratisch zu nutzen. Dafür braucht es einen Dreiklang aus 1) strategischer Zielsetzung und Anreizen der öffentlichen Hand, 2) Innovation durch Hersteller und 3) beschleunigter Umsetzung durch Fernwärmeunternehmen und Industrie:

  • Gesamtrahmen: Klare Ziele für den Hochlauf sind nötig, damit Herstellungs- und Nachfrageseite Sicherheit für ihre Investitionsentscheidungen bekommen. Strom ist heute viel stärker mit Abgaben und Umlagen belastet als Erdgas: hier gilt es nachzusteuern, um Fehlanreize zu vermeiden. Das betrifft vor allem die staatlich induzierten Anteile des Strompreises wie Stromsteuer und Netzentgelte. Eine Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau wäre ein hilfreicher erster Schritt. Perspektivisch werden auch steigende CO2-Preise durch das europäische Emissionshandelssystem für den Gebäude und Verkehrssektor bzw. eine Erhöhung der Preise im Brennstoffemissionshandelsgesetz der aktuellen Schieflage entgegenwirken.
  • Großwärmepumpenhersteller: Auf Herstellungsseite sind Standardisierung und Modularisierung zur Kostensenkung entscheidend, sowie weitere Performancesteigerung der Großwärmepumpen. Dies sollte auch ein industriepolitischer Schwerpunkt sein.
  • Wärmenetze: Eine verlässliche Nachfrage durch die  Wärmenetzbetreiber ist wichtiger Taktgeber für den Hochlauf von Großwärmepumpen. Die kommunale Wärmeplanung kann hier ein Indikator sein. Um die Projekte dann auch umsetzen zu können, muss die Förderung stimmen, wozu insbesondere die Stärkung der finanziellen Ausstattung der Bundesförderung für Effiziente Wärmenetze entscheidend ist. Auch muss die Umsetzung durch schlankere Planungs- und Genehmigungsverfahren erleichtert werden.

Fazit

Mit der Großwärmepumpe steht die entscheidende Technologie für die Klimaneutralität der Wärmenetze schon heute zur Verfügung. Sie ist technisch ausgereift und kann bei entsprechendem Zubau vor 2030 signifikante CO₂-Einsparungen bewirken.

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