„Das Paris-Abkommen ist ein historischer Wendepunkt für die ganze Welt“ (Bill Hare, der Chef des Forschungsinstituts Climate Analytics). „Wir haben heute alle zusammen Geschichte geschrieben“ (Frankreichs Außenminister Laurent Fabius). Der Weltklimavertrag von Paris ließ alle, Medien, Beobachter und Politiker, zu den Superlativen greifen. Und in der Tat: Was bei der Konferenz in Paris erreicht wurde, hat nach dem verkorksten Klimagipfel von Kopenhagen fast alle überrascht. Ist die Operation Weltrettung in Paris gelungen?
Wer nach den größtmöglichen Unterschieden beim Klimaschutz sucht, wird immer in den USA fündig. Während US-Präsident Obama von der besten Chance sprach „den einzigen Planeten zu retten, den wir haben“, wollen die Republikaner den Vertrag, auf den die Welt so lange gewartet hat, gleich „schreddern“, so bald sie die Möglichkeit dazu haben. Obama verkündete, so die Huffington-Post, das amerikanische Volk könne stolz sein, denn das historische Abkommen sei das Ergebnis US-amerikanischer Führung. Unter seiner Leitung hätten sich die USA in den letzten sieben Jahren als Führungsmacht im Kamf gegen den Klimawandel etabliert. Der Mehrheitsführer der Republikan im Senat, Mitch McConnell aus Kentucky, warf Obama vor, er würde Versprechen machen, die er nicht einhalten könne, in 13 Monaten nach der Präsidentschaftswahl sei alles vorbei.
Umweltverbände nicht auf einer Linie
Nicht so diametral wie in den USA aber auch in Deutschland gehen die Reaktionen in der Beurteilung auseinander. Der BUND legt seinen Fokus auf die Schwächen des Dokuments und formuliert: „Das Paris-Abkommen ist keine angemessene Antwort auf drohende Klimakatastrophe“. Martin Kaiser, Leiter für internationale Klimapolitik bei Greenpeace, kommentiert das Ergebnis positiver: „Paris gibt der Welt Hoffnung. Der Kohle- und Ölindustrie gibt das Abkommen den klaren Rat: Sucht euch ein anderes Geschäftsmodell!“
Achim Steiner, Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP, wies in seiner Stellungnahme auf wichtige Begleitumstände hin, die den Erfolg von Paris ermöglicht haben. So habe die wochenlange Smog-Wetterlage über Peking der ganzen Welt vor Augen geführt, dass man dabei sei, „in absehbarer Zeit die Kontrolle über die ökologischen und volkswirtschaftlichen Kernelemente“ zu verlieren.“ Noch ein weiterer Aspekt in Steiners Analyse verdient Beachtung. In Folge des Abkommens von Paris sei nun sicher, „Technologie und Fortschritt werden stattfinden.“ Vielleicht, so die ZEIT in einem Kommentar von Alexandra Endres, sei die das wichtigste Signal des Weltklimagipfels: Sicherheit für die Investoren, die in eine kohlenstofffreie Zukunft investieren und Wasser auf die Mühlen der Divestment-Kampagne, die die Investitionen aus fossilen Energieträgern abziehen will. Ferner habe das Abkommen von Paris die soziale und ökologische Nachhaltigkeit erstmals zusammen geführt. „Der ganze Vertrag transportiert die Idee, dass Wohlstand, Entwicklung und Armutsbekämpfung einerseits und Klimaschutz andererseits sich nicht widersprechen, sondern zusammengehören“, so die Zeit-Korrespondentin.
Was bedeutet die Operation Weltrettung für Deutschland?
Wir haben in diesem Blog nicht selten die Bundesregierung für ihre mehr als zaghaften Bemühungen um den Klimaschutz gescholten. Jetzt freuen wir uns, die Bundesregierung loben zu können. Deutschland hat vor und in Paris einen Super-Job gemacht. Die FAZ hatte noch vor wenigen Tagen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks kritisiert, sie verfolge unrealistische Ziele. Möge sich der Autor bei der Ministerin entschuldigen. Die Ministerin und ihr Staatssekretär Jochen Flasbarth waren große Aktivposten im diplomatischen Ringen.
Ein Vertrag ist nur so gut wie seine Umsetzung. Das gilt im Hinblick auf die großen CO2-Verursacher wie die USA, Australien, China und Indien ebenso wie für Deutschland. Wir haben uns, daran erinnert Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, viel vorgenommen. „Nach Paris, wo die 2030er-Ziele der Nationen verbindlich festgeschrieben wurden, müssen wir jetzt hier in Deutschland unsere Hausaufgaben machen und ebenfalls unseren Blick auf 2030 richten. Das Jahr 2016 wird das Jahr der Umsetzung unseres Klimaschutzziels 2030 sein müssen.“ Deshalb brauche Deutschland jetzt einen Dekarbonisierungsfahrplan. Nach Paris fängt die Arbeit erst richtig an.
Unser aller Kanzlerin ist keine Freundin der ganz großen Worte. Betont sachlich wie immer kommentierte sie die Operation Weltrettung als eine „Weichenstellung in Richtung Vernunft“. Ob es wegen mangelnder Bibelfestigkeit geschah oder der Pessimismus in der Online-Redaktion von Greenpeace Überhand genommen hat, sei dahin gestellt. Doppeldeutiger als mit den letzten Worten des Heilands am Kreuz lässt sich das Ergebnis des Weltklimagipfels jedenfalls nicht bewerten: „Es ist vollbracht“.
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Eine umfangreiche Berichterstattung vor, vom und nach dem Klimagipfel gibt es im Sonderteil der Klimaretter. Dort ist auch eine Analyse der Vertrags zu finden.
Das Dokument im englischen Original gibt es hier.
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