Mit Schwung aus der Krise: Deutschland kann die Energiewende pushen und der Wirtschaft einen Innovationsstoß versetzen

Gastautor Portrait

Wolfram Axthelm

Geschäftsführer für den Bereich Kommunikation, Politik, Europa und Strategie beim Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE)

Wolfram Axthelm ist Geschäftsführer für den Bereich Kommunikation, Politik, Europa und Strategie beim Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE), mit über 20.000 Mitgliedern einer der weltweit größten Verbänden der Erneuerbaren Energien. Seit 2019 ist er ebenfalls als einer von zwei Geschäftsführern im Dachverband der Erneuerbaren in Deutschland, dem Bundesverband Erneuerbare Energie, aktiv. Bis 2013 verantwortete der studierte Agraringenieur und Diplom-Betriebswirt als Sprecher die Öffentlichkeitsarbeit der CDU Landtagsfraktion Mecklenburg-Vorpommern.

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16. Juli 2020

Am Strommarkt wirkt sich bis heute die sinkende Nachfrage durch stillstehende Fabriken, leere Büros, weniger Bahnfahrten massiv aus.

Wolfram Axthelm

Die COVID-19 Krise hat alle gesellschaftlichen Bereiche getroffen und abrupt abgebremst. Dies gilt auch für die Energiewirtschaft. Dabei standen für die leistungsstarke Windindustrie zu Beginn der Krise zunächst Fragen zur Sicherung von Lieferketten im Fokus. Mit dem Lockdown ging es dann vor allem um den Schutz der eigenen Mitarbeiter. Danach stand die Organisation von Arbeitsabläufen aus dem Homeoffice, die Sicherstellung des Baustellenbetriebs und der Servicedienstleistungen auf der Tagesordnung. Der intensive Austausch mit den Krisenstäben in den Bundesländern und im Bundeswirtschaftsministerium trug zur im Wesentlichen gut geordneten Situationen für die Branche bei. Allerdings zeigte sich schnell, dass an einer anderen Stelle das bisherige System aus den Fugen geriet.

Am Strommarkt wirkt sich bis heute die sinkende Nachfrage durch stillstehende Fabriken, leere Büros, weniger Bahnfahrten massiv aus. Die gleichzeitig stabil hohe Einspeisung von Fotovoltaik und Wind, sicherte in langen Phasen mehr als 70 Prozent Erneuerbare im System. Billiges Gas schaffte es flexibel die Lücken auszugleichen. Steinkohle und Braunkohle wurden aus dem Markt gedrängt. Dies ist gut. Doch ein Strommarkt, der in der alten Welt fossiler Kohlegrundlast und inflexibler Kernenergie festhängt, kann damit nicht umgehen. Am Spot und am Terminmarkt brechen die Preise ein, reißen den Mechanismus der EEG-Umlage aus den Fugen. Dies führt zur paradoxen Situation, dass die Stromgestehungskosten der Erneuerbaren sinken, die EEG-Umlage selbst und damit der Strompreis für die Endkunden aber steigen. Darauf haben Studien schon 2012 hingewiesen und viele Marktakteure haben für 2024/2025 eine solche Situation erwartet. COVID-19 wurde insoweit zum Fernglas in die Zukunft.

Aus Tippelschritten und Stillstand muss ein Spurt werden. In Berlin genauso wie in Brüssel. Konjunkturprogramme allein reichen dafür nicht.

Wolfram Axthelm

Jetzt hat sich die Politik mit der Definition der EEG-Umlage und der Nutzung von Haushaltsmitteln zur Stabilisierung zwei Jahre Zeit erkauft. Dies ist sicher ein sinnvoller Ansatz, allerdings müssen diese zwei Jahre nun auch genutzt werden. Die zentrale Frage dabei ist, wie ein Strommarktdesign beschaffen sein muss, welches Investitionen in einem zu 65 und mehr Prozent von Erneuerbaren getragenes System refinanzierbar macht. Das ist nicht einfach, weil alles mit allem zusammenhängt: Einspeisung, Spot- und Terminmarkt, Backup-Kapazität, sinkende Bedarfe durch Effizienz, steigende durch neue Nachfragen aus Mobilität oder Industrie.

Was haben wir aus der COVID-Krise, in der wir uns immer noch befinden, bisher gelernt? Digitalisierung und Flexibilisierung sind keine modischen Schlagwörter, sondern reale Eckpfeiler von Wirtschaft und Gesellschaft. Ein soziales Miteinander, ist als Basis unverzichtbar, um Herausforderungen zu bewältigen. Es gibt einen neuen Blick auf Wertschöpfungsebenen, Lieferketten und Lagerhaltung. Sicherheit bekommt einen zusätzlichen Stellenwert. Energie als Fundament jeder Gesellschaft gehört noch stärker in den Fokus. Nachhaltig, umweltgerecht und unabhängig passen zur dezentralen Erzeugung von Strom, Bioenergie und Wasserstoff im eigenen Land. Packen wir hier die Aufgaben an, schafft dies einen starken Impuls für Investitionen, Beschäftigung und Klimaschutz.

Beim Blick nach vorn zählen ausreichend Mut, unbedingter Wille und volle Begeisterungsfähigkeit. Die Politik hat im kleinteiligen Management der Krise durchaus erfolgreich agiert. Sie muss jetzt aber mit einer Idee nach vorn gehen und eine Richtung vorgeben, die die Menschen mitgehen wollen und die Wirtschaft mitgehen kann. Darauf kommt es nach der Sommerpause an. Aus Tippelschritten und Stillstand muss ein Spurt werden. In Berlin genauso wie in Brüssel. Konjunkturprogramme allein reichen dafür nicht.

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