Der L-Gas-Markt ist derzeit in Bewegung: Die Festlegung zur qualitätsübergreifenden Bilanzierung wird angepasst; die Rechtsgrundlage zur Umstellung in den L-Gas-Netzgebieten soll novelliert werden und die ersten Umstellungen laufen an. Nachfolgend möchten wir ein paar regulatorische Schlaglichter beleuchten.
L-Gas und H-Gas: Warum gibt es zwei Gasqualitäten in Deutschland?
Circa ein Viertel des Gesamtmarktes wird mit L-Gas (low calorific gas) versorgt, der Rest mit H-Gas (high calorific gas). L-Gas wird hauptsächlich in Deutschland und den Niederlanden gefördert. H-Gas stammt aus Russland, Norwegen und den übrigen Gasquellen für den deutschen Markt. Beide Gasqualitäten sind in physisch getrennten Leitungssystemen zu transportieren.
Zwei Gasqualitäten aus Vertriebssicht
Aus Vertriebssicht bedeuten die beiden Gasqualitäten eine gewisse Markttrennung. Zwar gibt es in Deutschland seit Oktober 2011 nur noch zwei Marktgebiete. In denen kann qualitätsübergreifend Gas gehandelt werden. So kann für einen Kunden mit Anschluss an ein L-Gas-Netz auch H-Gas, z. B. an der Börse beschafft werden. Für den Mengenausgleich aufgrund der physischen Trennung der beiden Gasqualitäten sorgen die beiden Marktgebietsverantwortlichen. Der Vertrieb zahlt dafür jedoch ein Konvertierungsentgelt. Die Details regelt die BNetzA-Festlegung „Konni Gas“ aus dem Jahr 2012.
Um die Trennung in L- und H-Gasmarkt langfristig aufzuheben sieht „Konni Gas“ vor, das Konvertierungsentgelt abzuschmelzen und grundsätzlich zum 30.09.2016 ganz abzuschaffen. Die Kosten der Marktgebietsverantwortlichen sollen stattdessen über eine Konvertierungsumlage gedeckt werden. Die Marktgebietsverantwortlichen und Fernleitungsnetzbetreiber haben sich nunmehr jedoch für die Beibehaltung des Konvertierungsentgelts ausgesprochen. Die BNetzA ist dem Ansinnen auch bereits teilweise gefolgt und hat vorläufig das Konvertierungsentgelt bis zum 01.04.2017 verlängert. Zudem hat die Regulierungsbehörde ein Festlegungsverfahren „Konni Gas 2.0“ eingeleitet. Damit könnte die Trennung der beiden Gasqualitäten dauerhaft manifestiert werden.
Die Marktgebietsverantwortlichen begründen ihre Einschätzung mit veränderten Rahmenbedingen im L-Gas-Markt. In den Niederlanden werde wegen Erdbebengefahr weniger gefördert, auch die deutsche Förderung bleibe hinter der Prognose aus 2011 zurück. Erst langfristig werde mit der Marktraumumstellung Entspannung erwartet.
Die derzeitigen Änderungen am Regulierungsrahmen sind ärgerlich, da sie vor einem Jahr noch nicht zu erwarten waren. Beschaffungs- und Lieferverträge sind längst – und in Erwartung eines abgeschmolzenen Konvertierungsentgelts – über das Jahr 2016 hinaus abgeschlossen. Derzeit beginnen die ersten (schiedsgerichtlichen) Auseinandersetzungen zur Weitergabe von Konvertierungsentgelt und -umlage entlang der Lieferkette.
Für (Industrie-)Kunden oder auch Gaskraftwerke könnte sich die Tatsache an ein L-Gasnetz angeschlossen zu sein, zu einem Standort-Nachteil entwickeln. Je nach Umstellungszeitpunkt des Netzgebiets können bessere Bezugskonditionen ggf. erst deutlich später ausgehandelt werden als in Nachbarnetzgebieten. Je nach Höhe des Konvertierungsentgelts und Entwicklung der Preise in einem kleiner werdenden L-Gas-Markt sind empfindliche Unterschiede nicht ausgeschlossen.
Prozess der Marktraumumstellung
Aufgrund zurückgehender Fördermengen in Deutschland und den Niederlanden sinkt mittel- bis langfristig der L-Gas-Anteil. Im Rahmen der sog. Marktraumumstellung wird die Umstellung der L-Gasnetze geplant und vorangetrieben. Zum 01.10.2015 ist das Netzgebiet von Schneverdingen umgestellt, zum 01.04.2016 folgte das Netzgebiet Böhmetal. In den kommenden 10 bis 15 Jahren sind mehr als 5 Mio. Gasgeräte von mehr als 4 Mio. Kunden zu erfassen und umzustellen. Zumindest stichprobenartig sind zudem Qualitätskontrollen notwendig.
Verantwortlich für die Umstellung der Gasgeräte vor Ort ist der örtliche Netzbetreiber. Die Kosten werden derzeit marktgebietsweit als Teil der Netzentgelte von allen Gaskunden getragen. Die Details regelt § 19a EnWG. Dieser Paragraph soll nun novelliert werden. Ein erster Referentenentwurf befindet sich in der Verbändekonsultation. Aufgetauchte Praxisfragen, wie die explizite Festschreibung eines Zutrittsrechts des Netzbetreibers, sollen gelöst und die Umlage bundesweit einheitlich erhoben werden. Zudem soll ein Zuschuss zur Neuanschaffung von Gasverbrauchsgeräten, die sich nicht umstellen lassen, eingeführt werden. Orientiert sich der Zuschuss an den durchschnittlichen Umstellungskosten, kann das ein guter Schritt für die Akzeptanz der Umstellung vor Ort sein.
Eine weitere Änderung betrifft die Einführung einer (weiteren) Kostenprüfung durch die zuständige Regulierungsbehörde. Es bleibt zu hoffen, dass darüber die Umstellung nicht verzögert wird. Die Netzbetreiber, die zur Umstellung verpflichtet sind, dürfen aus dieser Aufgabe kein finanzielles Risiko tragen. Auch eine Verzögerung der Refinanzierung oder umfangreiche Berichts-/ oder Rechenschaftspflichten gilt es zu vermeiden.
FAZIT: Die beiden Gasqualitäten machen es in Deutschland wohl eine ganze Weile notwendig, den Regulierungsrahmen genau im Blick zu haben.
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