Klimatransformation braucht engagierte Fachkräfte und klare Perspektiven

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Dr. Daniel Chatterjee

Vorsitzender des VDMA Klima&Energie-Ausschusses

Dr. Daniel Chatterjee ist Vorsitzender des VDMA Klima&Energie-Ausschusses und Director Sustainability, Technology Management & Regulatory Affairs beim Rolls-Royce-Geschäftsbereich Power Systems in Friedrichshafen.

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08. Februar 2023

Zu den wichtigsten Ressourcen zählen jene Mitarbeitenden, die bisher in Bereichen arbeiten, die durch die Transformation und technische Disruption an Bedeutung verlieren.

Dr. Daniel Chatterjee

Der europäische Maschinen- und Anlagenbau ist der Lösungsanbieter schlechthin für die Transformation der Industrie hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Bereits vor drei Jahren haben VDMA und BCG in einer gemeinsamen Studie gezeigt, dass bis zu 86% der Treibhausgas-Emissionen der OECD- und BRIC-Staaten mit bekannten Technologien vermieden werden können. Entwicklung, Einsatz und Betrieb dieser Anlagen ist aber kein Automatismus. Es braucht kompetente Menschen, die sich entlang der Wertschöpfungskette einbringen und Studienberechnungen zu realen Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakatastrophe werden lassen.

Der Fachkräftemangel ist aber auch für Unternehmen, die solche Lösungen entwickeln und herstellen, eine der größten Herausforderungen. Zwar sehen Bewerber:innen  die jeweiligen Unternehmen dann oft als attraktiv – also insbesondere sinnstiftend – an, wenn sie bekannte Endprodukte zum Beispiel im Bereich der erneuerbaren Energien anbieten.  Aber sobald die Lösungsansätze etwas komplexer sind, scheint dieser Effekt zu verblassen.

Zu den wichtigsten Ressourcen zählen jene Mitarbeitenden, die bisher in Bereichen arbeiten, die durch die Transformation und technische Disruption an Bedeutung verlieren. Wo sich dies innerhalb eines Unternehmens anbietet,  werden Beschäftigte umfassend über Weiter- oder Neuqualifizierung  für die neuen Aufgaben fit gemacht. Es gibt bereits hervorragende Beispiele, die zeigen, wie motivierte und qualifizierte Mitarbeiter für neue ebenfalls anspruchsvolle Aufgaben qualifiziert wurden – beispielsweise klassische Maschinenbaufachleute, die elektrotechnische Kompetenzen erwarben. Herausfordernder ist allerdings ein überregionales Engagement, hier werden Arbeitgeber gemeinsam mit Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen sicherlich längerfristige Strategien entwickeln müssen.

Die dafür benötigte Stabilität war allerdings in den vergangenen Jahren durch wenig kalkulierbare, politisch beeinflusste Rahmenbedingungen oft nicht zu bieten. Der starke Rückgang des Ausbaus der Windenergie an Land vom Jahr 2017 auf nur noch 20% im Jahr 2019 mit entsprechenden Konsequenzen für Kapazitäten und Arbeitsplätze hat auch im öffentlichen Bild der Branche Spuren hinterlassen.

Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft bietet großartige Chancen

Doch sowohl bei der Erzeugung erneuerbarer elektrischer Energie als auch bei Systemkomponenten wie Speicher sowie Gestaltung und Stabilisierung der Stromnetze und selbstverständlich bei der entsprechenden IT sind die Perspektiven heute nachhaltig positiv. Ebenso attraktiv sind neue Industriebereiche wie die Herstellung und Weiterverarbeitung von klimaneutralem Wasserstoff, der von vielen als zukünftiges Rückgrat der Industrie gesehen wird. Hier entstehen neue Wertschöpfungsketten und es braucht Kompetenzen aller Art – verfahrenstechnische ebenso wie mechanische und IT-bezogene – um dies Realität werden zu lassen.

Gerade wegen der langfristigen Perspektive ist die Nachwuchsgewinnung wichtig. Wenn im Maschinenbau 11.000 Ausbildungsstellen (Stand Dezember 2022) unbesetzt bleiben und rund 80 % der Unternehmen Fachkräfteengpässe (VDMA 10/22) melden, ist dies eine Gefahr für die Transformation der Wirtschaft.

Deutschland und die EU haben aktuell eine starke Position im Wettbewerb um die zukünftigen Weltmärkte – gerade mit Blick auf die USA und China. Wenn es gelingt, zusammen mit Partnern weltweit, diese Position zu verteidigen, wird der Industriestandort Europa zwar anders, aber nicht weniger erfolgreich sein.

Wir brauchen eine gute technische Bildung in der Schule

Doch um dies zu gestalten, muss die Bildungspolitik handeln und diese für unsere Zukunft wichtigen Themen in den Curricula der Schule verankern. Jungen Menschen, die ja aktiv Veränderungen einfordern, muss noch klarer werden, dass ihr Beitrag nicht nur im persönlichen Verhalten liegen kann. Die „Mitmach-Transformation“ muss zur intrinsischen Motivation werden, technische Berufe zu wählen und damit einen aktiven Beitrag zum Schutz unserer Lebensgrundlagen zu leisten.

Der VDMA fordert daher ein Schulfach Technik. Dieses darf aber nicht nur Basiskenntnisse vermitteln. Schülerinnen und Schüler müssen – über naturwissenschaftliche Kenntnisse hinaus – lernen, zu konstruieren, zu bauen und komplexe Systeme zu verstehen – vom Windrad bis zum klimaneutralen Rock-Festival, vom Pumpspeicherkraftwerk bis hin zum grünen Urlaubsflug. Das gilt für alle Schularten, auch für das Gymnasium, damit sich die Abiturienten eine valide Wissensgrundlage erwerben können, um Studiengänge zu belegen, die Klimaschutz und Transformation fördern.

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