Das Gerechtigkeitsproblem der Energiewende

Gastautor Portrait

Malte Kreutzfeldt

Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt der taz

Der Journalist Malte Kreutzfeldt studierte Biologie, Politik und Anglistik in Göttingen und Berkeley, Kalifornien. Nach Stationen bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen, als Pressesprecher von Attac und in der Pressestelle der Fraktion Die Linke im Bundestag kam er zur taz, Die Tageszeitung. Dort ist er gegenwärtig Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro. Malte Kreutzfeldt widmet sich vor allem der Energiewende sowie der Finanzpolitik. Für sein Buch „Das Strompreis-Komplott. Warum die Energiekosten wirklich steigen und wer dafür bezahlt“ wurde er 2015 von Eurosolar mit dem Deutschen Solarpreis in der Kategorie Medien ausgezeichnet.

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15. März 2018
Malte Kreutzfeldt zum Gerechtigkeitsproblem der Energiewende

Die These, dass die Energiewende ein Gerechtigkeitsproblem hat, ist nicht neu. Schon in seinem 2014 erschienenen Buch „Das Strompreis-Komplott. Warum die Energiekosten wirklich steigen und wer dafür bezahlt“ widmete sich Malte Kreutzfeldt dem Thema der Finanzierung der Energiewende und ihrer ungerechten Kostenverteilung. Beim Debattenabend der Stiftung Energie & Klimaschutz wird er am 10. April in Stuttgart dazu ein Statement halten und im Anschluss mit den anderen Referenten debattieren.

Wir hatten Gelegenheit, mit Malte Kreutzfeldt vorab ein Interview zu führen.

Alternativ: Finanzierung über Steuern und fossile Energieträger

DEZ-Blog: Herr Kreutzfeldt, wenn wir über die Finanzierung der Energiewende reden, wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Malte Kreutzfeldt: Der größte Handlungsbedarf besteht bei den hohen Strompreisen. Bisher gab es da vor allem ein Gerechtigkeitsproblem: Durch die vielen Ausnahmen von der EEG-Umlage zahlen private VerbraucherInnen weit mehr für die Energiewende als ihrem Anteil am Stromverbrauch entspricht.
Zudem müssen ärmere Haushalte einen besonders hohen Anteil ihres Einkommens für Strom ausgeben. Mit dieser Schieflage ist auch viel Stimmung gegen die Energiewende gemacht worden – interessanterweise vor allem von Menschen, die sich sonst meist wenig für Armut interessieren.
Inzwischen sind die hohen Strompreise aber auch ein Problem für die Energiewende selbst. Denn sie verhindern, dass Strom auch zum Heizen und im Verkehr stärker genutzt wird – was aber notwendig ist, um auch in diesen Sektoren den CO2-Ausstoß zu senken.
Es wäre darum sowohl gerechter als auch zielführender, einen Teil der Energiewendekosten nicht über einen Aufschlag auf den Strompreis zu bezahlen, sondern aus Steuermitteln. Im Gegenzug müssten fossile Energieträger teurer werden.

Gerechtigkeitsproblem (noch) kein Thema in der neuen Koalition

Folgt man dem Koalitionsvertrag, scheint die Finanzierung der Energiewende keiner politischen Intervention zu bedürfen. Leiden die Parteien der Großen Koalition unter einem Wahrnehmungsproblem oder debattieren wir hier nur über Scheinprobleme?

Nein, das Problem, dass die Energiewende anders finanziert werden muss, ist real. In der neuen Regierung scheint es mir auch nicht an Wahrnehmung zu mangeln, sondern eher an Mut zur Umsetzung. Vor allem die CSU hat sich in den Koalitionsverhandlungen aus Furcht vor Stimmverlusten bei der anstehenden Bayern-Wahl entschieden dagegen gewehrt, Heizöl und Benzin teurer zu machen, auch wenn die Gesamtbelastung der VerbraucherInnen durch die gleichzeitige Absenkung der Strompreise nicht gestiegen wäre.
Ich denke aber, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Denn ohne eine Änderung der Kostenstruktur wird es sehr schwierig, die Klimaziele in den Bereichen Wohnen und Verkehr zu erreichen.

Das Gerechtigkeitsproblem bei der Energiewende ist auch Thema des vzbv.
Das Gerechtigkeitsproblem bei der Energiewende griff auch der Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband, Klaus Müller, anlässlich des Amtsantritts der neuen Bundesregierung auf.

Europäische Kooperation würde mehr Versorgungssicherheit bringen

Der Deutsche Wetterdienst hat dieser Tage darauf hingewiesen, dass das Risiko von Dunkelflauten geringer wird, je besser das deutsche Energienetz in Europa integriert wird. Gilt generell, dass eine europäische Kooperation bei der Energiewende deren Finanzierung erleichtern würde? Wie würde sich das mit dem Leitmotiv einer dezentralen Energiewende vertragen?

Für die Versorgungssicherheit sind kapazitätsstarke Leitungen innerhalb von Europa ohne Frage hilfreich, denn dann können die örtlichen Schwankungen in der Produktion von Wind- und Sonnenstrom besser ausgeglichen und zudem Speicher wie die Stauseen in Norwegen besser ausgenutzt werden.
Bei der Finanzierung sehe ich hingegen weniger Nutzen in europaweiter Kooperation. Zwar würden bei europaweiten Ausschreibungen für Ökostrom vermutlich geringere Preise herauskommen. Gleichzeit wären dann aber noch viel mehr Leitungen erforderlich. Und um die europäischen Klimaziele zu erreichen, müssen die erneuerbaren Energien ohnehin überall ausgebaut werden – und nicht nur an den Standorten mit den besten Bedingungen.

Einladung zum Debattenabend nach Stuttgart

Neben Malte Kreutzfeldt werden am Debattenabend am 10. April in Stuttgart als Diskussionspartner teilnehmen:

  • Franz Untersteller, MdL, Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg
  • Thomas Bareiß, MdB und frisch gekürter Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie,
  • Thomas Kusterer, Mitglied des Vorstands der EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Die Veranstaltung beginnt um 18:30 Uhr mit der Begrüßung durch den Sprecher des Vorstands der Stiftung, Holger Schäfer. Die Veranstaltung endet mit einem Get-together mit kleinem Imbiss.

Interessiert?

Wie immer haben wir einige Plätze bei dieser Veranstaltung für die Leserinnen und Leser des Blogs reserviert. So können Sie teilnehmen: Bitte melden Sie Ihre Teilnahme bis spätestens Montag, 2. April per Mail an: energieundklimaschutzBW@enbw.com

Ergänzende Informationen erhalten Sie im Zuge der Teilnahmebestätigung.

Livestream

Haben Sie keine Gelegenheit zur Veranstaltung nach Stuttgart zu kommen, interessieren sich aber fürs Thema? Schreiben Sie gerne ebenfalls eine Mail an: energieundklimaschutzBW@enbw.com. Für den Debattenabend erhalten Sie dann einen Link zu einem Livestream des Abends, über den Sie der Veranstaltung folgen können.

Diskutieren Sie mit

  1. Olaf Lüttich

    vor 7 Jahren

    Es ist nicht erkennbar, was die angekündigte Veranstaltung für den Klimaschutz und die Beschleunigung der Energiewende bringen soll. Am Tisch sitzen überwiegend Personen, die der alten, fossilen Energiewirtschaft zuzuordnen sind. Das ist reinstes Astroturfing. Man predigt die Erneuerbaren, tut aber alles, um die so stark begonnene Wende auszubremsen. Der Vorzug der Kohleverstromung, die letzten Novellierungen des EEG, die 10H-Regelung in Bayern und die Planung der unnötigen Gleichstromtrassen zeigen das nur allzu deutlich. Offenbar hat die Lobby der alten Energiekonzern die Politik nach wie vor fest im Griff. Es ist an der Zeit, dass die Verantwortlichen aufwachen. Konzepte wie eine Energiewende sektorenübergreifend und zügiger umgesetzt werden kann, gibt es genug. Die Besucher der Veranstaltung werden offensichtlich wieder einmal für dumm verkauft.

    Bürgerinitiative Leinburg gegen Gleichstromtrassen
    Für eine dezentrale Energiewende ohne überdimensionierten Netzausbau!

  2. Dörte Hamann

    vor 7 Jahren

    Ein Kohleausstieg und Atomausstieg für Europa sind nicht in Sicht. Umso fragwürdiger ist die angestrebte Beschleunigung des massiven Trassenbaus. Altmaier sieht im schnellen Ausbau der Stromnetze eine seiner vordringlichsten Aufgaben: „Netzausbau first“. Dass er aber auch den Kohleausstieg in den Fokus rücken wird, das sagt er nicht.

    Bislang ist mir leider noch kein offizieller Szenariorahmen und kein Netzentwicklungsplan begegnet, mit dem die Trassenbefürworter ihre Behauptung belegen könnten, dass der massive Netzausbau speziell der Energiewende nützt.

    Hermann Scheer, einer der wichtigsten Vordenker der Energiewende, hat in seinem bemerkenswert hellsichtigen Buch „Der energethische Imperativ“ geschrieben: „Dass die etablierten Energiekonzerne ein Supergrid-Konzept favorisieren, ist aus deren Sicht verständlich. Aus der Sicht aller, die den Energiewechsel als höchst dringlich betrachten, ist es dagegen unverständlich, sich darauf einzulassen. Das Konzept führt zwangsläufig zu einer einseitigen Kanalisierung des Weges zu erneuerbaren Energien und einer Missachtung ihrer technologischen Potenziale – und außerdem zu einer deutlichen Reduzierung der Zahl der Akteure: von einer Bewegung vieler zu einer energietechnokratischen Steuerung.“

    Hermann Scheer hat Recht behalten: Die Bürgerenergie wird ausgebremst, wo es nur geht. Stattdessen soll, so der Plan der Europäischen Energieunion, den Bürgerinnen und Bürgern ein europäisches Mega-Netz als Teil der Energiewende verkauft werden. Und hier ist eine Wende hin zu 100 Prozent Erneuerbaren ohne Atom und Kohle in keinem Plan erkennbar.

    Umso peinlicher ist es, wenn von Protagonisten, die sich nach eigenem Bekunden jahrelang für die Energiewende eingesetzt haben, jetzt unter dem Vorwand der „Vielfalt“ ausgerechnet die Energiekonzerne als Mitspieler einer angeblich gerechten Energiewende mit einem grünen Mäntelchen versehen werden, die 100 Prozent EE schlicht nicht wollen.

  3. Lexi Hartmann

    vor 7 Jahren

    Lieber Hubertus Grass, die EnBW setzt sich genauso
    ehrlich und intensiv für die Energiewende wie der Teufel
    für eine Gefriertruhe in der Hölle. Sie können sich natürlich
    selbst herrlich durch den Kakao ziehen. Im Gegensatz zu Ihnen
    stehen wir nicht auf der Payroll von EnBW. Wess Brotvichvess, dass Lied
    ich sing, und wenn es das Atomstromlied ist.

  4. Lexi Hartmann

    vor 7 Jahren

    Finger weg von EnBW und befreundete Lobbyisten wie
    Bareiß und Untersteller. Wie kann die taz dafür auch noch
    werben? Hinter dieser Onlineplattform steht der Atom- und
    Kohlekonzern EnBW. Über TransnetBW verdienen die
    Übertragungsnetzbetreiber 9,05% Eigenkapitalrendite.
    Sicher, risikolos in einem regulierten Markt. Wie brauchen eine
    Bürgerenergiewende und kein Greenwashing von EnBW.
    Hubertus Grass wurde schon auf der Facebook-Seute "Europäische
    Energiewende" als Greenwasher im EnBW-Auftrag enttarnt

  5. Hubertus Grass

    vor 7 Jahren

    Das ist aber ärgerlich, dass ich enttarnt wurde. Dabei habe ich mir jahrelang Mühe gegeben, mich zu verstecken. Okay, da Sie mir die Maske vom Gesicht gezogen haben, kann ich gleich auf der ganzen Linie gestehen: Meine Mitverschwörer und ich setzen uns schon lange für die Energiewende ein. Einzig und allein unserer mangelnder Einfluss ist daran Schuld, dass wir nicht schneller zum Ziel kommen. Von daher begrüßen wir die neue Vielfalt in der Szene der Akteure: Sehr viele einzelne Bürger, Bürgergenossenschaften, kleine und mittlere Unternehmen machen mit. Und sogar größere Unternehmen sind - spät, aber immerhin - mit von der Partie. Wir bekennen uns des Glaubens schuldig, dass die Energiewende diese Vielfalt braucht. Wir bekennen uns als Jünger der Lehre, dass die Energiewende gemeinsam und in fairer Partnerschaft besser und schneller vorankommen wird.

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  6. Wegmann

    vor 7 Jahren

    Das sieht mir sehr "abgesprochen" Talk aus. Diese Teilnehmer werden alle für die HGÜ-Leitungen sein. Bezahlt vom Endkunden. Nur ein Geschäftsmodel für die institutionellen Anleger. Der Bedarf 2-stellige Milliarden € Beträge zu investieren ist hoch und jedes Argument, wie oben zu lesen, ist billig genug um die Bürger, die es zahlen müssen, einzuwickeln. Nur, die energieintensive Industrie ist befreit. zahlt keine Netzentgelte. Weshalb stellt den keiner die Frage, ob es nicht klüger ist, diese Betriebe an den Standorte für billige Erneuerbar Energie anzusiedeln. Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein würden sich freuen. Ebenso Spanien (Sonne + Wind) etc.
    Stattdessen wird für Fernleitungen geworben.
    Lieber Herr Kreutzfeldt den Geringverdiener, ist ganz richtig als Verlierer beim Strom EEG dazustellen und gleichzeitig HGÜ über die EU zu spannen damit Konzerne wie TenneT, 50 Herz etc. ein gesetzlich gesicherte Rendite von aktuell 9,05 % einzukassieren ist schon grenzwertig. Sie klagen nun sogar weil es künftig nur noch 6% gibt (für null Risiko). Den bezahlt wir was notwendig ist, egal wie falsch man bei der Vorkalkulation gelegen hat. Heute werden 10 Mio. je km angesetzt (Mehr als eine Gaspipeline kostet). Wenn es dann 20 oder 25 Mio/km sind kein Problem. Es braucht lediglich der Bundesnetzagentur plausibel und ordnungsgemäß vorgelegt werden. (Ausschreibung, Festpreis etc. Fehlanzeige)
    Der Fehler in dem Konstrukt ist doch wohl, welche Bank wird massive Überkapazitäten in Wind und Solar finanzieren wollen, die nicht nur das eigene Land sondern auch Nachbarstaaten der EU mit versorgen können, ohne das eine Abnahme gesichert ist. Diese Anlagen müssten ein Großteil des Jahre stillstehen, denn sie sind ja nur für lokale Dunkelflauten gedacht. Wer soll so etwas wirtschaftlich vertreten können. Das Argument vom EU-EE Markt, fällt also noch eher in sich zusammen, als das Gemeinschaftsprojekt Dessert, richtig?

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