WELT-Energiegipfel (Teil 2): Dynamische Energiewende braucht dynamisches Management

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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19. November 2018
Foto: Philip Nürnberger
Frank Mastiaux an einem Rednerpult
Frank Mastiaux, Vorstandsvorsitzender der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, kritisiert Politik und Verwaltung für deren Trägheit in einem so dynamischen Feld wie der Energiewende.

Foto: Philip Nürnberger

„Fehler zu machen, das ist okay.“ Auf dem Welt-Energiegipfel, einer Kooperation der Tageszeitung „Die Welt“ mit der EnBW, diskutierten Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Verbänden den Stand von Energiewende und Klimaschutz. Frank Mastiaux, Vorstandsvorsitzender der EnBW, analysierte in seinem Impulsvortrag die bisherige Entwicklung der Energiewende und die Konsequenzen, die daraus zu ziehen seien. „Mindestanforderung für die Zukunft ist“, so Mastiaux weiter, „keine Fehler zu wiederholen“. Diesbezüglich sei er aber im Hinblick auf Politik und Verwaltung skeptisch.

Am Beispiel der Solarindustrie erläuterte der Manager seine Kritik. Jahrelang habe es bei der Solarenergie eine Überförderung gegeben, denn der rasante Preisverfall bei den Solarmodulen habe sich nicht in einer adäquaten Senkung der Einspeisevergütung niedergeschlagen. Die Folgen der politischen Untätigkeit hätten sich erst in einer Überhitzung des Marktes, dann im Aufbau der chinesischen Solarindustrie und am Ende in der Zerstörung der deutschen Solarindustrie niedergeschlagen. Mehr als 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland seien vernichtet worden, weil die Evaluierung von beschlossenen Gesetzen in Deutschland zu lange brauche.

Ein dynamischer Prozess wie die Energiewende braucht ein dynamisches Management

„Auf hoch dynamischen Märkten, wie sie durch die Energiewende entstehen, reicht es nicht, alle paar Jahre einmal beschlossene Maßnahmen zu überprüfen. Das muss jährlich und vielleicht sogar quartalsweise geschehen“, forderte Frank Mastiaux. Er appellierte darüber hinaus, die Energiewende besser als bisher zu koordinieren. Ob einzelne Maßnahmen die erhoffte Wirkung nach sich ziehen, sei nicht immer absehbar. Oft käme es zu ungeplanten Nebenwirkungen an einer ganz anderen Stelle als zuvor geplant. Zu bewältigen sei das nur durch eine Koordination aller Maßnahmen, entsprechende Überwachung und eine – für alle Marktteilnehmer – zu durchschauende Systematik.

Mastiaux erinnerte in diesem Zusammenhang an eine Forderung, die die EnBW, zahlreiche andere Unternehmen sowie die Stiftung Zwei Grad und die Umweltverbände Germanwatch und BAUM schon seit längerer Zeit erheben: Die Einführung eines CO2-Mindestpreises.

Wie lässt sich der regulatorische Rahmen an die Innovationsgeschwindigkeit anpassen?

Über die Klimaschutzziele haben wir uns besoffen geredet

Felix Christian Matthes

Die Diskrepanz zwischen den hoch innovativen Prozessen und Technologien, die durch die Energiewende angestoßen werden, dem äußerst dynamischen Marktgeschehen auf der einen Seite und einer Steuerung auf der anderen Seite, die mit der Geschwindigkeit nicht mithalten könne, umtrieb auch andere Referenten des Energiegipfels. Felix Christian Matthes vom Öko-Institut verwies auf den „Instrumentenzoo“, den man zur Umsetzung der Energiewende erfunden habe, der ständig vergrößert würde und durch den niemand mehr durchblicke.

Patrick Graichen, Direktor der Agora Energiewende, illustrierte das gesetzgeberische Chaos am Beispiel von Energiespeichern. Diese bei Abgaben und Steuern wie Endverbraucher zu behandeln, sei schon aus physikalischen Gründen grober Unfug. Zudem behindere die aktuelle Situation, in der Speicher mit Steuern und Abgaben belastet werden, benötige Investitionen. Das habe man auch im Bundeswirtschaftsministerium erkannt. Geändert werde es nicht, weil die zuständigen Beamten nicht absehen können, welche Folgen eine entsprechende Anpassung des EEG am Ende haben werde.

Ines Zenke von der Anwaltskanzlei Becker Büttner Held wurde in diesem Jahr vom Handelsblatt als eine der besten Anwälte im Energierecht ausgezeichnet. Selbst die promovierte Fachanwältin sieht im EEG einen Dschungel, der aus eigener Kraft kaum zu durchdringen sei. Sie monierte, die Regelungen würden immer komplexer. Am Ende würde niemand mehr richtig durchblicken.

„Über die Klimaschutzziele haben wir uns besoffen geredet“, meinte Felix Christian Matthes. Was man aber brauche, sei ein strategischer Rahmen für die Fortsetzung der Energiewende. Allgemein verständlich und als verlässlicher Anreiz für Investitionen. Technisch, so Matthes, sei alles da, was man für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende benötige. Jetzt komme es darauf an, die Infrastruktur anzupassen und für die neuen, digital zu steuernden Strukturen der Energiewende ein Haus zu bauen.

Lernen, schneller zu lernen

Die Leitfrage der Veranstaltung hieß: „Wie viel Energiewende verträgt Deutschland?“. Da geht noch viel mehr, als wir bisher gesehen haben. Darin  stimmten die meisten Diskutanten überein. Frank Mastiaux brachte es auf den Punkt: „Deutschland wird auch in Zukunft viel Energiewende vertragen. Wir können unsere Klimaziele erfüllen und gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Und dafür sind keine ökonomischen oder technischen Wunder notwendig.“

Was wir allerdings nicht vertragen könnten, so Mastiaux, das sei eine ineffiziente Energiewende. Alle, die Einfluss auf die Gestaltung der Energiewende nehmen, sollten jetzt mal in den Rückspiegel schauen. „Wir müssen unsere bisherigen Erfahrungen mit der Energiewende in ihren technologischen, ökonomischen, politischen und kommunikativen Aspekten genau analysieren, bewerten und auswerten. Wir müssen daraus lernen. Und lernen, schneller zu lernen.“

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