Die Digitalisierung der Energiewende umfasst zahlreiche Aspekte, die zum Gelingen beitragen werden. Dazu gehören unter anderem Fragestellungen der IT-Sicherheit, der Informationsaustausch-Prozesse, der Implementierung von übergreifenden Standards und Protokollen. Aber darüber hinaus gibt es einen weiteren Faktor, der – da bin ich überzeugt – entscheidend dazu beitragen wird, den Digitalisierungs-Prozess erfolgreich voranzutreiben: Die Freude an der Energiewende oder „der Spaßfaktor“. Das mag banal klingen oder als vollkommen unrelevant neben den anderen genannten Vitalfunktionen der Energiewende wahrgenommen werden.
Spaß bei C/sells schon im Titel angelegt
Am Beispiel des SINTEG Projekts C/sells wird deutlich, warum und wie wir, die Initiatoren bestehend aus über 50 Projektpartnern in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen, den Spaßfaktor professionell geplant haben: Das C in C/sells steht für Cell, also die Zelle. Ziel ist es, zahlreiche, autonom agierende Zellen mit Smart Grids auszustatten und miteinander in Verbindung zu bringen, um entsprechende Erzeugungsüberschüsse oder Strombedarf untereinander auszugleichen. Das s steht für sells, der Markt-relevante Aspekt von C/sells. Mit C/sells entstehen neue Märkte, an denen sowohl professionelle Lösungsanbieter teilhaben können, aber auch Prosumenten, also Privatverbraucher und -erzeuger, die mit ihren heimischen Solaranlagen und künftig immer mehr werdenden Elektroautos das Energiesystem mit gestalten.
Das s steht aber nicht nur für die Marktkapitalisierungs-Komponente, sondern wird gern auch als Spaß-Faktor interpretiert. Dieser ist somit beim Großprojekt C/sells schon im Titel angelegt. Spaß oder besser Freude macht es, wenn alle Akteure auf Augenhöhe ein neues Energiesystem entwickeln. Spaß macht es, wenn der Kontext von allen klar verstanden wird, warum der Umbau des Energiesystems sinnvoll ist und nachhaltige Vorteile mit sich bringt. Der Hinweis auf die Nachhaltigkeit ist wichtig: Kurzfristig wird es, wie bei allen gesellschaftlichen Umwälzungen, Entwicklungen geben, die für Einzelne nicht von Vorteil sind. Aber mittel- und langfristig haben Alle etwas davon, wenn man von einer langfristig rational agierenden Energiewirtschaft ausgeht: Der Ausstieg aus der Kernenergie und Einstieg in die Erneuerbare Energiewirtschaft wird mit C/sells und ähnlichen Projekten, die die Digitalisierung der Energiewende voranbringen, gelingen – mit voller Versorgungssicherheit. Der baldige Ausstieg aus der Klima-belastenden Kohleindustrie wird mit zunehmender Digitalisierung der Energiewende mittelfristig Realität werden. Richtig, Arbeitsplätze in der Kohleindustrie gehen verloren – aber neue Märkte rund um das Digitale Energiesystem entstehen und um die Beiträge von möglichst vielen Akteuren einzusammeln, ist es notwendig, diese Entwicklungen transparent und verständlich zu machen und die Wichtigkeit der Einzelbeiträge aufzuzeigen. Denn Energiewende gelingt letztendlich nur, wenn alle mitgestalten (wollen).
Storytelling – ein erster Ansatz
Anstelle trockener, unübersichtlicher Power-Point-Vorträge sind Geschichten aus der Lebenswelt, die jeder von uns in Verbindung mit Strom- und Wärmenutzung kennt, doch viel angenehmer, anschaulicher und nachvollziehbarer. Ganz im Ernst: Wie wollen wir einen gesellschaftlichen Konsens erreichen, ohne eine breite Bewegung zu evozieren, pro Umbau des Energiesystems? Studien bestätigen, dass die Energiewende für die breite Öffentlichkeit ein wichtiges Thema ist und ein Großteil der Bevölkerung (über 90%) spricht sich für die Energiewende aus – aber mit vielen „Abers“. Es gibt nicht „die“ Energiewende, sondern viele Energiewenden: Die zahlreichen Aspekte, die der Umbau des Energiesystems Deutschland- und europaweit erfordert, sind komplex, vernetzt und auch für Fachleute nicht laufend in seiner ganzheitlichen Komplexität überschaubar. Somit ist es umso wichtiger, sich für ein Grundverständnis einzusetzen, welches diese komplexen Zusammenhänge auf simple, aber nicht banalisierte Weise darstellt. Storytelling-Bühnen gibt es zahlreiche: Auf Vorträgen. Auf Kongressen. In Verkaufsgesprächen. In Blogs. Auch in den Tagesmedien ist dies möglich, aber derzeit rar zu finden.
Freude mit der Energiewende braucht Kommunikatoren
Daher mein Appell: Die Energiewirtschaft und all ihre annektierten Branchen brauchen neue Wege der Kommunikation. Argumentationen sind gut und wichtig, Fakten unerlässlich. Aber vergessen wir nicht den Spaßfaktor, der nicht fehlen darf. Und Spaß muss nicht Entertainment bedeuten. Gerade der Schwabe – C/sells wurde in Baden-Württemberg initiiert – hat besonders viel Freude an neuen Entwicklungen, wenn damit in Verbindung zudem eine greifbare, finanzielle Beteiligung möglich ist. Heute in einem Jahr werden wir eine Menge mehr gelernt haben: C/sells wird gestartet und mit den ersten Projektmonaten zahlreiche Begegnungen mit den Prosumenten von Morgen gemacht haben. Als Energiewende-Beschleuniger haben wir alles Notwendige im Gepäck – nicht zuletzt den Auftrag, die Bürger und Bürgerinnen mitzunehmen und zu Energiewende Freu(n)den zu machen.
Bilder: Michael Roth, MicialMedia
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