Wenn Sie demnächst an der Kasse des städtischen Theaters oder im Bus den einen oder anderen Euro mehr zahlen müssen und das kommunale Schwimmbad geschlossen wird, gibt es einen zusätzlichen Grund, auf die Energiewende zu schimpfen. Denn die soll Schuld daran sein, dass es den kommunalen Betrieben so schlecht geht.
Erst sorgte die Insolvenz der Stadtwerke Gera für Schlagzeilen, dann meldete sich die Roland Berger zu Wort, Gera sei kein Einzelfall, jedes 5. Stadtwerk in Deutschland stehe ähnlich schlecht da wie das Unternehmen der Thüringer Kommune. Setzt ein großes Sterben der Stadtwerke ein mit weitreichenden Folgen für die im Querverbund zusammengeschlossenen Unternehmen? Werden Theater und Freibäder geschlossen, der ÖPNV ausgedünnt, weil die Quersubventionierung der defizitären Betriebe aus den Gewinnen der Energiesparte nicht mehr funktioniert? „Und alles wegen den Erneuerbaren?“, fragen die Phasenprüfer.
In Gera wird unter anderem auch der Flughafen als Unternehmenstochter der Stadtwerke von der Insolvenz betroffen sein. Offenbar hat früher das Geschäft mit der Energie so viel Geld abgeworfen, dass man daraus noch die Verluste des Regionalflughafens decken konnte. Diese Zeiten sind – nicht nur in Gera – vorbei. Die Melkkühe der Kommunen haben ausgedient.
Um den Stadtwerken zukünftig das Überleben zu sichern, hatte Bernd Wilmert vom VKU bei uns im Blog die Einführung von Kapazitätsmärkten gefordert. Nur wenn sich die Investitionen in die Kraftwerke rentieren, könne gesicherte Leistung dauerhaft bereitgestellt werden. Derzeit haben wir allerdings trotz steigenden Anteils der Erneuerbaren kein Problem mit der Zuverlässigkeit der Stromversorgung. Laut Bundesnetzagentur ist die durchschnittliche Unterbrechungsdauer pro Abnahmestelle sogar von 15,91 Minuten in 2012 auf 15,32 Minuten in 2013 gesunken.
Stadtwerke waren einmal kommunale Gelddruckmaschinen. Nur Stadtkämmerer werden den Verlust dieser Funktion betrauern. Aufhorchen muss die Allgemeinheit aber, wenn trotz einer guten Geschäftspolitik und einem modernen, CO2-armen Kraftwerkspark Stadtwerke derzeit auf dem Energiemarkt kein Geld mehr verdienen, weil sie im Wettbewerb gegen den Strom aus bereits abgeschriebenen Braunkohlekraftwerken nicht konkurrieren können.
Bei der Produktion einer Kilowattstunde Strom im Braunkohlekraftwerk entstehen ca. 1150 Gramm CO2, in einem modernen Erdgaskraftwerk nur 428 Gramm. Im Vertrauen auf eine nachhaltige und verlässliche Klimapolitik haben viele Stadtwerke in die vermeintliche CO2-arme Zukunft investiert und werden jetzt von der Politik im Regen stehen gelassen, weil dem nicht funktionierenden CO2-Emissionshandelsmarkt tatenlos zugesehen wird. Zu allem Überfluss kann sich die Braunkohle vor politischem Rückenwind kaum retten. EU-Energie-Kommissar Oettinger (CDU) sieht den Energieträger bis 2050 als unentbehrlich an und wird, wie Greenpeace berichtet, dabei von Gewerkschaftsführer Vassiliadis (SPD) unterstützt, der allen Überlegungen zur Neuregulierung im Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten eine Absage erteilte.
Mal ganz abgesehen davon, dass so Politik auf dem Rücken von allen modernen Stadtwerken gemacht wird, scheinen die klimapolitischen Ziele ihrer Bundesregierung den beiden Herren völlig gleichgültig zu sein. Bis 2050 sollen die Treibhausgase gegenüber 1990 um 80% reduziert werden. Das wird nur mit einer nahezu vollständig CO2-freien Stromerzeugung möglich sein.
Aus Gründen des Klimaschutzes fehlt der Braunkohleverstromung die Zukunftsfähigkeit. Ein neues Marktdesign für den Energiemarkt kann nur im Einklang mit den klimapolitischen Zielen funktionieren. Ganz nebenbei würde ein Marktdesign, das Anreize zur Reduktion der Emissionen setzt, auch notleidenden Stadtwerken helfen.
Wenn Sie demnächst an der Kasse des städtischen Theaters oder im Bus den einen oder anderen Euro mehr zahlen müssen und das kommunale Schwimmbad geschlossen wird, dann wissen Sie jetzt: Die Ursachen sind auch in einer verfehlten Klimapolitik zu suchen.
Oder was meinen Sie, wer Schuld trägt an den klammen Finanzen der kommunalen Versorger? Und wie kommt man aus der Misere wieder heraus, ohne die Leistungen der Daseinsvorsorge zu beeinträchtigen oder weiter an der Schuldenschraube zu drehen?
Wie es anders geht, zeigt ein seit Jahren ökologisches ambitioniertes kommunales Unternehmen: die Stadtwerke München. Vor zwei Wochen war zu lesen, dass sich die Bayern mit 30 Prozent am zweitgrößten Windpark der Welt in der Irischen See mit dem schönen Namen „Gwynt y Môr“ beteiligen. Während anderen Stadtwerken die Liquidität ausgeht, nehmen die Münchner ihr Ziel, bis 2025 ihre Stromversorgung vollständig auf Erneuerbare Energien umzustellen, konsequent ins Visier und bauen, wie jetzt in der Süddeutschen zu lessen ist, vor Sylt mit einer Beteiligung von 600 Millionen Euro an einem weiteren neuen Windpark in der Nordsee mit.
In den Turbulenzen des Energiemarktes haben die Mitarbeiter der Münchner Stadtwerke offenbar immer einen kühlen Kopf bewahrt, sonst wären diese Investitionsvolumina nicht zu stemmen. Und damit das mit dem kühlen Kopf auch weiterhin klappt, gab es im Rahmen der Ice Bucket Challenge nun Eiswasserkübel auf die Hirne. Wer fordert jetzt den Energiekommissar heraus? Vielleicht würde Herrn Oettinger eine eiskalte Dusche auch gut tun.
Erich Görgens
vor 10 JahrenMeine Meinung zum Thema ist die folende:
Schade um die Mühe einen Kommentar zu schreiben, der nur deshalb gelöscht wird, weil er Schreiberling über den von Ihnen markierten Tellerand sehen kann.
Dominik Pöschel
vor 10 JahrenSchuld an der aktuellen Lage der Stadtwerke ist nicht die Energiewende alleine. Ich weiß von einem Freund der bei Stadtwerken beschäftige ist das die Schwimmbäder oft in eigene Gesellschaften ausgegliedert werden da diese oftmals nur mit Verlust geführt werden können. Hier sollte eine Lösung gefunden werden denn Schwimmbäder sind ein wichtiges Allgemeingut auf das nicht verzichtet werden sollte. Regelmäßiges Schwimmen ist gut für Körper und Geist.
Ein weitere Punkt bei den Stadtwerken ist das Sie die Zukunft verschlafen haben. Man benötigt heute perfekte teure Software für einen guten Kundenservice. Dies können die Stadtwerke alleine nur sehr schwer leisten und schließen sich deshalb oftmals zusammen. Diese Probleme hatten die Stadwerke schon seit der Öffnung des Strommarktes genau wie die großen Anbieter.