Den Markthochlauf von Wasserstoff beschleunigen – Erkenntnisse aus den Reallaboren der Energiewende

Gastautor Portrait

Simon Pichlmaier und David Ruprecht

Forschungsstelle für Energiewirtschaft e. V.

Simon Pichlmaier ist seit 2016 bei der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) tätig. Seit 2022 ist er Leiter des Themenfelds Wasserstoff und synthetische Energieträger und leitet in dem Zuge des Projekt Trans4ReaL. Zudem ist er Sprecher für das Cluster "Sicherheit, Akzeptanz und Nachhaltige Markteinführung" im Forschungsnetzwerk Wasserstoff. David Ruprecht ist seit 2022 bei der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter im Themenfeld Wasserstoff und synthetische Energieträger tätig.

weiterlesen
13. September 2023

Ein klimaneutrales Deutschland benötigt den Energieträger Wasserstoff und eine funktionierende Wasserstoffwirtschaft. Um die dafür notwendigen Technologien vom Labor in die Praxis zu bringen, setzen Reallabore der Energiewende große Teile der Wertschöpfungsketten im Zuge von Forschungsprojekten in industriellem Maßstab und unter realen Bedingungen um. Das erste Reallabor ist Mitte 2020 an den Start gegangen. Gefördert werden die Reallabore vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Das Transferforschungsprojekt Trans4ReaL hat sich zum Ziel gesetzt, die Erkenntnisse über Herausforderungen und Hürden der Reallabore der Energiewende einzuordnen. Diese werden in Form von Handlungsansätzen mit Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geteilt. Dadurch trägt das Projekt zur Skalierung der Erkenntnisse bei und unterstützt den Markthochlauf von Wasserstoff.

Momentan zeigt sich in der Wasserstoffbranche eine hohe Dynamik. So sollen bis 2030 Elektrolyseure mit einer Kapazität von 10 GW in Deutschland installiert werden. Eine Infrastruktur für Wasserstoff soll entstehen und Wasserstoff in der Industrie und darüber hinaus eingesetzt werden. Aus den ersten Erfahrungen der Reallabore lässt sich für die Startphase der dafür nötigen Großprojekte unter anderem folgender Handlungsbedarf ableiten:

  • Projekte in der Größenordnung und mit dem Selbstverständnis der Reallabore benötigen Planungs- und Rechtssicherheit. Die Umsetzung erfolgt nur, wenn auch ein funktionierendes Geschäftsmodell in Aussicht ist.
  • Um Geschäftsmodelle in der Markthochlaufphase entstehen zu lassen, bedarf es wohldurchdachter Anreizsysteme. Deren Wirksamkeit gilt es regelmäßig zu prüfen.
  • Genehmigungsverfahren müssen vereinfacht und beschleunigt werden. Nur so kann eine zeitnahe großflächige Umsetzung und ein positiver Beitrag zur Energiewende gewährleistet werden

Im Bericht „Wie kann der Markthochlauf von Wasserstoff beschleunigt werden?“ wird dieser und weiterer Handlungsbedarf herausgearbeitet und Handlungsansätze zur Adressierung dieses Handlungsbedarfs abgeleitet.

Planungs- und Rechtssicherheit

Um Planungs- und Rechtssicherheit zu schaffen, sollten konkrete Kriterien für den Wasserstoffeinsatz in allen Anwendungen und Sektoren spätestens im Rahmen der folgenden RED III unmissverständlich festgehalten und kommuniziert werden.

Simon Pichlmaier und David Ruprecht

Um für Projekte zur Erzeugung oder Nutzung von grünem Wasserstoff langfristige Investitionsentscheidungen treffen zu können, sind verlässliche regulatorische Anforderungen essentiell. Für den Einsatz von grünstrombasierten Wasserstoff im Verkehrssektor wurden diese nach längeren Verzögerungen durch einen sogenannten Delegated Act (DA) zur Renewable Energy Directive II (RED II) der EU-Kommission definiert. Viele Branchenakteure erwarten, dass die dabei festgelegten Kriterien als allgemeine Blaupause für sämtliche Anwendungen von grünem Wasserstoff gelten werden. Teils wird dies bereits heute in anderen Bereichen übernommen. Eine Rechtsgrundlage dafür gibt es jedoch aktuell nicht. Um Planungs- und Rechtssicherheit zu schaffen, sollten konkrete Kriterien für den Wasserstoffeinsatz in allen Anwendungen und Sektoren spätestens im Rahmen der folgenden RED III unmissverständlich festgehalten und kommuniziert werden.

Daneben gilt es zeitnah eine einheitliche Bilanzierungsmethodik und einheitliche Treibhausgas-Grenzwerte für grünen Wasserstoff zu verabschieden und diese Bilanzierungsvorgaben anwenderfreundlich zu kommunizieren.

Entwicklung funktionierender Geschäftsmodelle

Um insbesondere in der Markthochlaufphase die Entwicklung funktionierender Geschäftsmodelle zu ermöglichen, bedarf es wohldurchdachter Anreizsysteme. Hierfür gilt es einen kontinuierlichen Monitoring- und Evaluierungsprozess der bestehenden Anreizsysteme zu etablieren, um die Verbesserung der zukünftigen Ausgestaltung der Instrumente zu gewährleisten. Nur durch eine gute Kenntnis der Gesamtheit der Fördermaßnahmen kann ein zielgerichteter Einsatz auf die richtigen Wasserstoffanwendungen sichergestellt werden.

Darüber hinaus kann eine branchenspezifische Aufbereitung der Komplexität des Systems Wasserstoff helfen, das für die Entwicklung wirtschaftlicher Geschäftsmodelle nötige Verständnis dieses Systems bei betroffenen Unternehmen sicherzustellen.

Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren

Genehmigungsverfahren im Bereich Wasserstoff beziehungsweise Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse sind komplex, umfangreich und stellen aufgrund der meist nicht vorhandenen Erfahrung eine Herausforderung für Antragssteller und Behörde dar. Die Einrichtung einer zentralen Stelle auf Bundesebene, die z. B. auf bestehende Handlungshilfen hinweist, auf ein Netzwerk mit kompetenten Kontakten zurückgreifen kann und gezielt relevante Informationen bereitstellt, könnte den Start des Genehmigungsverfahrens für die beteiligten Parteien deutlich erleichtern. Selbiges gilt für die Erstellung und Pflege von landesspezifischen Datenbanken, die alle relevanten Normen und Standards von Wasserstofftechnologien im industriellen Maßstab enthalten.

Weitere Handlungsansätze

Die Vergütung aktiver Mitarbeit deutscher Firmen in internationalen Normungsgremien ist wichtig, um Normung auch im deutschen bzw. europäischen Sinn mitgestalten zu können.

Simon Pichlmaier und David Ruprecht

Darüber hinaus wurden weitere Handlungsansätze zur Beschleunigung des Markthochlaufs von Wasserstoff identifiziert. Diese zielen zum einen auf die Sicherstellung von gesellschaftlicher und lokaler Akzeptanz von Wasserstofftechnologien. Die Vergütung aktiver Mitarbeit deutscher Firmen in internationalen Normungsgremien ist wichtig, um Normung auch im deutschen bzw. europäischen Sinn mitgestalten zu können. Auch den Einsatz von Wasserstoff in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen in großindustriellen Maßstab zu erproben, wird vor dem Hintergrund eines zukünftig relevanten Einsatzes von Wasserstoff zur Rückverstromung und Fernwärmebereitstellung und bislang fehlender Erprobung in den Reallaboren und vergleichbaren Projekten als sinnvolle Maßnahme empfohlen. Mit der Anfang August erschienen Kraftwerksstrategie ist hier bereits ein erster Schritt getätigt worden.

Auch im weiteren Verlauf begleitet Trans4ReaL die Reallabore und veröffentlicht Handlungsansätze. So werden auch die in den folgenden Phasen der Projekte auftretenden Herausforderungen analysiert und aufbereitet.

Über die Autoren

Simon Pichlmaier

Leiter des Themenfelds Wasserstoff und synthetische Energieträger, Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE)

Simon Pichlmaier ist seit 2016 bei der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) tätig. Seit 2022 ist er Leiter des Themenfelds Wasserstoff und synthetische Energieträger und leitet in dem Zuge des Projekt Trans4ReaL. Zudem ist er Sprecher für das Cluster „Sicherheit, Akzeptanz und Nachhaltige Markteinführung“ im Forschungsnetzwerk Wasserstoff.

Foto: Enno Kapitza

David Ruprecht

Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter im Themenfeld Wasserstoff und synthetische Energieträger, Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE)

David Ruprecht ist seit 2022 bei der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter im Themenfeld Wasserstoff und synthetische Energieträger tätig.

Foto: Enno Kapitza

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

Den Markthochlauf von Wasserstoff beschleunigen – Erkenntnisse aus den Reallaboren der Energiewende
0
0