DA/RE – Koordinierter Abruf von Kleinanlagen zur Netzstabilisierung

Gastautor Portrait

Florian Gutekunst

Referent Sonderaufgaben / Advisor, TransnetBW GmbH

Florian Gutekunst arbeitet seit 2016 bei der TransnetBW GmbH im Bereich Netzwirtschaft. Als Übertragungsnetzbetreiber mit Sitz in Stuttgart steht die TransnetBW für eine sichere und zuverlässige Versorgung von rund elf Millionen Menschen in Baden-Württemberg und sorgt für Betrieb, Instandhaltung, Planung und den bedarfsgerechten Ausbau des Transportnetzes der Zukunft. Dort ist er seit 2018 als Projektleiter für „DA/RE – Die Netzsicherheits-Initiative BW“ sowie Programmleiter Plattformen aktiv. Zuvor hat er nach dem Studium der Technischen Kybernetik am Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik der Universität Stuttgart als wissenschaftlicher Mitarbeiter sowie Leiter der Abteilung Stromerzeugung und Automatisierungstechnik gearbeitet.

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24. Juli 2020

Hintergrund

Das Energiesystem ist im Wandel. Bestimmten früher große Kraftwerke die Erzeugungslandschaft, so sind es heute zunehmend dezentrale Anlagen, die erneuerbare Quellen nutzen und in die unteren Spannungsebenen einspeisen. Das hat auch Auswirkung auf die Stromnetze. Die Einspeisung wird volatiler, der Betrieb der Netze herausfordernder, der Bedarf an Maßnahmen zur Netzstabilisierung größer. Gleichzeitig steckt in den vielen kleinen Anlagen ein bislang ungenutztes Potential, das netzdienlich eingesetzt werden könnte.

Darum haben die baden-württembergischen Stromnetzbetreiber TransnetBW und Netze BW die Initiative „DA/RE“ ins Leben gerufen, deren Ziel es ist, auf einer digitalen Plattform Informationen auszutauschen und Maßnahmen zur Netzstabilisierung über alle Netzebenen hinweg zu koordinieren. Dies ermöglicht konkret die Nutzung solcher Kleinanlagen für Redispatch, also die Anpassung der Leistungseinspeisung bei regionalen Überlastungen im Netz.

Rahmenbedingungen

Der Gesetzgeber forderte im Mai 2019 über die Novellierung des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG 2.0) eine grundlegende Neugestaltung des Redispatch-Prozesses ab Oktober 2021. So können zukünftig neben den großen Kraftwerken auch Erzeugungs- und Speicheranlagen ab 100 kW und damit Kleinanlagen aus dem Verteilnetz für Redispatch herangezogen werden.

Diese Änderungen sind potentiell für alle 890 Verteilnetzbetreiber in Deutschland relevant. Denn die Netzbetreiber sind zur Umsetzung des neuen Redispatch 2.0 Regimes und damit zu umfangreichen Koordinierungsaufgaben und zur Umsetzung der dafür erforderlichen Datenaustausche verpflichtet.

„DA/RE – die Netzsicherheits-Initiative BW“

Deshalb haben TransnetBW und Netze BW bereits frühzeitig das Projekt „DA/RE – Die Netzsicherheitsinitiative BW“ initiiert. DA/RE bietet eine Plattformlösung, die Netzbetreiber weitreichend bei den genannten Herausforderungen unterstützt, sowohl bei den Informationspflichten als auch bei der Maßnahmenkoordinierung. DA/RE organisiert die vertikale Abstimmung und den dafür erforderlichen Datenaustausch zwischen den Netzbetreibern und mit den Einsatzverantwortlichen der Erzeugungsanlagen. Außerdem werden mittels Optimierung auf der Plattform die sinnvollsten Anlagen für die notwendigen Maßnahmen ausgewählt und damit eine effiziente Aktivierung der Redispatch-Maßnahmen ermöglicht.

Dieser neue integrierte Ansatz soll es künftig allen Netzbetreibern ermöglichen, Anlagen, die auf Verteilnetzebene angeschlossen sind, zur Netzstabilisierung einzusetzen. Zudem setzt die Plattform auch die neuen europäischen Anforderungen an den Datenaustausch zwischen den Netzbetreibern um. So steht in Summe mehr Redispatch-Leistung zur Verfügung, und der Einsatz der Anlagen erfolgt koordiniert und optimiert im Gesamtsystem.

Aktueller Fokus des DA/RE-Projekts liegt auf der konkreten Plattform-Umsetzung für die Regelzone der TransnetBW in Baden-Württemberg. Grundsätzlich ist das Konzept jedoch skalierbar und könnte auch räumlich erweitert werden.

Vom Konzept in die Umsetzung

Das Projekt startete bereits im Juni 2018, wobei zunächst ein grundlegendes Konzept für den Koordinierungsprozess erarbeitet wurde. Nach der Konzeptionsphase wurde bereits im April 2019 eine Pilotphase gestartet, da das Konzept früh in der Praxis erprobt und validiert werden sollte.

Ziel der Pilotphase war es, das DA/RE-Konzept zu erproben und mit der Pilotplattform einen koordinierten Redispatch-Abruf über die Spannungsebenen und Netzbetreibergrenzen hinweg durchzuführen. Hierfür haben in der Pilotphase mehrere Anlagenbetreiber, Einsatzverantwortliche und Netzbetreiber teilgenommen. Gemeinsam wurden die entwickelten Konzepte und Prozesse in der Praxis umgesetzt, tatsächliche Abrufe durchgeführt und diese anschließend ausgewertet. Als Resultat der Pilotphase konnte identifiziert werden, welche Automatisierungs-Schritte noch notwendig sind, um den Prozess auch mit einer großen Anzahl von Anlagen und Akteuren beherrschen zu können. Diese Erkenntnisse sind essentiell, da sowohl der Prozess als auch die verwendeten Systeme massentauglich und skalierbar sein müssen.

Nächste Schritte und FAzit

Je mehr Teilnehmer an die DA/RE-Plattform angebunden sind, desto größer ist der Mehrwert als Gesamtlösung.

Florian Gutekunst

Mit den Erkenntnissen und Eindrücken aus der Pilotphase ist die Entwicklung der DA/RE-Plattform in ihrer Zielausprägung angelaufen. Diese soll pünktlich zum Oktober 2021 abgeschlossen werden. Aufgrund der guten Erfahrungen aus einem frühen Praxistest wird es voraussichtlich ab Anfang 2021 eine weitere Testphase geben. Hier wird der Entwicklungsstand der DA/RE-Plattform gemeinsam mit interessierten Partnern in der Praxis erprobt werden.

Die Entwicklung der DA/RE-Plattform basiert auf einem agilen IT-Projektmanagementansatz. Die Organisation des Projekt- und Entwicklerteams in Sprints ermöglicht die schnelle Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen. Zudem ermöglicht es die dauerhafte Offenheit, externe Inhalte und Anregungen jederzeit mit in die Entwicklung der Plattform einfließen zu lassen. Dies deckt sich mit dem Ziel, weitere Partner für die Entwicklungs- und Testphase in den Prozess zu integrieren, um die Betriebsphase auch hinsichtlich Netzbetreiber-Schnittstellen so gut wie möglich vorzubereiten und die Nutzerfreundlichkeit der Zielplattform zu optimieren. Denn letztendlich gilt: Je mehr Teilnehmer an die DA/RE-Plattform angebunden sind, desto größer ist der Mehrwert als Gesamtlösung.

Schreiben Sie an dare@transnetbw.de oder erfahren Sie mehr unter: dare-plattform.de

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