War watt? Energiewende und Preise

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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26. Februar 2015
Energiewende aktuell

Wer über die Energiewende redet, muss auch über Preise reden. Gibt es ein Segment in unserer Wirtschaft, in dem noch mehr gelogen, verdreht und verschleiert wird? Drastische Fälle wie der von care energy, dem das Verbrauchmagazin Plus Minus nach ging, sind nicht die Regel. An der Tagesordnung in Deutschland sind aber Desinformationen über die Energiewende und die Preise, die manchmal einen Teil der Wahrheit, selten aber die ganze verraten.

Diese Desinformationen über die wahren Kosten sind viel älter als die Energiewende. Wie hoch ist der Preis der Atomkraft? Wer ehrlicher ist, muss zugeben: Wir wissen es nicht. Niemand weiß, welche Kosten in 500 Jahren oder in 10.000 Jahren noch auf nachfolgende Generationen zukommen. Noch nicht einmal der Preis für das derzeit gesuchte Endlager lässt sich einigermaßen verlässlich abschätzen, die offenen und verdeckten Subventionen für diese Technik sind legendär.

Und was kostet Kohlestrom? In jedem Fall die Landschaft, schlimmstenfalls die Gesundheit und dann das Klima, wie wir es kennen. Der Preis der Kohleverstromung hat nie die ökologische Wahrheit gesagt. Zusätzlich wurden und werden Stein- und Braunkohleverstromung in Deutschland massiv subventioniert. Der Preis für die  Kilowattstunde in den Kohlekraftwerken deckt nur ein Bruchteil der gesellschaftlichen Kosten.

Äthetik Braunkohle Energiewende aktuell

Die Märchen und die Lügenpropaganda um den angeblich so preiswerten Strom aus Kohle- und Atommeilern sind zumindest dem interessierten Publikum seit Jahrzehnten bekannt. Aber auch die Lobbyisten und Enthusiasten der Energiewende begeben sich auf eine schiefe Argumentationsebene, wenn sie über Preise reden. Als Großmeister im Verschleiern der wahren Kosten hat sich Solarworldkönig Frank Asbeck etabliert, der sich schon früh über die „grid parity“ freute,  jenen Zeitpunkt, an dem der selbst erzeugte Strom aus der PV-Anlage (angeblich) preiswerter wurde als der Strombezug aus dem Netz. Dass der Preis, den wir für den Strom zu zahlen haben, nur zu einem kleineren Teil aus den Erzeugungskosten der Kilowattstunde resultiert, ‚vergessen‘ Asbeck & Co. immer wieder zu erwähnen.

Aktuell feiert das Netz eine Studie des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (im Auftrag von Agora Energiewende), die die Produktionskosten des Sonnenstroms in zehn Jahren bei vier bis sechs Cents ansiedelt. Das ist nur etwas mehr als der Preis, den Franz Alt und die Grünen dem Publikum im Wahlkampf vorgaukelten: „Die Sonne schickt uns keine Rechnung“  (Kohle und Uran übrigens auch nicht). Eine wetterabhängige, flexible Produktion von Strom verursacht spezifische Systemkosten, die für die Speicherung oder die Abstimmung zwischen Erzeugung und Verbrauch anfallen. Davon liest man nichts. Oder nur selten wie jetzt in einem Beitrag des Deutschlandfunks.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat, berichtet der Deutschlandfunk, eine Solaranlage mit einer flexiblen Steuerung der Photovoltaik-Module konzipiert, die demnächst auf einer griechischen Insel installiert werden und dort einen Dieselgenerator ersetzen soll. Gesteuert werden bei dieser Anlage sowohl der Akku als auch die Leistungsfähigkeit der Kollektoren. Strom wird bei dieser Inselanlage für ca. 40 Cent pro kWh produziert – in Deutschland kämen wegen der schlechteren Sonneneinstrahlung noch ein paar Cent obendrauf.

Solar Scheune Kirsche Energiewende

Ein realistischer Preis von vielleicht 45 Cent bei einer spezifischen Anwendung – muss das jemanden erschrecken? Nein. Schon heute, bei niedrigen Ölpreisen, ist der PV-Strom aus dem System in Griechenland billiger als der Strom aus dem Dieselgenerator. Die Feinstäube und das CO2, die der Generator emittiert, nicht eingerechnet. Es ist völlig unnötig, die Stromgestehungskosten aus Wind- und Sonnenkraftwerken schön zu rechnen oder die spezifischen Systemkosten zu verschweigen: Die Energiewende darf uns etwas kosten und man auch darf eingestehen, dass die Einspeisevergütung für EEG-Strom eine Subvention ist. Die Decarbonisierung der Energiewirtschaft hat ihren Preis, aber der liegt weit unter dem, den wir zu zahlen haben, wenn wir nicht mit Tempo in Richtung 100% Erneuerbare gehen. Wir dürfen der Wahrheit die Ehre geben, denn sie wird sich durchsetzen.

Noch dümmer als die Debatte um die Energiewende und die Preise sind nur noch die täglich eingehenden Meldungen, dass die neu errichtete Windkraftanlage in Kleinkleckersdorf den Strombedarf soundsovieler Haushalte decken wird. „Öko-Strom für über 4000 Haushalte“ titelte jetzt die Märkische Allgemeie. Der kleine Windpark reicht nicht aus, um auch nur ein Haus kontinuierlich mit Strom zu versorgen. Manchmal ist die Wahrheit zu komplex für den eiligen Lokaljournalisten. Menschen, die etwas mehr von der Materie verstehen, sollten bei der Energiewende die wahren Preise nennen. Denn auch bei der Energiewende gilt am Ende: Billig ist häufig das Gegenteil von gut.
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Diese Woche war ich im Interview bei Yellow-Bloghaus

 

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  1. Dominik Pöschel

    vor 10 Jahren

    Am meisten wird in der POLITIK gelogen!!!! Und wer steuert die Energiewende die POLITIK!!!!
    Bestes aktuelles Beispiel ist doch der nette Herr Edathy. Alles einfach ein verlogener Haufen. Alle in einen Sack stecken und drauf hauen denn man trifft immer den richtigen!!!!
    Seit der Einmischung der Politik leidet die Stromwirtschaft darunter. Der nette Herr Mappus der kam ja nach seinem Megadeal aus den Schlagzeilen nimmer raus und ein ganzes Unternehmen mit Ihm!!!!
    Die Politik zerstört die Energiewirtschaft!!!

  2. Dominik Pöschel

    vor 10 Jahren

    @ windmüller sicherlich gab es für die Energiewirtschaft andere Zeiten vor der Energiewende!!!! Nur die Vergangenheit der Energiewirtschaft in Zeiten der Änderung vorzuhalten ist nicht zielführend bringt nix weil man sowieso nix mehr ändern kann. Die Energiewirtschaft ist in einer Transformationsphase hat eine faire Chance verdient und man sollte am gelingen der Energiewende arbeiten und diese vorantreiben!!!
    Politisch sollte man darauf achten nicht kontraproduktiv auf die Energiewende einzuwirken indem man weiter auf Kohle setzt und das CO2 weiter in großen Mengen in die Luft schleudert. Was ist denn da Wahrheit oder Lüge???
    Sonst könnten wir ja z.B. der Automobilindustrie vorwerfen die Energiewende zu torpedieren weil nix voran geht mit den E-Autos. Daimler sonnt sich auch in fetten Gewinnen aber da sagt niemand was.
    Ich bin genau wie Sie für eine Umweltfreundliche Energieversorgung in der Zukunft nur jeder muss seinen eigenen Teil zum gelingen Beitragen und dazu gehört nicht nur die Energiewirtschaft alleine.
    Sehen Sie doch was der Herr Seehofer gerade macht mit den Transportnetzen macht, man will doch politisch die Energiewende oder hat man da etwa gelogen??
    Ich verkaufe seit 16 Jahren Strom und kann Ihnen sagen dass ich noch niemanden anlügen musste wenn er mich fragte wie sich sein Strompreis zusammen setzt.
    Ich freue mich wenn nach und nach die Konventionellen Kraftwerke weniger werden und der Grüne Strom günstig und sauber erzeugt wird und die Stromkosten für alle sinken!!
    Sollte das nicht eintreten kann man schauen wer lügt den das ist ja ein Ziel der Energiewende!!

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  3. Windmüller

    vor 10 Jahren

    @ Dominik - Satire sollte man auch als solche kennzeichnen. Die Politik macht die Stromversorger kaputt ? Die Gewinne der großen Stromversorger haben sich zwischen 2001 und 2008 versiebenfacht ! Eon jammerte 2007 bitterlich, man sitze auf 40 Mrd, und wisse gar nicht mehr wohin mit all der Kohle.
    Und die Laufzeitverlängerung hätte der Stromwirtschaft noch einmal Zusatzgewinne in zweistelliger Milliardenhöhe vor die Füße gekippt. Da war die Politik in Ordnung ? Politiker, welche artig waren, bekamen nach dem Ausscheiden aus der Politik ein schönes Pöstchen ( Wolfgang Clement ) Da war die Welt in Ordnung ?

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  4. Windmüller

    vor 10 Jahren

    Kompliment Herr Grass - voll ins Schwarze getroffen, besser hätte man es nicht ausdrücken können. Auch ich ärgere mich darüber, dass bei keinem Thema so gelogen wird, wie beim Thema Energie Ein Beispiel : RWE und Eon veranstalten in Großbritannien einen Wettlauf, wer die größten Offshorewindparks der Welt baut, Eon ist an London Array beteiligt, dem größten Offshorepark der Welt. Da setzt RWE nach, und baut den Triton Knoll Park, und wenn der fertig ist, beteiligt sich RWE am Doggerbank Projekt, einem Offshorepark vor der schottischen Ostküste, der alles bisher gebaute in den Schatten stellt. Und in Deutschland will man Geschichten von Hänsel und Gretel erzählen. Aber dieses Spiel ist nicht neu. Vor 30 Jahren gab es in Deutschland das Riesenwindrad Growian. Bei Growian wurden 75 Mio DM sehenden Auges verbrannt, um zu zeigen, dass man mit Wind keinen Strom erzeugen kann. Da ich von Natur aus Optimist bin, bin ich davon ausgegangen, dass wir zwei Politikergenerationen weiter sind, und erwachsen geworden sind. Aber da habe ich gewaltig daneben gelegen.

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