War watt? Die Energiewende im Netz

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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04. September 2014
Hubertus Grass Autor

Es gibt keinen besseren Weg, die persönliche Energiewende zu vollziehen, als Energie zu sparen – zum Beispiel durch Konsumverzicht. Produkte sind geronnene Energie. Wenn man sie nicht kauft, müssen sie nicht hergestellt werden. Sie im Bedarfsfall zu mieten oder zu teilen, sei ökologisch die bessere Variante, dachten wir.

Eine Studie von cavity kommt jetzt zu dem Ergebnis, dass Carsharing-Systeme die Mobilität in den urbanen Zentren eher verschlechtern, weil sie den besseren Alternativen, dem ÖPNV und dem Fahrrad, Konkurrenz machen. Die Carsharing-Betreiber kritisierten die Studie, weil die Datengrundlage falsch sei, das Öko-Institut bemängelte eine unzureichende Analyse.

Doch die Sharing Economy, jene neue Welt des Teilens statt des Besitzens, ist ins Gerede gekommen. Sascha Lobo sieht uns auf dem Weg in die Dumpinghölle, „…in der ausgebeutete Amateure nur dazu dienen, die Preise der Profis zu drücken.“ 
foodshare

Auch der Philosoph Byung-Chul Han geht in der Süddeutschen mit der neuen Ökonomie hart ins Gericht: „Die Ökonomie des Teilens führt zu einer Totalkommerzialisierung des Lebens.“ Bringt uns die digitale Vernetzung keinen Zuwachs an sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit, wie es uns Jeremy Rifkins prophezeite? Noch hat die Kommerzialisierung des Teilens über Internet-Plattformen nicht alle Nischen des Netzes erreicht. Foodsharing hat den Kampf gegen die Wegwerfgesellschaft bei den Lebensmitteln aufgenommen. Die Internet-Plattform fordert Privatpersonen, Händler und Produzenten auf, überschüssige Lebensmittel kostenlos anzubieten oder abzuholen und finanziert sich allein durch Spenden. Auch bei Mundraub geht es ums Essen. Die Plattform sammelt Fundstellen frei zugänglicher Früchte und will so einen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft leisten. mundraub

Das Teilen von Lebensmitteln ist in anderer Form auch Gegenstand bei der Solidarischen Landwirtschaft. Gesucht werden Menschen, die sich zusammen schließen, um die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs zu tragen, um im Gegenzug die Ernte zu erhalten. Einen ähnlichen Ansatz  verfolgt Makecsa mit dem Wahlspruch „Wir ackern gemeinsam“. Hier treffen sich ausschließlich Anhänger von Lebensmitteln in Bio-Qualität, die Landwirten aus der eigenen Region die Ernte vorfinanzieren. Keine der Plattformen verfolgt einen kommerziellen Ansatz.
Viele gute Beispiele der Sharing-Economy findet man auf Let’s share, wo unter anderem in Analogie zum Märchen Hans im Glück das von einem Jugendlichen betriebene Portal Tauschwunder zum Naturaltausch anregt.
Das recht skrupellose Auftreten des Fahrdienstes Uber, der sich noch nicht einmal an gerichtliche Auflagen hält, verdeckt in der öffentlichen Wahrnehmung, dass der Ökonomie des Teilens das Potential zum sozialen und ökologischen Fortschritt innewohnt. Ob, wie die Süddeutsche Zeitung meint, die Sharing Economy zur Demokratisierung der Wirtschaft beiträgt, muss sich erst noch beweisen. Was geteilt wird, muss nicht doppelt produziert werden. Das spart Material und damit Energie. Ob Wohnungen wie bei Airbnb kommerziell vermietet werden oder Schlafplätze bei Couchsurfing kostenfrei zur Verfügung stehen: Das Ergebnis ist in beiden Fällen eine bessere Auslastung vorhandenen Wohnraums.

Eine alte Form der Nachhaltigkeit, die dem Vergessen anheim zu fallen droht, ist das RepairReparieren. Auch diese Form des Energiesparens hat sich im Internet zu einer kleinen Bewegung vereint: den Repaircafes. Gemeinsames Reparieren verkleinert nicht nur den Müllberg, sondern stärkt das Gemeinschaftsgefühl in der Nachbarschaft und sorgt für den Know-how-Transfer zwischen den Generationen. Wie lässt sich durch Vernetzung Material und Energie sparen? Welche Möglichkeiten hat das Internet noch parat, um unsere Ökonomie nachhaltiger zu machen? Wo gibt es lokale Initiativen, die durch Teilen, Reparieren oder andere Formen der Selbstorganisation die Herstellung neuer Produkte überflüssig machen? Schreiben Sie doch einmal einen Leserartikel bei uns dazu.

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  1. Dominik Pöschel

    vor 10 Jahren

    Foodsharing, Carsharing das hört sich alles gut an ist aber im heutigen normalen Alltag kaum umzusetzen.
    Ein kleines Beispiel aus dem Leben: Meine Familie besteht aus 3 Personen und einem Hund. Wir sind beide Berufstätig unser Sohn ist in der Ganztagsschule und der Hund in der Tagespflege.
    Mein Tag beginnt um 5:00 Uhr in der Früh. Mit dem Hund Gassi gehen, mich fertig machen, Hund wegbringen und dann zur Arbeit. Meine Frau macht sich und unseren Sohn fertig und dann gehts ab zur Schule und zur Arbeit. Abends kommen wir wieder nachhause.
    Wir benötigen 2 Autos die wir nicht teilen können. Morgens haben wir keine Zeit eventuell fehlendes Essen zu teilen oder aus der Nachbarschaft zu besorgen des geht gar nicht!!!!
    Damit will ich sagen dass das heutige Leben diese Illusion von Foodsharing oder Carsharing nicht zu lässt sondern eine weitere Belastung darstellt.
    Um so etwas zu leben muss vieles geändert werden.
    Heut wird nix mehr repariert. Da hat man als Verbraucher doch gar keinen Einfluss drauf. Das bestimmt die Wirtschaft. Gerade beim Auto wird nur getauscht anstatt repariert.

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