War watt? Die Energiewende im Netz

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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17. Juli 2014

Aus Mitteln des von der Bundesregierung geförderten Forschungsclusters „Schaufenster Elektromobilität“ wurde ein Haus gebaut, das zeigt, wie die Energiewende funktionieren kann. Bauherr des Projekts ist die E-Lab Projekt GmbH, eine Projektgesellschaft des gemeinnützigen Stuttgart Institute of Sustainability Stiftung e.V. (SIS).

Das nach seiner Adresse in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung B10 genannte Gebäude stellt Cleanthinking in seinem Blog vor. Mit Innovationen wurde in diesem Projekt nicht gespart: In einem Tag gebaut, zu 100 Prozent recyclebar und mit einem selbstlernenden Gebäudeautomationssystem versehen erzeugt das Gebäude doppelt so viel Energie, wie es verbraucht. So kann es noch zwei Elektroautos und das benachbarte Weißenhofmuseum mit Strom versorgen. Das Aktivhaus hat eine eigene Webseite und kann ab sofort besichtigt werden.

Das Haus zeigt, was heute machbar ist, wenn wir Energieeffizienz vom Anfang bis zum Mehrging nichtEnde denken. Von solchen Zumutungen will Energie-Kommissar Oettinger die Europäer fernhalten. Das EU-Parlament hatte im Februar dafür votiert, bis zum Jahr 2030 die Effizienz um 40% zu steigern und war damit ambitionierter als die Kommission, die bislang ein Plus von 30 bis 35% vorgesehen hatte. Günter Oettinger, der für eine stärkere Europäisierung de Energiepolitik streitet, will die Latte noch einmal tiefer legen. Sein Entwurf sieht eine Absenkung des Primärenergieverbrauchs in der EU bis 2030 um 25 bis 29 Prozent vor. Auf das Jahr gerechnet wäre das eine Einsparung von weniger als einem Prozent – effizient ist das nicht. Greenpeace hatte jüngst vorgerechnet, dass sich durch eine konsequente Energiepolitik die Importe von fossilen Brennstoffen in der EU um 40% senken ließen.

Was Günther Oettinger offensichtlich fehlt, ist das Vertrauen in die Fähigkeiten der Ingenieure und Handwerker. Herr Kommissar, werfen Sie einmal einen Blick auf die Liste der Projektbeteiligten beim Aktivhaus B 10! An Know-how für mehr Energieeffizienz fehlt es offenbar nicht. Das meint auch die Bundesregierung, die Energieeffizienz schon zum Exportschlager auserkoren und eine entsprechende Initiative ins Leben gerufen hat.

Damit es in Deutschland besser funktioniert mit der Effizienz wurde in Frankfurt die Arbeitsgemeinschaft Energieeffizienz-Netzwerke Deutschland (AGEEN e.V.) gegründet –  ein gemeinnütziger Verein, der das Ziel verfolgt, energieeffiziente Lösungen mittels PCVernetzungKleinErfahrungsaustausch in Energieeffizienz-Netzwerken zu fördern. Die insgesamt 17 Gründungsmitglieder des Vereins sind allesamt namhafte Akteure im Bereich Energieeffizienz und an den derzeit 60 bestehenden Energieeffizienz-Netzwerken beteiligt. In den bisher betreuten Projekten wurde eindrucksvoll bewiesen: Kooperation lohnt sich, denn die teilnehmenden Betriebe steigerten ihre Energieeffizienz im Vergleich zum Rest der Industrie doppelt so schnell.

Die Unternehmensberatung Roland Berger hatte bereits 2011 in einer Studie nachgewiesen, dass in einzelnen Industriebranchen Effizienzsteigerungen von 50 Prozent realisierbar wären. Energieeffizienz, so der Studienleiter, werde als Beschäftigungsmotor und als Attraktivitätsfaktor immer wichtiger. Da die Investitionen auch rentabel wären, ist es umso verwunderlicher, wie langsam dieser Schatz gehoben wird.

Was meinen Sie: Brauchen wir ambitionierte Ziele in der EU und in Deutschland, um bei der Steigerung der Energieeffizienz einen Zacken zuzulegen? Warum werden die technisch vorhandenen Möglichkeiten so zaghaft abgerufen? Fehlt es an politisch gesetzten Anreizen?

Ohne eine höhere Energieefizienz ist die Energiewende nicht zu schaffen. Klimaschutz ohne Energieeffizienz kann nicht funktionieren. Mit einer höheren Energieeffizienz können wir die Kosten für die fossilen Importe, die die deutsche Volkswirtschaft mit fast 100 Mrd. Euro pro Jahr belasten, mittelfristig drastisch senken. Welchen Einsatz sind wir bereit zu setzen, um diese Gewinne zu realisieren?
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Up-Date: Australien hat als erstes Land der Welt den eingeschlagenen Pfad des Klimaschutzes über eine CO2-Abgabe wieder verlassen. EU-Energie-Kommissar Oettinger bekommt wegen seines restriktiven Kurses  bei der Energieeffizienz jetzt Gegenwind aus der eigenen Partei. „Ab nach Australien!“, so wird das politisch völlig unkorrekt bei Twitter zusammengefasst.

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  1. Dominik Pöschel

    vor 10 Jahren

    Ja wir brauchen ambitionierte Ziele innerhalb der EU was Energieeffizienz angeht. Zunächst wäre es unheimlich wichtig dass die EU viel mehr an einem Strang zieht, und alle Länder versuchen Energieeffizienz, Klimaschutz und auch umweltfreundliche Energieerzeugung umzusetzen. Das Problem ist, dass nicht alle Partnerländer der EU finanziell dazu in der Lage sind diese Ziele auch umzusetzen. Man darf nicht vergessen das einige EU Länder noch bis vor kurzem unter dem EU Rettungsschirm waren, Jugendarbeitslosigkeit und Korruption dort zu bekämpfen sind. Das sind vermutlich die Gründe warum zum einen die technischen Möglichkeiten nur zaghaft abgerufen werden.
    Erst wenn diese Dinge bei den anderen Ländern im Griff sind können dort auch neue Ziele gefasst werden. Bis dahin können wir unseren eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen um ein gutes Beispiel zu sein dass es auch so funktioniert.

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