War watt? Die Energiewende im Netz

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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10. Juli 2014

Jeden Monat ermittelt Ebuzzing Labs die einflussreichsten Blogs im Internet. Eingeteilt in 27 Kategorien von „Alltagsleben und Vermischtes“ bis hin zu „Wissenschaft und Forschung“ wird die mediale Wirkung der Blogs basierend auf Parametern wie Verlinkung auf andere Blogs und Teilung der Beiträge auf Facebook und Twitter gemessen. In der Kategorie „Energie und Umwelt“ liegt im Juli der Blog stromhaltig auf dem Spitzenplatz vor energynet und der Energiezukunft.

Lesenswert sind alle drei. Und auch bei den im Ranking nachfolgenden Blogs ist die eine oder andere Perle zu entdecken, bei der sich ein Besuch umwelt- und energiebewegter Surfer und Surferinnen lohnt. Der von Ebuzzing gemessene Einfluss ist allerdings relativ: Energie- und Umweltpolitik mögen politisch und gesellschaftlich von Bedeutung sein, bei den Blogs fristet das Thema ein Schattendasein. Im Gesamtranking aller Blogs landet WLANPort Kleinder Spitzenreiter aus der Kategorie „Energie und Umwelt“ auf Platz 362Spitzenreiter aller Blogs ist mit dem Postillon ein Medium, das sich der Wahrheit nicht über Fakten, sondern via den Lachmuskeln nähert.

Lässt sich dieses erfolgreiche Rezept des Postillons für Energie- und Umweltthemen kopieren? Vielleicht ein Thema für die „Unkonferenz“ zur Energiewende – das Barcamp Renewables 2014? Die Energieblogger laden zusammen mit dem Regionalmanagement NordHessen am 19. und 20. September zur dritten Runde ihres Austausches rund um die Energiewende ein. Die Veranstaltung kann man sowohl als Teilnehmerin als auch als Sponsor unterstützen.  

Wer am politischen Hick-Hack rund um die Energiewende leidet und der Politik es nicht mehr allein zutraut, das Projekt zum Erfolg zu führen, kann Hoffnung und Motivation in der Gründerszene nachtanken. Andreas Kühl stellt seine Start-up-Favoriten aus dem Bereich Energie vor, die ihm beim diesjährigen Ecosummit, der Innovationskonferenz mit den grünen Ideen, auffielen.

Die Stromgemeinschaft Lumenaza ist eines dieser Start-ups, die für Bewegung auf dem Energiemarkt von morgen sorgen. Lumenaza bringt auf einer Internetplattform eine Gemeinschaft von Öko-Stromerzeugern und Verbrauchern aus Berlin-Brandenburg zusammen und will damit einen regionalen, intelligent gesteuerten Markt mit dezentraler Produktion, Speicherung und flexiblem Verbrauch von Strom entwickeln. Die Gründer, Dr. Christian Chudoba (CEO) und Dr. Bernhard Böhmer (CTO)haben in Physik promoviert, verstehen etwas von Datenmanagement und Software und folgen einer Vision: Was beim Gemüse funktioniert, geht auch beim Strom – Ökoware aus der Region für die Region.

Dem Fraunhofer ISE verdient sich immer wieder Meriten dabei, Transparenz in den deutschen Strommarkt zu bringen. Die dort zur Verfügung gestellten Daten und Charts  lassen kaum Wünsche offen. Das Chart mit den aktuellen Preisen und Produktionsdaten weist für diese Woche aus, dass die Kilowattstunde am Spotmarkt derzeit für unter 4 Cent zu haben ist.

Die Strompreise in Deutschland sind viel zu hoch„, ist das Credo von BDI-Chef Grillo. Daniel Wetzel, Wirtschaftsredakteur und Reporter der Welt, errechnete Anfang des Jahres „Deutsche Strompreise 48 Prozent über EU-Schnitt“. Eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag des Bundesverbandes Erneuerbare Energie zeigt nun auf, dass die in Europa von Eurostat erhobenen Vergleichsdaten der Mastkleinindustriellen Strompreise methodische Fehler aufweisen. Insbesondere der Strombezugspreis für die energieintensive Industrie liege fern der Wirklichkeit. Real läge er mit 4,8 Cent/KWh unter dem in US-Staaten mit vergleichbarer industrieller Struktur. Die Studie steht im Netz.

Und was zahlt die Industrie jetzt wirklich? Wer trägt die Kosten der Energiewende? Wo sind die Gewinner und Verlierer? Im ganzen Wust der zur Verfügung stehenden Daten gewinnt man am Ende den Eindruck, dass die Interessenvertreter sich wechselseitig die Taschen voll lügen in ihrem Begehren, mögliche Lasten abzuwälzen und der Gemeinschaft aufzubürden. Ehrlichkeit und Lobbyismus – so weit voneinander entfernt wie die Erde von Alpha Centauri.

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