War watt? Die Energiewende im Netz

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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04. Juli 2014

Die EEG-Novelle ist durch den Bundestag und das Urteil des EuGH in dieser Woche erlaubt weiterhin nationale Regelungen für den Öko-Strom. Jetzt darf fröhlich bilanziert werden, wer in diesem Teil-Prozess der Energiewende verloren hat. Die Energie-Experten sehen Strom aus Sonne, Wind, Biomasse und Wasser als die Verlierer.

Auf der Seite der Verlierer sehen sich auch die Verbraucher, die gleich neben einem DAX-Konzern stehen: Als „verheerendes Signal“ bewertet die BASF die Novelle. Wenn die alte Weisheit „viel Feind, viel Ehr“ noch gilt, hat sich der Bundeswirtschafts- und Energieminister mit der Novelle einen ganz, ganz dicken Lorbeerkranz verdient.

Schaut man über die EEG-Novelle hinaus und sucht nach den Verlierern der Energiewende im Allgemeinen, scheint der Kreis derer, die lauthals Klage führen, kein Ende zu nehmen. Selbst ein Baukonzern wie Bilfinger will sich hier in eine Schlange einreihen, in der der BDI, der Mittelstand, der VKU, die Verbraucher und das Gewerbe schon lange stehen. Und die vier großen Energiekonzerne? Sie haben durch die Energiewende wohl am meisten Federn gelassen. Verlierer sind Dutzende von Solarunternehmen, Investoren, Projektentwickler und und und.

FortschrittspessimistenIn einem politischen Großprojekt wie der Energiewende, das so viele Opfer zurück lässt, scheint einiges schief zu laufen. Im zweiten Teil ihres Artikels „Vom Hoffnungsträger zum Sündenbockbeschreibt Tina Ternus, mit welchen Organisationen und Mechanismen Industrie und Energieunternehmen Einfluss auf die Gestaltung der Energiewende genommen haben, wie sie versuchten, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und die Stimmung zu drehen. In ihrer Aufzählung fehlen die großen Abteilungen für Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying von RWE, Eon, Vattenfall und EnBW, die sowohl in Berlin als auch in Brüssel Weichen in ihrem Sinne bzu stellen suchen. BDEW, VKU und die großen Stromversorger beschäftigen in der Summe mehr Fachleute für Energiepolitik als alle Fraktionen des Deutschen Bundestages zusammen.

Ein Blick auf die Entwicklung der Wirtschaftskraft der Energieunternehmen zeigt aber: Sehr erfolgreich kann dieses massive Lobbying nicht gewesen sein, denn weder den großen noch den mittleren Energieversorgern geht es gut. Die Bilanzen sprechen da eine eindeutige Sprache. Felix Matthes vom Öko-Institut meint sogar: „Die großen Energieversorger könnten in absehbarer Zeit Pleite gehen.“

Ob große oder kleine Erzeuger, ob  Verbraucher, Wirtschaft oder Gewerbe: Alle stöhnen und fast alle haben belastbare Argumente. Und notwendige Investitionen bleiben, wie Thorsten Zoerner berichtetselbst bei den letzten Monopolisten des Systems, den Übertragungsnetzbetreibern, auf der Strecke, wenn nicht bald etwas passiert.

Als am 9. November 1989 die DDR mit dem Mauerfall sichtbar implodierte, stand die deutsche Politik vor einer riesigen, globalen Herausforderung. Wie geht man damit um? Helmut Kohl präsentierte einen Zehn-Punkte-Plan und die Dinge nahmen einen halbwegs geregelten Verlauf. Daran hat sich jetzt Sigmar Gabriel erinnert: Große Herausforderung braucht Zehn-Punkte-Plan.   

Aber nicht nur im Forum vom SPON hielt sich die Begeisterung über die Agenda in Grenzen, denn im Plan steht nur drin, was er anpacken will, aber nicht wie. Und damit fehlt weiterhin das, was alle Akteure in der Energiewirtschaft vermissen: Sicherheit. Sicherheit für kommende Investitionen, Sicherheit über den ungefähren Weg, Planungssicherheit. Und Gabriels Plan ist noch kein Plan, sondern die Ankündigung, einen Plan zu entwickeln. Die Herausforderung Deutsche Einheit hat Helmut Kohl mit seinen Zehn-Punkten vor 25 Jahren genauer vermessen. Und die Zehn-Punkte allein haben die Herausforderung nicht gestemmt.

Ein Runder Tisch für die Energiewende
Prof. Grunwald hat diese Woche im Blog Explore House darauf verwiesen, dass die Energiewende keine Aufgabe allein für Ingenieure und Manager sei, sondern ein Gemeinschaftswerk. Da könnte Gabriel anknüpfen. Zum Aufräumen gab es in der DDR nach 1989 keinen Zehn-Punkte-Plan, sondern dort wurden Runde Tische eingerichtet, an denen die alten und neuen Akteure zusammen saßen, um die Probleme zu sichten und Lösungen zu finden. Ein Runder Tisch für die Energiewende – vielleicht ist das die bessere, weil demokratische Idee?

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