Wie gelingt die Energiewende in der Stadt?
Am 29. Juni 2017 diskutierten bei den Urban Energy Talks 2017 rund 60 Personen in der Stuttgarter Location „Das Büro“ mit Experten über die Energiewende in der Stadt unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten und über verschiedene Disziplinen hinweg.
Die Energiezukunft ist dezentral: Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien ist vor allem die Erzeugung von Strom aus Sonne und Wind sowie Biomasse in ländlichen Regionen im Aufwind. Aber wie steht es um die Energiewende in der Stadt? Welche Potenziale birgt der urbane Raum? Welche smarten Lösungen gibt es, für die die städtischen Regionen besonders gute Voraussetzungen bieten? Wie werden sich die Stadtquartiere und die Art des Wohnens ändern? Fragen über Fragen, auf die wir gemeinsam mit euch bei den Urban Energy Talks Antworten gefunden haben.
Das erste Highlight des Nachmittags war gleich zu Beginn die Keynote von Dr. Chirine Etezadzadeh. Die Leiterin des SmartCity.institute gab einen umfassenden Überblick zur Stadt der Zukunft, die resilient sein muss. Daher spielt die smarte Versorgung von Wohnraum bis Energie und Transport eine hohe Bedeutung.
Anschließend dazu fand in zwei Diskussionsrunden mit insgesamt sechs Panels der intensive Austausch unter den Teilnehmern mit den Fachexperten statt.
Dabei erhielt die Gruppe um Simon Becker von Cabin Spacey Infos aus erster Hand zum Wohnkonzept des Berliner Start-ups. In der Diskussion wurde deutlich, mit welchen Emotionen teilweise die Ansprüche an die eigene Wohnung beladen sind. Wie die urbane Energiewende durch Innovationen besser gelingen kann, war der Schwerpunkt in der Runde, die Kai Mainzer vom KIT Karlsruhe leitete. Wobei die Infrastruktur eine nicht minder wichtige Rolle spielt auf dem Weg zur smarten Stadt: Unter Leitung von Julie Weiss von der EnBW AG hinterfragten die Teilnehmer die notwendige Infrastruktur im Jahr 2030
Einen wesentlichen Beitrag zur urbanen Energiewende kann auch durch eine intelligente Stadtplanung geleistet werden – so die Quintessenz des Panels von Dr. Stephan Anders von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Im Panel von Susanne Schatzinger vom Fraunhofer IAO wurden neue, nachhaltige Mobilitätsbedürfnisse diskutiert und gesammelt, wobei viele kreative Ergebnisse gefunden wurden. Ebenso kreativ ging es beim Panel von Dr. Birger Becker vom FZI zur intelligenten Steuerung zu Werke. Dabei gelangten die Teilnehmer zur Erkenntnis, dass ein „cooles“ Produkt definiert werden muss, welches einen Mehrwert für den Kunden bietet.
Neben vielen neuen interessanten Kontakten brachte der Nachmittag auch die Erkenntnis, dass ein Gelingen der Energiewende in der Stadt nur im Zusammenspiel zwischen allen Disziplinen zu schaffen sein wird. Durch die Urban Energy Talks wurde hierzu ein erster kleiner Schritt vollzogen und dank aller Teilnehmer und Redner ein durchaus erfolgreicher.
Keynote der Veranstaltung
Dr. Chirine Etezadzadeh
Inhaberin, Institutsleitung, SmartCity.institute
Dr. Chirine Etezadzadeh (Volkswirtin) leitet das SmartCity.institute (Ludwigsburg, Stuttgart, Köln) sowie die Wissensplattform SmartCityNews.global und ist Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Smart City (BVSC) e.V. Während ihres Werdegangs arbeitete sie für einen deutschen Premium-Automobilhersteller, einen führenden amerikanischen Automobil-Zulieferer sowie als Unternehmensberaterin in der Energiewirtschaft. Seit dem Sommersemester 2014 hält Dr. Etezadzadeh Vorlesungen zum Thema „Produktentwicklung für Smart Cities“ an der Technischen Hochschule Köln. Ihr Essential „Smart City – Stadt der Zukunft?“ ist im Herbst 2015 in deutscher und englischer Sprache im Springer Verlag erschienen.
Panel-Leiter der Veranstaltung
Nach der Keynote wurde in verschiedenen Panels diskutiert.
Wie stellst du dir die Zukunft des Wohnens vor?
Simon Becker
Gründer, CABIN SPACEY
Simon Becker hat an der Hafencity Universität und an der TU Berlin grundständig Architektur studiert. Sein Themenschwerpunkt lag neben der klassischen Ausbildung zum Architekten auf Stadt im Kontext der soziökonomischen Trends, die unsere Zukunft bestimmen werden.
Urbane Mobilität, nachhaltige Stadtentwicklung, Smart City und Entrepreneurship sind dabei die Themen, die ihn zu seiner ersten Unternehmung gebracht haben. Im April 2016 gründete er mit Andres Rauch ein Projekt zur Entwicklung von nachhaltigen, minimalen Wohnräumen für die Stadt: CABIN SPACEY.
Wie kann die Stadtplanung die Energiewende fördern?
Dr. Stephan Anders
Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), Stuttgart
Der Fokus des Architekten und Stadtplaners Dr.-Ing. Stephan Anders liegt auf der Stadt- und Quartiersplanung. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ist er gemeinsam mit Susanne Schatzinger vom Fraunhofer IAO verantwortlich als leitender Projektkoordinator der FutureCitiesBW-Initiative im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg. Bei der DGNB leitet er die System Abteilung und setzt sich für die Entwicklung nachhaltiger urbaner Quartiere ein.
Welche Innovationen fördern die Energiewende in der Stadt?
Kai Mainzer
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – Lehrstuhl für Energiewirtschaft
Der Diplom-Wirtschaftsingenieur Kai Mainzer ist Mitarbeiter am Lehrstuhl für Energiewirtschaft des KIT im Bereich Erneuerbare Energien und Energieeffizienz und beschäftigt sich unter anderem mit der Modellierung städtischer Energiesysteme. Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit entwickelt er beispielsweise Methoden zur Abschätzung der lokalen Potenziale für Erneuerbare Energien in Städten und Gemeinden und gibt diesen Werkzeuge an die Hand, mit denen sie den sozio- und techno-ökonomisch optimalen Entwicklungspfad zur Erreichung ihrer Emissionsminderungsziele bestimmen können.
Urbane Infrastruktur von morgen
Julie Weiss
EnBW Energie Baden-Württemberg AG
Nach ihrem Studium der Produktionstechnik mit Schwerpunkt Energietechnik / Energiewirtschaft begann Julie Weiss ihren beruflichen Werdegang zunächst im Nachwuchsförderungsprogramm der Netze BW GmbH. Anschließend verantwortete sie innerhalb der Stabstelle der Geschäftsführung den Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur im öffentlichen und halböffentlichen Raum und wirkte an der Vorbereitung und Verhandlung eines Kooperationsmodells mit der Landeshauptstadt Stuttgart für den Betrieb der Strom- und Gasnetze mit.
Nach einem Wechsel zur Konzernmutter EnBW arbeitet Julie Weiss seit 2015 als Managerin Geschäftsfeldentwicklung und Dienstleistungssteuerung im Themenfeld „urbane Infrastruktur“. Dabei gehört die strategische Bewertung des Geschäftsfeldes urbane Infrastruktur und Quartiersentwicklung zu ihren Hauptaufgaben.
Urbane Mobilität – wie bewegen wir uns nachhaltig in der Stadt von morgen?
Susanne Schatzinger
Fraunhofer IAO, Stuttgart
Die Diplom-Geographin ist Projektmitarbeiterin am Fraunhofer IAO im Bereich Urban Systems Engineering und forscht unter anderem über die smarte Stadt der Zukunft im Rahmen der FutureCitiesBW-Initiative, für die Susanne Schatzinger gemeinsam mit Stephan Anders von der DGNB als leitende Projektkoordinatoren tätig ist. Nach Studium in Tübingen am Geographischen Institut und Aufenthalten in Shanghai und Peking für ein Mandarin-Studium begann sie 2011 ihre Karriere in der Fraunhofer-Gesellschaft. Anfang 2017 begleitete sie in einer Delegation Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach Indien, um dort u.a. die FutureCitiesBW-Initiative vorzustellen.
Welchen Beitrag können intelligente Steuerungen für die Energiewende in der Stadt leisten?
Dr. Birger Becker
FZI - Forschungszentrum Informatik, Karlsruhe
Dr. Birger Becker studierte von 2003 bis 2009 Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Seine Diplomarbeit mit dem Titel „Steuerung von smart-home-Architekturen unter Einbindung intelligenter elektrischer Verbraucher und mobiler Speicher“ führte er am Institut für Angewandte Informatik und Formale Beschreibungsverfahren (AIFB) durch und arbeitete dort im Anschluss von 2009 bis 2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Im April 2011 wechselte er zum FZI und baute die Abteilung Intelligente Information und Kommunikation in Technischen Systemen (IIK) auf, die er seit 2011 leitet. Zudem war er maßgeblich am Aufbau des FZI House of Living Labs beteiligt und leitet seit April 2012 das FZI Living Lab smartEnergy. Im Jahr 2014 promovierte er am KIT zum Dr.-Ing. mit dem Thema „Interaktives Gebäude-Energiemanagement“.
Im März 2016 gründete Dr. Birger Becker die EnQS GmbH als Spin-Off des FZI und entwickelte das FZI Living Lab smartEnergy zum Test- und Prüflabor nach BGI 891 weiter. Das Team der EnQS berät und unterstützt seine Kunden bei der Auswahl, Integration, Validierung und Qualitätssicherung von Energiemanagement-Lösungen.