Ausblick auf die Urban Energy Talks diesen Donnerstag in Stuttgart: Während Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zur Steuerung von Stromnetzen vor wenigen Jahren noch häufig als theoretische Forschungsthemen eingeordnet wurden, ist die Notwendigkeit IKT-basierter Systeme in den zukünftigen Smart Grids inzwischen weitestgehend Konsens. Dies soll nicht heißen, dass Smart Grids ohne klassische z. B. regelungstechnische Komponenten auskommen werden. Vielmehr liegt der Schlüssel des Erfolgs der Energiewende in der intelligenten und vor allem bedarfsgerechten Kombination von Elektrotechnik und Informatik.
Ohne IKT keine smarte Energiewende
Im Projekt grid-control entwickelt das FZI Forschungszentrum Informatik zusammen mit dem Verteilnetzbetreiber Netze BW und sieben anderen Partnern aus Forschung und Wirtschaft Algorithmen und Mechanismen für den koordinierten Einsatz von steuerbaren Komponenten in modernen Nieder- und Mittelspannungsnetzen. Dazu wird am FZI ein Gebäude-Energiemanagementsystem (GEMS) entwickelt und in einem Feldtest erprobt, um Flexibilitäten in Gebäuden zu identifizieren und entsprechende Flexibilitätsoptionen effizient durch externe Marktteilnehmer abrufbar zu machen. In einem kontinuierlichen Prozess überwacht das GEMS die Einhaltung eines vorgegebenen Fahrplans. Weicht dieser von der Prognose bzw. Vorgabe durch den externen Marktteilnehmer ab, wird die Abweichung, wenn möglich, mit lokalen Flexibilitäten ausgeglichen. Dabei kommen insbesondere entsprechend angebundene Erzeugungsanlagen, steuerbare Verbraucher sowie Speichersysteme zum Einsatz. Ist ein lokaler Ausgleich nicht möglich, werden eine neue Fahrplan-Prognose sowie die damit einhergehenden Flexibilitäten berechnet und wieder an den externen Marktteilnehmer kommuniziert.
Lokale Flexibilitäten gleichen Prognose-Abweichungen aus
Im Fokus des Projekts grid-control steht die anwendungsnahe Untersuchung der verschiedenen Phasen des Netzampelkonzepts: Während in der grünen Ampelphase die unterschiedlichen Komponenten im Verteilnetz entsprechend den Anforderungen der externen Marktteilnehmer optimiert werden, ist es in der roten Ampelphase alleinige Aufgabe des Netzbetreibers, den sicheren Netzbetrieb wiederherzustellen. In der gelben Ampelphase erfolgt ein koordiniertes Zusammenspiel. Um die verwendeten Komponenten, Schnittstellen, Steuerungsverfahren und Algorithmen möglichst praxisnah zu erproben, wird ein Feldtest in einem ländlichen Netzsegment der Netze BW im Schwarzwald durchgeführt. Auf Basis seiner über 30-jährigen Erfahrung als Einrichtung für Informatik-Anwendungsforschung und Technologietransfer schlägt das FZI im Projekt grid-control die Brücke zwischen Forschung und Industrie.
Transfer praxisnaher Erkenntnisse aus der Wissenschaft zugunsten der Energiewende
Ebenfalls mit dem Transfer praxisnaher Erkenntnisse aus der Wissenschaft zu den unterschiedlichen industriellen Akteuren der Energiewende beschäftigt sich das Team der EnQS GmbH, die im Jahr 2016 von Dr.-Ing. Birger Becker als Spin-Off des FZI Forschungszentrum Informatik gegründet wurde. Der Firmensitz der EnQS ist im FZI House of Living Labs, einer umfangreichen Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsplattform. Auf Basis der Erkenntnisse aus zahlreichen Forschungsprojekten am FZI insbesondere in Bezug auf dezentrale Gebäude-Energiemanagementsysteme zur lokalen Koordination von Energieflüssen berät das Team der EnQS seine Kunden und unterstützt bei der Planung, Entwicklung und Qualitätssicherung neuer Produkte. Im Vordergrund stehen dabei strukturierte Ende-zu-Ende Tests der Gesamtsystems sowie die Qualitätssicherung neuer Produkte.
Energiemanagement bedeutet zusätzliche Komfort- und Mehrwertdienste
Auf dem Markt sind immer mehr Produkte verfügbar, die Flexibilitäten innerhalb von Gebäuden (z. B. PV-Wechselrichter, Batteriespeichersysteme, Wärmepumpen) identifizieren und zum Teil sogar bereits nutzbar machen. Diese Entwicklung steht aber noch ganz am Anfang. Energiemanagement wird in den meisten Fällen mit zusätzlichen Komfort- und Mehrwertdiensten verbunden werden (Visualisierung von Energieflüssen, Smart Home Funktionalität). In diesem Themenfeld berät und unterstützt das Team der EnQS seine Partner bei der Auswahl, der Integration, der Validierung und der Qualitätssicherung von Energiemanagement-Lösungen. Dazu gehört insbesondere auch der Aufbau von Prototypen, der häufig Kompetenzen aus Elektrotechnik und Informatik erfordert. Begleitend zur Durchführung der jeweiligen Tests erfolgt eine kontinuierliche Evaluation der Ergebnisse, so dass Verbesserungspotential aufgezeigt und konkrete Maßnahmen mit dem Auftraggeber abgestimmt werden.
Urban Energy Talks am 29.6. diskutieren u.a. „grid-control“
Der Erfolg der Energiewende hängt entscheidend vom Gelingen einer intelligenten Koordination sehr stark heterogener Komponenten auf allen Netzebenen ab. Dazu sind klassische und moderne Verfahren und Systeme der Elektrotechnik ebenso wichtig wie IKT.
Uli
vor 7 JahrenIch war im Panel, gute Diskussion! Und realistischer Ansatz: Lösungen müssen nicht nur intelligent, sondern auch cool sein. Gefiel mir gut. Wir wollen ja ehrlicherweise auch nicht alles ständig selbst steuern, nur eben die Möglichkeit dazu haben. Allerdings bin ich privat bzgl. total durchprogrammiertem Zuhause eher skeptisch... Es bleibt spannend.