Die Energielandschaft hat sich in den vergangenen Jahren durch die rasante Entwicklung der Erneuerbaren Energien grundlegend verändert. Die Politik hat sich lange Zeit damit begnügt, an einzelnen Stellschrauben zu drehen anstatt das gesamte System auf neue Beine zu stellen. Nun hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit dem Weißbuch Eckpunkte für das künftige Strommarktdesign vorgelegt. Ein richtiger und notwendiger Schritt hin zu einem Energiemarkt, der fit ist für die Zukunft.
Die im Weißbuch aufgeführten Maßnahmen und Handlungsfelder sind überwiegend schlüssig hergeleitet und zeigen in die richtige Richtung. Die Entscheidung für eine Kapazitätsreserve und gegen Kapazitätsmärkte begrüße ich ausdrücklich, weil Letztere veraltete konventionelle Strukturen nur künstlich am Leben gehalten hätten. Allerdings lassen die Maßnahmen in ihrer Summe Zweifel aufkommen, ob damit strukturbedingte Probleme zu überwinden sind und der angestrebte Rollentausch zwischen erneuerbaren und konventionellen Kapazitäten tatsächlich stattfinden kann. Für eine vollständige Transformation des Energiesystems wäre einiges mehr notwendig: Wir müssen die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität konsequent aneinander koppeln, die fossilen Must-Run Kapazitäten signifikant reduzieren sowie eine Flexibilisierung des Gesamtsystems anstoßen.
Strom, Wärme und Mobilität: Externen Kosten endlich internalisieren
Ausgerechnet das erst 2014 novellierte EEG schafft jedoch mit dem neuen Paragrafen 24 einen Anreiz, Erneuerbare Energien zukünftig bei negativen Börsenstrompreisen abzuregeln und nimmt dem System damit ein wichtiges Signal zur Flexibilisierung. Es kann nicht sein, dass unflexible, fossile Kraftwerke bei negativen Preisen weiter munter einspeisen, während sauberer und günstiger Windstrom abgeregelt wird. Das ist energiewirtschaftlicher Unsinn und untergräbt den Einspeisevorrang der Erneuerbaren Energien. Das Bundeswirtschaftsministerium hat diese Problematik erkannt und im Weißbuch eine Überprüfung angekündigt. Mein Standpunkt ist klar: Die Regelung gehört abgeschafft. Sollte sich sie Politik nicht dazu durchringen können, muss eine praktikablere Lösung gefunden werden, die eine vollständige Entschädigung beinhaltet.
Die Windenergie kann und will im Energiemarkt der Zukunft Verantwortung für das Gesamtsystem übernehmen. Dafür ist ein diskriminierungsfreier Zugang zum Regelenergiemarkt notwendig. Dieser muss flexibilisiert werden, indem die Ausschreibungszeiträume und die Produktlängen verkürzt werden. Auch das BMWi will laut Weißbuch die Märkte für Sekundärregelleistung und die Minutenreserve für neue Anbieter öffnen. Die Windenergie kann aber mehr. In Kombination mit Speichern ist sie in der Lage auch bei der Primärregelleistung eine wichtige Rolle zu spielen. Hier greift das Weißbuch leider deutlich zu kurz.
Die Strommarkttransformation kann meiner Meinung nach am Ende aber nur gelingen, wenn wir die externen Kosten fossiler Energieträger endlich internalisieren, d.h. sichtbar machen. Es reicht nicht aus, lediglich auf den seit langem schwächelnden Emissionshandel zu verweisen ohne eine wirkungsvolle nationale Alternative zu benennen. Es ist ein Skandal, dass die „Klimaabgabe“ noch vor der Veröffentlichung des Weißbuchs am Protest der konventionellen Energiewirtschaft gescheitert ist. Diese muss aber endlich in ihre Pflicht genommen werden, damit die Erneuerbaren Energien im Energiemarkt der Zukunft faire Wettbewerbsbedingungen vorfinden.
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