Ausgerechnet im Öl-Staat Texas: Zwei Milliarden US $ will der US-Stromnetzbetreiber Oncor in die Hand nehmen, um Tausende von Batterie-Speichern mit einer Gesamtleistung von fünf Gigawatt zu bauen. So will der Konzern das Problem mit der fluktuierenden Einspeisung aus Wind- und Solarkraftwerken in den Griff bekommen. Als Lieferant wurde, wie die Nachrichtenagentur Blomberg berichtete, Tesla Motors angefragt.
Fast parallel zur Meldung aus den USA kam die Nachricht, dass Daimler Benz im sächsischen Kamenz die einzige deutsche Fabrik im nächsten Jahr schließen wird, die Batteriezellen für Elektroautos herstellt. Die Konzern-Tochter Li-Tec liefert die Speicher für den Elektro-Smart. Die Zellen, so Daimler, lägen qualitativ an der Weltspitze, aber die Produktion in relativ kleiner Serie sei zu teuer. Künftig werde man die Speicher aus Südkorea beziehen. Am Standort verbleibt die Firma Accumotive, ebenfalls ein Daimler-Unternehmen, das in Forschung und Entwicklung von Batteriezellen engagiert ist.
Vorne in der Forschung bei den Speichern, hinten in der Massenfertigung? Verabschiedet sich Deutschland dauerhaft von der industriellen Herstellung der Speicher in Großserie? Sehen wir hier eine vergleichbare Entwicklung wie bei der PV-Produktion, wo deutsche Firmen noch vor wenigen Jahren die Standards setzten und zehntausende von Arbeitsplätzen schufen, die mittlerweile fast alle gen China, Indien und auch in die USA abgewandert sind?
Als Zentrum der deutschen Batterieforschung hat sich Ulm etabliert. Am dortigen Helmholtz-Institut kooperieren das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Universität Ulm sowie als assoziierte Partner das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Das Exzellenzzentrum für elektrochemische Energiespeicherung startete vor drei Jahren und konnte jetzt einen zwölf Millionen Euro teuren Neubau beziehen. “Wir brauchen bessere Speichermöglichkeiten, sonst ist die Energiewende nicht zu schaffen,“ meinte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka bei der Einweihung, verriet aber nicht, wie die Politik die Brücke zwischen Forschung und Technologie auf der einen Seite und der Massenproduktion auf der anderen zu schlagen gedenkt.
Während Deutschland forscht, schaffen andere industrielle Fakten. 6.500 Arbeitsplätze werden in der Gigafactory von Tesla erstehen, in der jährlich Speicher für 500.000 Pkws produziert werden sollen. Fast ein Drittel der Produktion wird nicht Elektroautos antreiben, sondern als stationäre Speicher dienen.
Wenn uns vor fünf Jahren jemand erzählt hätte, die Amerikaner würden in sehr naher Zukunft einmal bessere Autos bauen als die Deutschen und die Premiumhersteller Daimler, Porsche und Audi auf wichtigen Zukunftsmärkten wie dem in Kalifornien abhängen, dann hätten wir herzlich über diesen Scherz gelacht. Heute ist die nahe Zukunft schon Realität.
Die Energiewende beschleunigt den technologischen Wandel. Europas größter Akku für Ökostrom ging vor wenigen Wochen ans Netz. In Mecklenburg-Vorpommern stabilisiert jetzt ein vom regionalen Stromversorger Wemag betriebener Speicher das Stromnetz. Man vergleiche die Leistung von 5 MW mit dem 5 GW Vorhaben von Oncor in Texas – eine Differenz um den Faktor 1.000. Dabei ist Europas größter elektrochemischer Energiespeicher kein deutsches Produkt, die Zellen stammen vom südkoreanischen Hersteller Samsung SDI, der auch für die Installation der Anlage verantwortlich zeichnet.
Als Erfinder der Energiewende hat Deutschland kein Patent darauf, dass Innovationen, die durch die Energiewende angestoßen werden, die Zahl der Arbeitsplätze in der heimischen Industrie wachsen lassen. Die Entwicklung auf dem Markt für Elektroautos lässt Schlimmeres befürchten: Es droht die Gefahr, dass wir in unseren industriellen Paradedisziplinen wie dem Automobilbau ins Hintertreffen geraten. Schon bei der Serienfertigung von Hybridfahrzeugen hatte Toyota den deutschen Konkurrenten den Schneid abgekauft. Jetzt wiederholt sich das bei der Brennstoffzellentechnologie. Man braucht dem Zukunftsforscher Lars Thomsen in seiner – für den traditionellen Automobilbau – pessimistischen Sicht nicht zuzustimmen, aber die von ihm in lockerer Rede skizzierte Gefahr sollte deutschen Wirtschafts- und Energiepolitikern zu denken geben. (siehe unten das Video).
Dass wir in Forschung und Entwicklung auch bei den Speichern in der ersten Liga spielen, stellte dieser Tage das Institut für Thermische Verfahrenstechnik am KIT erneut unter Beweis. Im Forschungsbereich „Thin Film Technology“ gelang es den Wissenschaftlern nach dreijähriger Forschungsarbeit, eine völlig neuartige Beschichtungstechnologie bei der Herstellung von Elektrodenfolien, den Herzstücken elektrochemischer Speicher, zu entwickeln. Das Verfahren erlaubt nun eine bis zur vierfache höhere Geschwindigkeit in der Produktion und wird die Kosten der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien drastisch senken.
Ob dieser Erfolg deutscher Forschung wieder nur Früchte in Gestalt von Patentgebühren tragen wird? Oder können wir in diesem und noch anderen Fällen unter Beweis stellen, dass sich industrielle Massenproduktion in Deutschland noch dauerhaft rentiert? Oder wird es am Ende heißen: Die Energiewende wurde in Deutschland erfunden, in Asien und den USA wird sie produziert?
https://www.youtube.com/watch?v=eQGdSBXXY_4
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Up-Date v. 24.11.2014: Wie SPON heute berichtet, wird evtl. doch ein Teil der Wertschöpfung bei der Herstellung von Stromspeichern in Deutschland stattfinden: Tesla plant, eine Batteriefabrik in Deutschland zu bauen. Der Plan, den der Spiegel in der Überschrift ankündigt, stellt sich beim Lesen jedoch als typische SPON-Übertreibung heraus. „Ich gehe davon aus, dass Tesla auf lange Sicht eine Batteriefabrik in Deutschland errichten wird. “ sagte Tesla-Chef Elon Musk. Das ist noch kein Plan, aber ein Schimmer der Hoffnung in der drohenden automobilen De-Industrialisierung.
Windmüller
vor 10 JahrenDie Geschichte mit dem Batteriespeicher von sagenhaften 5 Gigawatt zeigt den Unterschied zwischen den USA und Deutschland. In den USA macht man das, in Deutschland hätte man den Untergang des Abendlandes herbeigeredet, die Umsetzung des Morgenthau Planes und die Deindustrialisierung unseres Landes..
Wenn wir die Zukunft weiter so zaghaft angehen, wird es Deutschland in 20 Jahren noch sehr schwer haben.