Das „Smarte Zuhause“ aus Sicht des Verbraucherschutzes

Gastautor Portrait

Dr. Thomas Engelke

Leiter Team Energie und Bauen beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)

Dr. Thomas Engelke leitet seit 2016 das Team Energie und Bauen im Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.. Zuvor war er seit 2004 im Hanse-Office, der Gemeinsamen Vertretung Hamburgs und Schleswig-Holsteins bei der EU in Brüssel mit Schwerpunkt Energiepolitik tätig. Der studierte Biologe leitete zwischen 1993 und 2004 den Bereich Biotechnologie in der Landesregierung Schleswig-Holstein mit einer einjährigen Unterbrechung als Nationaler Experte bei der Europäischen Kommission.

weiterlesen
25. Juli 2019

Die Digitalisierung zieht in unser Zuhause ein

Entwicklung "Smarter Haushalte" in Deutschland

Grafik: statista

Immer mehr Menschen in Deutschland nutzen Smart Home. Waren es im Jahr 2018 etwa sechs Millionen Haushalte mit mindestens einer Smart Home Anwendung, soll sich die Zahl bis 2023 mehr als verdoppeln. Der Umsatz für das Jahr 2019 wird bundesweit auf 3,5 Milliarden Euro geschätzt und soll sich bis 2023 ebenfalls verdoppeln.

Mit Smart Home Anwendungen werden Gebäudetechnik und Haushaltsgeräte gesteuert. Es geht um Heizung, Lüftung, Beleuchtung und Sicherheitssysteme genauso wie um Waschmaschinen, Herde, Fernseher und Kommunikation. Die Geräte sind über eine zentrale Steuereinrichtung vernetzt, die wahlweise mit der Außenwelt kommunizieren kann oder nicht. In der Regel fungiert heute ein Rooter als Schnittstelle nach außen.

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sehen Smart Home kritisch

In einer vom vzbv im Jahr 2018 in Auftrag gegebenen Umfrage gaben 49 Prozent der Befragten an, kein Interesse an Smart Home Produkten zu haben. Diese Gruppe hatte insbesondere vier Gründe für ihr Desinteresse: mangelnden Mehrwert (64 Prozent), Angst vor Weiterleitung von Daten an Unbefugte (49 Prozent), Angst, dass Kriminelle das System hacken oder manipulieren könnten (47 Prozent) und zu hohe Kosten (47 Prozent).

Das Versprechen, mit Smart Home Geld und Energie zu sparen, wird wohl nicht aufgehen

Die Idee war gut. Digitale Zähler würden den Stromverbrauch besser visualisieren, Verbraucher den Verbrauch besser verfolgen, ihr Verhalten ändern und damit Strom sparen. Daraus wird wohl nichts. Zwar speichern alle digitalen Stromzähler Verbrauchsdaten – im Gegensatz zu den heutigen schwarzen Ferraris-Zählern. Aber auch die digitalen Zähler werden überwiegend im Keller hängen. Manchmal muss man sich noch einen Schlüssel vom Hausmeister holen, weil der Zählerraum verschlossen ist.

Hinzu kommt, dass vernetzte Smart Home Geräte 24 Stunden online sein müssen. Und auch das wird keinen Strom einsparen, im Gegenteil.

Anders könnte die Rechnung bei der Steuerung von Heizungen ausfallen. Anstatt den ganzen Tag durchzulaufen, könnte die Heizung von unterwegs vor Ankunft eingeschaltet und damit Energie gespart werden. Sparsame Verbraucher, die die Heizung nur bei Anwesenheit anschalten, hätten dagegen keinen Vorteil. Hier spielen also auch Gewohnheiten eine wichtige Rolle.

Smart Meter werden voraussichtlich Zusatzkosten für Verbraucher verursachen

Verbraucher müssen in der digitalen Zukunft genauso abgesichert sein wie in der analogen Welt

Dr. Thomas Engelke, Leiter Team Energie und Bauen beim Verbraucherzentrale Bundesverband

Auch diese Idee war einmal gut: Verbraucher sollten mit Hilfe von Smart Metern kostengünstig Haushaltsgeräte betreiben können, wenn der Wind weht, die Sonne scheint und Strom im Netz billig zu haben ist. Die Entwicklung sieht leider anders aus. Zunächst einmal kosten die Smart Meter Geld: Je nach Stromverbrauch sind das 23 bis 100 Euro im Jahr. Dazu kommen Kosten für den Einbau, wenn der alte Zählerschrank nicht passt. Ob diese Kosten beim Verbrauch wieder eingespart werden können, ist mehr als fraglich.

Variable Stromtarife gibt es in Deutschland bisher nur spärlich. Aber selbst wenn Verbraucher ihre Stromtarife variieren könnten, wird ein Haushalt mit einem durchschnittlichen Stromverbrauch voraussichtlich nicht einsparen, sondern draufzahlen. Das legt eine Studie nahe, die im Auftrag des vzbv erstellt wurde.

Die Entwicklung von Smart Home findet in einem lückenhaften und unübersichtlichen Markt statt

Verbraucher müssen in der digitalen Zukunft genauso abgesichert sein wie in der analogen Welt. Daraus ergeben sich eine Reihe von Forderungen aus Sicht des Verbraucherschutzes, zum Beispiel:

  • Grundsätzlich müssen Hersteller und Händler nicht nur für das Gerät, sondern auch für die Software haften. Die Nachweispflicht, dass kein Problem mit der Software vorliegt, muss beim Händler liegen und darf nicht auf den Verbraucher abgewälzt werden. Die Verfügbarkeit von Updates muss auch über die Gewährleistungsdauer hinaus sichergestellt werden. Sicherheitsupdates müssen kostenlos sein. Dafür müssen Haftungslücken bei der Gewährleistung des Handels oder der Produkthaftung der Hersteller geschlossen und die EU-Richtlinie über digitale Inhalte angepasst werden.
  • Die Vernetzung darf nicht dazu führen, dass die Lebensdauer der Geräte begrenzt wird. Das gilt insbesondere für langlebige Produkte wie Waschmaschinen oder Kühlschränke. Die Gewährleistungsdauer sollte deutlich über zwei Jahre angehoben werden. Auch sollten gleiche Standards für alle Geräte gelten, damit sie miteinander kombinierbar sind. Die Inkompatibilität der Standards von Zigbase, Z-Wave, EnOcean, Thread, Dect UE ist nicht verbraucherfreundlich.
  • Immer wieder kommt es zu Datenlecks. Nicht durch Passwörter geschützte Dateien oder Datenbanken, illegal eingebaute Mikrophone oder einsehbare Kameraaufnahmen geben Einblicke in das Privatleben, die ohne Digitalisierung nicht möglich waren. Die IT- und Datensicherheit muss verbessert und im Produkthaftungsrecht besser berücksichtigt werden, damit Missbrauch und Manipulation durch unerwünschten Zugriff vermindert werden kann.

Neue Möglichkeiten für Verbraucher durch Digitalisierung der Energiewende

Die Energiewende hätte ohne Digitalisierung nicht stattgefunden. Waren es vor Jahrzehnten noch wenige tausend Kraftwerke für die Stromproduktion, speisen heute allein fast zwei Millionen überwiegend kleine Solaranlagen auf den Dächern von privaten Verbrauchern in das Stromnetz ein. Hinzu kommen die vielen dezentralen Windanlagen. Die Entwicklung der Erneuerbaren Energien und damit die Möglichkeit der Teilhabe der Verbraucher sind mit der Digitalisierung untrennbar verbunden.

Wahlfreiheit ist ein hohes Gut. Verbraucher müssen sich auch künftig für ein Smart Home oder ein digitales Zuhause frei entscheiden können.

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

Das „Smarte Zuhause“ aus Sicht des Verbraucherschutzes
5
2