War watt? Energiewende schafft Arbeit

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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01. Dezember 2016
War watt? ist die energiepolitische Kolumne unseres Moderators Hubertus Grass, der seit nunmehr 30 Jahren für die Energiewende streitet.

Die Energiewende ist ein Projekt von gigantischem Ausmaß. Abgesehen von der Deutschen Einheit hatte in unserer Geschichte keine andere politische Entscheidungen einen dermaßen großen Einfluss auf unser Leben: Auf Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung, Bildung und Ausbildung, Gesellschaft, Sozialstaat, Natur und Arbeitswelt. Kaum ein Bereich, der von den Auswirkungen der Energiewende nicht tangiert wird. Die Energiewende vernichtet Arbeitsplätze bei den traditionellen Kraftwerksherstellern, im Bergbau, in der Energieerzeugung und bei den Zulieferern dieser Branche. Gleichzeit entstehen neue Arbeitsplätze bei den Anlagenbauern für die Erneuerbaren Energien, den Dienstleistungsunternehmen, in neu entstehenden, meist smarten Branchen und in Wissenschaft und Forschung. Und was bleibt im Saldo? Neue Studien zeigen einen eindeutigen Trend: Die Energiewende schafft Arbeit.

In der Energiewirtschaft der Vergangenheit war Größe der entscheidende Wettbewerbsvorteil auf dem Markt. In Economies of Scales sinken die Produktpreise pro Stück (hier: Kilowattstunde) umso stärker, je größer die Produktionseinheiten sind.  Ein Kraftwerk mit einer Leistung von 1.000 MW ist bei den Fixkosten (Stammbelegschaft, Abschreibung, Wartung etc.) gegenüber einem Kraftwerk mit einer Leistung von 100 MW klar im Kostenvorteil. Je größer die Investitionen, desto geringer die Arbeitsplatzeffekte pro Produkteinheit. Die Energiewende hebt diese Effekte nicht völlig auf. Auch eine größere Windturbine macht pro Leistungseinheit weniger Arbeit als eine kleine. Die Effekte sind jedoch wesentlich geringer als in der alten Energiewirtschaft.

Eine umfangreiche Studie belegt nun für Baden-Württemberg die überwiegend positiven Energıewende schafft ArbeıtEinflüsse der Energiewende auf Wachstum und Beschäftigung. Die Untersuchung im Auftrag vom dortigen DGB und dem Umweltministerium, durchgeführt von der Hans-Böckler-Stiftung, sieht vor allem die Erschließung neuer Geschäftsfelder (Energiedienstleistungen, Contracting und in der Sektorkopplung) und den Export von Klimaschutz- und Energietechnologien als treibende Job-Motoren. Insgesamt wirke die Energiewende, so die Autoren, „langfristig positiv auf Einkommen und Arbeitsplatzsicherheit.“

Energiewende schafft Arbeit für höher Qualifizierte

Arbeit ist nicht gleich Arbeit. Mit der Energiewende wachsen die Anforderungen an die Energiewirtschaft. Ein Trend wie die Digitalisierung verlangt von den Beschäftigten nicht nur ein hohes Ausbildungsniveau, sondern auch die Bereitschaft, sich ständig anzupassen. Ständige Fortbildung wird zur Pflicht. Sich häufig verändernde gesetzliche und technologische Rahmenbedingungen erhöhen den Stress. Es braucht mehr denn je Mitarbeiter, die sozial kompetent, teamfähig und mit der Kompetenz zur Eigeninitiative ausgestattet sind. Kleinere und mittlere Unternehmen, so die Studie, haben im derzeitigen Wettbewerb auf dem Energiemarkt Vorteile gegenüber Großunternehmen.

2014 arbeiteten in Baden-Württemberg 56.500 Menschen in Branchen, die sich der Energiewende zurechnen lassen. Ca. 60 Prozent davon sind im Bereich der erneuerbaren Energien beschäftigt. Die anderen verdienen ihr Geld mit der Energieeffizienz von Gebäuden und in Unternehmen (19.000) sowie beim Netzausbau (600).

Bundesweit sorgt Energiewende für Aufschwung

Die Ergebnisse der Untersuchungen in Baden-Württemberg decken sich mit denen, die eine Energiewende schafft Arbeit deutschlandweite Studie der Unternehmensberatung PwC lieferte. Im Auftrag der Bundesregierung hatte PwC untersucht, wie sich das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 auf Wirtschaft und Beschäftigung auswirkt. Auch hier ist das eindeutige Ergebnis: Energiewende schafft Arbeit. Die Berechnung der Berater bewerten die ökonomischen Impulse des Programms allein für das Jahr 2020 mit einem Plus von rund 430.000 neuen Arbeitsplätzen. Kurzfristig würden die Kosten von Klimaschutz und Energiewende den Nutzen übersteigen. Auf lange Sicht aber ergeben die Berechnungen aber Einsparungen von fast 150 Milliarden Euro. (Wir werden diese Studie in Kürze hier im Blog vorstellen.)

Energiewende und Klimaschutz sind umweltpolitisch unverzichtbar. Die jetzt vorliegenden Studien zeigen in großer Klarheit, die Energiewende schafft Arbeit. Und nicht nur das. Der Umweltschutz zwingt uns zu Veränderungen und Innovationen, die die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft erhöhen. Wenn Energiewende und Klimaschutz umweltpolitisch nicht geboten wären, müsste man sie aus wirtschaftspolitischen Gründen erfinden.

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