War watt? Auf Politik warten? Energiewende machen!

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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04. März 2016
War watt? ist die energiepolitische Kolumne von Hubertus Grass. Hier geht es um die Energiewende. Wie bekommen wir die gut hin?

Wir sind Zeugen der massivsten globalen Umweltveränderung seit vielen Millionen Jahren. Wir haben diese Veränderung, den Klimawandel, selbst angestoßen. Wir wissen nicht, ob wir den einmal in gang gesetzten Prozess jemals wieder stoppen können. Und vor wenigen Monaten in Paris konnte man für einen kurzen Moment den Eindruck bekommen: Okay, die Weltgemeinschaft hat es kapiert. Jetzt wird sich nicht alles, aber vieles ändern. Wer heute, ein Vierteljahr nach Paris, noch so denkt, muss einsehen, dass er sich getäuscht hat: Politik ist ein verdammt träges System mit engen Spielräumen. Die EU stellte diese Wochen klar, mehr Klimaschutz, wie in Paris vereinbart, wird es vorerst mit ihr nicht geben. Soll man sich darüber aufregen? Besser ist: Ärmel aufkrempeln und Energiewende machen.

Die EU hat alle Hände damit zu tun, die alte, bestehende Beschlusslage umzusetzen und Flabartbereitet ein umfangreiches Gesetzgebungspaket vor. Festzulegen ist darin z. B., welche CO2 -Reduktion jedes EU-Mitgliedsland bis 2030 erbringen muss. Bei der Energieeffizienz und dem Anteil der erneuerbaren Energien gilt seit 2014 ein EU-weites, aber unverbindliches Ziel von jeweils 27 %.
Dass nach Paris alles so bleibt, wie es ist, versuchen Umwelt-, Entwicklungs-, und Kirchenorganisationen zu verhindern. Sie fordern eine Anhebung der EU-Klimaschutzziele und schrieben offene Briefe an Bundesministerin Hendricks und Bundesminister Gabriel. Anlässlich der Tagung des EU-Umweltministerrates weisen die 26 Organisationen und Verbände darauf hin, dass die bisherigen EU-Klima- und Energieziele nicht im Einklang mit den auf der Weltklimakonferenz in Paris international bekräftigen Klimazielen stehen.

Ob sich in Europa dieser Tage noch etwas bewegt? Die Forderungen sind logisch und nachvollziehbar, aber gehören dennoch in die Kategorie „frommer, unerfüllbarer Wunsch“. Europa hat dieser Tage andere Sorgen als den Klimaschutz. Es geht um den Frieden, in Syrien und in der Ukraine, die Flüchtlinge, die Abstimmung der Briten über den Austritt und und und. In Europa steht der innere Zusammenhalt auf dem Spiel, der Umweltschutz spielt dabei kaum eine Rolle. Man kann froh sein, wenn die EU und ihre Staaten das Abkommen von Paris ratifizieren. Hoffnungen, dass das Pariser Abkommen genutzt werde, „um Sektoren wie den Verkehr, die Landwirtschaft oder Gebäude stärker in den Klimaschutz einzubeziehen“,  sollte man sich dieser Tage gar nicht erst machen. In Polen geht es unter der neuen Regierungspartei mit Volldampf zurück ins Kohlezeitalter, den Betreibern von Windkraftanlagen droht Gefängnis

Energiewende machen – in Sachsen geht es mit 500 Mio. Euro los

Auf die Vorgaben der Politik sollte dieser Tage niemand warten. Besser beraten ist, wer die Sache selbst in die Hand nimmt. Energiewende machen, können wir alle. Bei den Energiebloggern findet man zum Beispiel immer wieder Anregungen: Wer in Berlin in der richtigen Gegend wohnt, kann Kiezstrom beziehen. Darüber berichtet der Kollege Andreas Kühl in seinem Blog energynet: „Die Berliner Energieagentur hat in Hellersdorf eine neue Photovoltaik-Anlage in Betrieb genommen und bietet den vor Ort erzeugten Strom den 44 Mietern des Gebäudes der Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft mbH an. Zusätzlich zum günstigen Kiezstrom erhalten neue Kunden eine Stromsparberatung und ein Energiesparset.“
Mehr und mehr wird über die Wärmewende diskutiert, die bislang aus den Kinderschuhen noch nicht heraus gekommen ist. Der Blog enwipo hat sich dieser Tage des Themas Wärmenetze angenommen und heraus gearbeitet, wann Energiewende machen bei diesem Thema lohnt.

Und dann gibt’s ja noch das Ding mit der Eigenversorgung. Und da kommen gute Nachrichten aus einem Freistaat, der sonst anderweitig in den Medien vertreten ist. Der Daimler, sonst eher in BaWü unterwegs, schickt sich an, Tesla in Sachsen Konkurrenz zu machen. Im ersten Schritt werden, so berichtet das Manager-Magazin, am bekannten Standort in Kamenz 500 Millionen Euro investiert, um eine neue Batteriefabrik zu bauen.
Das ist zwar noch nicht die Giga-Fab, die kostet das Siebenfache, aber ein Anfang. Und die Konkurrenz, sie liegt in Dresden gleich um die Ecke, schläft nicht. Wie aus sicherer Quelle zu erfahren war, legt nun auch Solarwatt resp. BMW mit der Massenproduktion bei den Solarspeichern los. Noch ist nicht klar, wo die BMW-Batterien gebaut werden.
Was ist so besonders an der Produktion der Speicher? Es ist die Unabhängigkeit von politischen Entscheidungen. Niemand fragt, ob es eine Förderung gibt. Niemand spekuliert, ob sich die politischen Rahmenbedingungen ändern. Niemand wartet mehr auf die Politik. Ob privat oder als Unternehmer: einfach Energiewende machen.

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  1. Windmüller

    vor 9 Jahren

    Dem kann man nur zustimmen. So viel habe ich gelernt, Veränderung geht nur über "Graswurzelmethode". Wer auf die Segnungen der Politik warten will, der wird enttäuscht.

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