Elektromobilität als Schlüsseltechnologie für die Verkehrs- und Energiewende

Gastautor Portrait

PD Dr. rer. pol. Patrick Jochem

Leiter der Forschungsgruppe "Transport und Energie”, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Patrick Jochem studierte Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Bayreuth, Mannheim und Heidelberg. 2009 schloss er seine Promotion im Bereich Transportökonomie an der Universität Karlsruhe (TH), gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), ab. Seit 2009 leitet er die Forschungsgruppe "Transport und Energie” am Institut für Industriebetriebswirtschaftslehre und Industrielle Produktion (IIP) und Deutsch-Französischem Institut für Umweltforschung (DFIU) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und ist Post-Doc am Karlsruhe Service Research Institute (KSRI).

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10. April 2019

Energie- und Verkehrswende

Mit der Energiewende möchte Deutschland in den kommenden Jahren eine signifikante Umweltentlastung realisieren: Ziel der Bundesregierung ist eine Reduktion der CO2-Emissionen von mindestens 40% bis 2020 und 80% bis 2050 gegenüber 1990. Hierzu soll auch der Verkehrssektor einen Beitrag leisten und somit nahezu emissionsfrei werden. Neben einer Diversifizierung der Verkehrsmittelwahl – durch sogenannte multimodale Wege, die insbesondere zu einer erhöhten Nutzung nicht-motorisierter Verkehrsmittel führt –  spielt die Elektromobilität für den motorisierten Individualverkehr eine zentrale Rolle. Bereits in wenigen Jahren sollen eine Million batteriegetriebene Autos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Mit den heutigen Marktanteilen von unter einem Prozent und einem Ziel für 2030 von ca. 12% ist Deutschland im internationalen Vergleich bei weitem kein Musterschüler.

Steigende Netzbelastung durch Elektromobilität

Abbildung 1: Bevorzugter und meist genutzter Ladeort: Zuhause (BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, Energietrends 2019)

Grafik: BDEW

Der steigenden Marktanteil an E-Pkw wird maßgeblich zur Verkehrs- und Energiewende beitragen, allerdings gleichzeitig auch das Stromsystem beeinflussen. Wenn konventionelle Fahrzeuge durch E-Pkw ersetzt werden, stellen diese als neue Verbraucher eine zusätzliche Stromnachfrage dar.

Dabei ist die Energienachfrage – gerade wenn sie in den Nachtstunden geschieht – im Vergleich zur Gesamtstromnachfrage fast vernachlässigbar. Jedoch kann eine hohe Gleichzeitigkeit der Ladeprozesse mit hoher Ladeleistung im Verteilnetz zur Herausforderung werden – insbesondere, da viele Berufspendler zu ähnlichen Zeiten zuhause eintreffen und (vor allem in ländlichen Gegenden) am liebsten zuhause laden (vgl. Abbildung 1). Dass diese Lastspitze mit der bereits bestehenden Spitzenlast der Haushalte zusammenfällt, verstärkt die Problematik aus Netzsicht. Technisch erscheint es als offensichtliche und einfach umzusetzende Lösung, die Lasten der Ladevorgänge in die Nachtstunden zu verschieben. Ob die Nutzerinnen und Nutzer dies akzeptieren, ist jedoch noch weitgehend ungewiss.

Zahlreiche Forschungsprojekte

Individuelle Netzanalysen werden aufgrund zunehmender Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen immer wichtiger

PD Dr. rer. pol. Patrick Jochem

Aufgrund der steigenden Marktdurchdringung von E-Pkw und der damit verbundenen zusätzlichen Stromnachfrage gewinnen individuelle Analysen zu Netzauswirkungen immer mehr an Bedeutung. Da die zusätzlichen Lasten von E-Pkw zu kritischen Netzsituationen führen können, müssen die relevanten potenziellen Schwachstellen im Netz rechtzeitig identifiziert werden. So sollen Netzengpässe oder eine Beschädigung der Betriebsmittel vermieden werden.

 Auch am Lehrstuhl für Energiewirtschaft des Instituts für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) werden die Netzauswirkungen von Elektrofahrzeugen untersucht.

Im Rahmen eines Projekts des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg (SDA BW) erfolgt eine Analyse der Netzauswirkungen durch künftig vermehrt auftretende Ladevorgänge von E-Pkw. Dabei wird die Verkehrsdynamik von Stuttgart zugrunde gelegt und darauf aufbauend die Auswirkungen auf das Stromnetz für identifizierte Hotspots (aus Verkehrs- und Netzsicht) analysiert.

Im Projekt IILSE (Interoperabilität von Induktiven LadeSystemen für E-Pkw) geht es um den Einfluss des Ladens von E-Pkw auf das Stromnetz für eine baden-württembergische Kleinstadt. Darüber hinaus werden auch Auswirkungen von Schnellladesäulen entlang der Autobahn auf die 110-kV-Netzebene untersucht. Als Ergebnis sollen alternative Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, um einen evtl. notwendigen (kostenintensiven) Netzausbau zu vermeiden.

Mit welchen Auswirkungen auf das Stromnetz ist zu rechnen?

Abbildung 2: Transformatorauslastung unter Berücksichtigung von E-Pkw

Wie bereits ausgeführt, generiert die  künftig zu erwartende zunehmende Marktpenetration von E-Pkw eine zusätzlich zu versorgende Energienachfrage. Eine steigende Anzahl von E-Pkw stellen damit das Stromnetz und insbesondere das Verteilnetz vor neue Herausforderungen.

Um die Auswirkungen durch die Ladevorgänge von E-Pkw zu veranschaulichen, ist in Abbildung 2 die Auslastung eines Transformators dargestellt. Abgebildet sind drei Szenarien: keine Elektrofahrzeuge sowie 100% Marktdurchdringung von E-Pkw (mit einer jeweiligen Ladeleistung von 3,7 kW bzw. 11 kW).

Die Auslastung steht in unmittelbarem Zusammenhang zur Durchdringung und der Ladeleistung. Zu erkennen ist, dass die Auslastung des Transformators bei zunehmender Ladeleistung deutlich ansteigt. Bei einer Ladeleistung von 11 kW liegt sie über der maximalen Kapazitätsgrenze (100%), der Transformator ist somit überlastet. Werden alle Fahrzeuge allerdings mit einer Ladeleistung von 3,7 kW geladen, ist eine vollständige Marktdurchdringung (100%) von E-Pkw ohne eine Überlastung des Transformators möglich.

Gefährdung der Netzstabilität durch Elektromobilität?

Elektromobilität leistet einen großen Beitrag zu einer erfolgreichen Verkehrs- und Energiewende

PD Dr. rer. pol. Patrick Jochem

Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass für Stromnetze keine bzw. nur sehr selten Engpässe bei der zusätzlichen Versorgung von E-Pkw zu erwarten sind. So kann es zwar bei einer hohen Marktdurchdringung und einer hohen Ladeleistung zu einer übermäßigen Netzbelastung kommen. Bei einer geringen Ladeleistung entstehen aber unabhängig von der Marktdurchdringung selten kritische Netzsituationen.

Für die Belastung der Netze ist also nicht die Anzahl der E-Pkw entscheidend, sondern die Gleichzeitigkeit der Ladevorgänge sowie die zugehörige Ladeleistung. Durch Anreizmechanismen für eine flexible Ladesteuerung sowie für netzdienliches Verhalten der E-Pkw Nutzer ist auch bei einem (zukünftig) großen Marktanteil an E-Pkw eine optimale Nutzung der vorhandenen Netzinfrastruktur möglich. Übermäßige (kostenintensive) Netzinvestitionen können somit vermieden werden. Gleichzeitig ist gewährleistet, dass selbst bei einer großen Anzahl von E-Pkw weder die Netzstabilität noch die Versorgungssicherheit in Gefahr sind. Durch gesteuertes Laden lässt sich sogar die fluktuierende Einspeisung von erneuerbaren Energien besser nutzen, da deren Abregelung vermieden werden kann.

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