„Zahlen Sie getrennt oder geht es zusammen?“ Wer diese Standardfrage aus der Gastronomie bei der Energiewende stellt, wird alles bekommen. Nur keine vernünftige Antwort. Dabei sollte es einfach sein: Maßnahmen, Gesetze und Förderprogramme werden beschlossen, verursachen Kosten und zeigen Wirkungen. Wofür wurde wie viel ausgegeben? Welche Folgen sind – gewollt oder ungewollt – eingetreten? Was jeder kleine Verein nach Erhalt einer öffentlichen Förderung leisten muss, überfordert die Bundesregierung. Werden wir sie irgendwann einmal bekommen – die Rechnung für die Energiewende?
„Unkoordiniert, uneinheitlich und teilweise redundant.“ So heißt es im Bericht des Rechnungshofs über die Energiewende. Dieses Zitat ist allerdings schon drei Jahre alt. Die Kritik am politischen und administrativen Management der Energiewende ist folglich nicht neu. Eingehend hatte sich der Bundesrechnungshof 2014 damit befasst, wie die schwarz-gelbe Koalition die Energiewende managt. Schon damals fiel der Bericht desaströs aus.
Während 2014 noch die gesamte Bundesregierung in der Kritik stand, fokussiert sich der Rechnungshof dieses Mal aufs Bundeswirtschaftsministerium. Das Haus von Sigmar Gabriel ist für die Gesamtkoordination der Energiewende zuständig. Im Schreiben vom 21. Dezember 2016 an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages empfehlen die Prüfer:
- „Der Bund muss sich an zentraler Stelle einen umfassenden Überblick über die finanziellen Auswirkungen der Energiewende verschaffen. Nur dann kann eine fundierte Entscheidung über Ausbau und Grenzen der Energiewende getroffen werden. Der Bundesrechnungshof empfiehlt, diesen Gesamtüberblick in den jährlichen Monitoringbericht des BMWi zur Energiewende aufzunehmen und fortzuschreiben.
- Das Monitoring der Energiewende muss im Hinblick auf die Zielarchitektur optimiert werden. Die Ziele Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit müssen genauso konkretisiert, bewertet und quantifiziert werden wie das bereits ausreichend quantifizierte Ziel Umweltverträglichkeit. Dabei sollten Obergrenzen mit Blick auf eine Ausweitung der Kosten der Energiewende aufgezeigt werden. Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit müssen als begrenzende Faktoren für die Weiterentwicklung der Energiewende wahrgenommen werden.
- Für die Umsetzung der Energiewende müssen durchgängig konkrete Ziele benannt und kontinuierlich Wirkung und Effizienz der Maßnahmen überprüft werden. Ferner muss die Vergleichbarkeit von Programmen hergestellt werden (z. B. CO2-Einsparung pro Förderung).
- Mitnahmeeffekte müssen vermieden und ineffiziente Programme eingestellt werden.
- Die Ergebnisse des Monitorings der Energiewende müssen in die künftige Förderstrategie fließen. Das Fördercontrolling der Energiewende muss umfassend durchgeführt werden.“
(Sowohl der Bericht des Rechnungshofes an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages als auch die Stellungnahme des BMWi dazu stehen bei den Klimarettern zum Download.)
Ist das möglich? Über Kosten und Nutzen der Energiewende sachlich zu streiten?
Prof. Andreas Löschel, Lehrstuhlinhaber Mikroökonomik insbesondere Energie- und Ressourcenökonomik an der Uni Münster, streitet für die Energiewende. Er ist Chef des wissenschaftlichen Beirats zur Überwachung der Energiewende. Indikatoren für Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit habe die Monitoringkommission bereits entwickelt. Leider passiere in der Politik nichts. „Die Kritik an der fehlenden Maßnahmenevaluierung ist richtig“, sagte er der FAZ. „Es gebe zu viele Programme, und deren Wirkungen würden nicht hinreichend überprüft.“
Problem ist: Über Kosten und Nutzen der Energiewende sachlich zu reden, ist in Deutschland nahezu unmöglich geworden. Es gibt immer Streit über die Rechnung. Viele Befürworter der Energiewende missverstehen Kostendebatten als Generalangriff auf die Energiewende. Für die Bewahrer des Status quo ist jeder zuviel ausgegebene Euro ein willkommenes Argument, das gesamte Projekt der Energiewende in Frage zu stellen.
Trotz des schwierigen gesellschaftlichen Klimas möchten wir einen Versuch wagen, bei der Energiewende mal nach der Zwischenrechnung zu fragen. Rechnung zu legen, das heißt ja auch, erbrachte Leistungen darzulegen. In den nächsten Wochen wollen wir hier im Blog Einzelaspekte der Kosten- und Leistungsrechnung der Energiewende aufrufen. Wie ist es etwa mit der Verteilung der Kosten? Ist die sozial und Verursacher gerecht? Wie ist des mit der Wirtschaft? Trägt sie die Hauptlast bei der Energiewende? Die ganze Wirtschaft? Und wer profitiert? Finanzieren wir mit der Energiewende, wie es das Öko-Institut dargelegt hat, den Umbau auf ein CO-freies System, das ähnlich viel kostet wie das fossile System?
Call for papers
Wir würden uns freuen, wenn unsere Leserschaft an diesem Schwerpunkt mitwirkt. Wie beurteilen Sie das Verhältnis von Kosten und Nutzen der Energiewende. Wenn Sie zu Teilaspekten Zahlen, Daten und Fakten beisteuern können, dann schreiben Sie uns. Wir sind auch dankbar für Hinweise auf Studien, Untersuchungen und andere Argumente. Beteiligen Sie sich. So ein großes Projekt wie die Energiewende braucht Klarheit. Bei den Kosten wie beim Nutzen.
Windmüller
vor 8 JahrenAusgezeichneter Artikel Herr Grass ! Auch ich ärgere mich immer wieder darüber, dass bei den Kosten sehr unehrlich zu Werke gegangen wird. In der Stromrechnung werden alle erdenklichen Kosten aufgeführt, die Ökoenergien als Kostentreiber hinstellen. Hohe Kosten im fossilen Bereich tauchen selbstverständlich in der Stromrechnung NICHT auf. Aber ich bin bei dem Thema mittlerweile gelassen. Die Fakten sprechen eine klare Sprache. Frankreich bietet ein gutes Beispiel. In 2016 wurden dort Windräder mit 1500 MW errichtet, 43% mehr, als im Vorjahr. 2018 wollen die Franzosen bei 15.000 MW installierter Windkraft angekommen sein. Komisch, wenn man bedenkt, dass die Franzosen ja angeblich so billigen Atomstrom haben. Windräder mit zusammen 15 GW kosten ja nicht mal eben Kleingeld, und doch machen die Franzosen das, weil es augenscheinlich Sinn macht.
Matthias Grobleben
vor 8 JahrenDie Energiewende wird vom "Aktionsbündnis gegen die Süd-Ost Trasse" unterstützt, bekämpft wird jedoch der überdimensionierte Netzausbau.
Dieser überdimensionierte Netzausbau basiert auf auf extremer Lobbyarbeit in Deutschland wie in Brüssel. Durch diese Lobbyarbeit werden innovative Neuansätze im Keim erstickt und das aktuelle System lediglich weiterverfolgt und größer gestaltet.
Mit diesem Ansatz wird auch verhindert, dass die Industrie unter Druck gesetzt wird neue Technologien voranzutreiben und so neue Ansätze zu ermöglichen.