War watt? Die Energiewende im Netz

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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20. Juni 2014

Wer die (Energie-)Zukunft verstehen will, sollte ab und an konzentriert zurück blicken. Die Kollegin Tina Ternus vom Photovoltaikbüro hat sich den Verlauf der öffentlichen Debatte über die Energiewende in den letzten sechs Jahren genauer angeschaut. Was die diplomierte Physikingenieurin und Energiewirtin schreibt, ist gleichermaßen spannend wie erhellend und sei zur Lektüre empfohlen. Ein Aspekt ihrer Ausführungen zielt auf die EEG-Umlage, die 2009 noch bei 1,2 Cent/kWh lag. Die Anlagenbetreiber erhielten damals aus den erzielten Einnahmen 10,78 Mrd. Euro an Vergütung. 2013 wurden den Anlagenbetreiber 18,85 Mrd. Euro überwiesen. Der Erhöhung um 80% steht eine Verfünffachung der EEG-Umlage gegenüber: Statt 1,2 Cent/kWh zahlen wir heute 6,24 Cent. Ursache dieser ungleichen Entwicklung ist der ab 2010 neu geregelte Ausgleichsmechanismus, der die Vermarktung des EEG-Stroms am Spotmarkt der Börse vorschreibt. Seit 2010 wird die EEG-Umlage festgesetzt als Differenz des Ausgabenblocks im EEG-Konto und den Einnahmen aus der Börse, einer Berechnungsmethode, von der vorher klar war, dass sie die Umlage in ungeahnte Höhen treiben wird.

Wer hat die 4 Cent?
Warum, so fragt sich der interessierte Beobachter, hat die Rückabwicklung des EEG-Kostentreibers – die „Novellierung des EEG-Wälzungsmechanismus“ – bei der jetzigen Debatte um die EEG-Novelle keine Rolle gespielt?
Hätte sich die EEG-Umlage, wie in der alten Rechtslage vorgesehen, parallel zur Höhe der Vergütung an die Anlagenbetreiber entwickelt, wären heute ca. 2,3 Cent zu zahlen. Es sind aber fast 4 Cent/kWh mehr. Wer steckt sich diese ein? Können mir die Leserinnen und Leser dieses Blogs – getreu der Divise „das Geld ist nicht weg, es hat nur jemand anders“ – verraten, bei wem das Geld landet?

Sozialverträglicher Klimaschutz
Die Energiewende ist ein multidimensionales Projekt. Die Kollegin Luisa Egenlauf nimmt Smart_Meter9991[1]diese Woche die soziale Dimension in den Focus und weist darauf hin, dass Geringverdiener mehr als andere unter den steigenden Energiekosten leiden. Viele Kommunen nehmen sich dieses Problems an und werden vom Deutschen Institut für Urbanistik unterstützt. Das Difu hat jetzt einen Ratgeber „Kommunale Ansätze für einen sozialverträglichen Klimaschutz“ veröffentlicht, der kostenlos zum Download bereit steht.

Sonnensteuer? Effizienzabgabe? Logik?
Top-Thema des Netzes in der abgelaufenen Woche ist zweifelsohne die EEG-Umlage für den selbst verbrachten Strom, die so genannte Sonnensteuer. Robert Doelling von den Energie-Experten bereitet die fünf wichtigsten Argumente gegen die Umlage aufGuido Bröer merkt kritisch zur Begriffswahl an, dass man mit der Wahl des Begriffes „Sonnensteuer“ seinen Gegnern auf den Leim geht, denn der Logik folgend, wäre die EEG-Umlage dann eine Steuer und die Einspeisevergütung eine Subvention.

Dem Pfad der Logik folgt auch Andreas Kühl. Die Begründung für die Eigenverbrauchsabgabe sei der (Teil-)Rückzug aus der Solidargemeinschaft der Nutzer des Stromnetzes. Was Energie spart oder effizient nutzt, bewege sich in die gleiche Richtung. Bis zu 30% des Strombedarfs, so Heinz Dürr im Handelsblatt lassen sich einsparen. Das wäre eine weitaus stärke Belastung für die Solidargemeinschaft als der Eigenverbrauch. Logisch, meint Andreas Kühl, wäre es folglich, auch Energieeffizienz mit einer Abgabe zu belasten.

Rückstellungen für den Rückbau einsammeln?
Riesen ohne Energie nennt der Phasenprüfer Jakob Schlandt in seiner Kolumne die Energiekonzerne RWE und Eon. Er diagnostiziert bei Ihnen eine fortdauernde finanzielle Schwäche verbunden mit der Unfähigkeit, auf disruptive Marktereignisse zu reagieren. Der Eisberg, auf den die Dampfer Stromriesen aufliefen, seien die Erneuerbaren. BevorKonventionell Klein[1] jetzt die Bigschiffe RWE und Eon untergingen, so Schlandt, solle „…schleunigst ernst gemacht werden mit dem Vorschlag, die Rückstellungen für den Rückbau und die Endlagerung der Atomkraftwerke in die öffentliche Hand zu überführen.“
In gleicher Richtung argumentiert Felix Matthes vom Öko-Institut im Interview: „Die großen Energieversorger könnten in absehbarer Zeit Pleite gehen.“ Matthes geht aber einen Schritt weiter als Schlandt und nimmt die Diskussion einer Stiftungslösung für den Rückbau wieder auf. Wer wie Schlandt fordert, die Rückstellungen der Stromkonzerne für den Rückbau per Gesetz einzuziehen, wird nicht umhin kommen, auch daran zu denken, die Aufgaben zu übertragen, für die die Rückstellungen vorgesehen sind.

Und was ist mit dem Personal, das aus den Rückstellungen bezahlt werden sollte? Geht das dann gleichsam an den neuen Eigentümer des Kapitals, die öffentliche Hand über? 

In der komplizierten Energiewelt findet man sich allein nur schlecht zurecht. Gut, dass offene Fragen durch die im Blog versammelte Kompetenz nicht offen bleiben müssen.

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