Das neue Statussymbol der jungen Generation ist Mobilität

Gastautor Portrait

Robin Engelhardt

Student, Gründer EAV Mobility

Robin Engelhardt, Jahrgang 1999, hatte 2014 seine erste Begegnung mit einem Elektroauto. Mit Blick auf die geringen Unterhaltskosten stellte er im Jahr 2015 den elterlichen Betrieb auf reine E-Fahrzeuge um, 2015 und 2016 besuchte er auf Einladung der Bundesregierung die nationalen Konferenzen Elektromobilität. Die nach einem Jahr Elektroauto gesammelten Erfahrungen veröffentlichte er im Bericht „50.000 elektrische Kilometer – nie wieder tanken!“, im gleichen Jahr gründete er zusammen mit seinem Vater die E-Autovermietung EAV Mobility. Er war bundesweit einer der ersten Fahrschüler mit kombinierter Ausbildung in Elektro- und Benzinfahrzeugen und hat viele Vorträge über E-Mobilität bei Unternehmen der Automobil- und Zuliefererindustrie gehalten. 2018 hat er das Abitur bestanden und studiert seitdem Elektrotechnik und Informationstechnik an der Technischen Universität München.

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14. März 2019
Verkehrslichter an Kreuzung

Fahren ja, Besitzen nein.

Immer mehr Studien stellen fest, dass die Jugend von heute sich immer weniger für Autos interessieren. Und jetzt schreibt ausgerechnet derjenige, der seit drei Jahren fast ausschließlich Teslas fährt, einen Artikel über eben diese autoverdrossene Jugend, irgendwie verrückt, oder?

Nein, eigentlich nicht, weil ich trotz der außergewöhnlichen Autos doch ziemlich repräsentativ bin:

Ich kann die Freude am Fahren und den Besitz eines Autos sehr gut voneinander trennen. Ich glaube nicht, dass die Begeisterung für das Auto an sich abnimmt, sehr wohl aber die für den Besitz, weil er einfach viel zu viele Nachteile hat.

So geht es auch meinen Altersgenossen: Prinzipiell haben viele weiterhin Spaß am Autofahren, aber eben nicht am reinen Besitzen.

Teurer Klotz am Bein

In den allermeisten Universitätsstädten ist ein Auto mehr Klotz am Bein als Spaßfaktor.

Robin Engelhardt

Woran liegt das? In den allermeisten Universitätsstädten ist ein Auto mehr Klotz am Bein als Spaßfaktor. Man steht mehr als dass man fährt und den Zielort kann man zigmal umkreisen, bis man endlich einen Parkplatz findet. Dieser ist dann meistens noch ziemlich teuer – in München kostet das Parken neben der Uni 2 Euro die Stunde. Das Semesterticket der Münchner Verkehrsbetriebe kostet, auf einen Tag heruntergerechnet, die Hälfte. Vielen Berufstätigen können solche Beträge egal sein – Studenten hingegen überlegen sich ganz genau, ob sie wirklich für das Stehen mehr Geld als für das Fahren ausgeben wollen.

Genau deswegen sieht kaum einer mehr die Notwendigkeit, ein eigenes Auto zu besitzen. Wer eins hat, bekommt das von den Eltern gezahlt uns nutzt es auch genau einmal im Semester, wenn es heim zu Mami und Papi geht – die restliche Zeit steht es rum und verliert Wert. Ich bin kein BWLer, aber wirklich clever kann das nicht sein.

Selbst Spaß haben oder andere beeindrucken?

Menschen aus anderen Generationen leisten sich diesen Luxus als Statussymbol – Studenten fehlt dafür in aller Regel das Geld. Unabhängig davon ist ein Auto in meiner Generation definitiv kein Statussymbol mehr, das lässt sich an mehreren Dingen festmachen:

Früher ging es darum, mit einem Auto andere zu beeindrucken; wunderbares Beispiel dafür sind die Leute, die mit einem fetten Auto durch die Prachtstraßen unserer Städte fahren, den Motor aufheulen lassen und herumrasen wie die Irren. Die haben sicher auch Spaß, aber bei den meisten geht es hauptsächlich darum, anderen Menschen zu imponieren. Auch wir fahren gerne und gerade mit einem Elektroauto tritt man gerne aufs Gaspedal. Aber wir machen das nur für uns. Wir müssen damit niemanden beeindrucken (ohne Motorsound ist das ja auch schwierig möglich, da müsste man bei jedem Ampelstart hupen, um Aufmerksamkeit zu bekommen). Uns geht es nur darum, selbst ein bisschen Spaß zu haben – was die anderen denken, ist völlig egal.

Blechkisten sind keine Statussymbole

Ein weiteres gutes Beispiel sind die Reaktionen, wenn ich an meiner Schule mit einem Tesla vorgefahren bin: Die Lehrer haben gestaunt, mich ausgefragt, die meisten waren begeistert. Die Schüler sind mit ihren Fahrrädern am Parkplatz vorbei zu den Fahrradständern gefahren und haben dem Auto keinen einzigen Blick zugestanden, schließlich ist das nur eine weitere Blechkiste unter vielen auf dem Parkplatz.

 

Das Auto ist als Statussymbol einfach überholt. Es wurde auch nicht vom Smartphone abgelöst – wer welches Endgerät mit sich herumträgt, ist der Mehrheit ziemlich egal. Das neue Statussymbol meiner Generation ist Mobilität.

Flächenfresser

Mobilität ist übrigens nicht gleich Verkehr, sondern die Beweglichkeit von Personen oder Gütern. Im Autoverkehr erleben wir das Paradoxon, dass mehr Verkehr für weniger Mobilität sorgt – weil immer mehr Autos nicht immer mehr Personen transportieren, sondern irgendwann einen Stau bilden, durch den weniger Personen transportiert werden können.

Bahnen hingegen transportieren viel mehr Menschen und haben viel höhere Kapazitätsgrenzen als das Auto (überlegen Sie einfach mal, wie viel Fläche Ihr Auto verbraucht und wie viele Stehplätze in einer U-Bahn auf dieser Fläche untergebracht werden können).

Weil Mobilität das neue Statussymbol ist, hat die S/U-Bahn- oder Tramstation in fußläufiger Entfernung zur Wohnung einen viel höheren Stellenwert als ein eigenes Auto oder eine Tiefgarage. Viele Studenten, die außerhalb Münchens wohnen, würden ihr eigenes Auto sofort gegen einen besseren ÖPNV-Anschluss eintauschen.

Fahrräder sind einfach großartig

Umweltfreundlich, gesund, flexibel und günstig - Fahrräder sind einfach großartig.

Einen ebenfalls hohen Stellenwert haben Fahrräder – wer das Glück hat, von der Wohnung bis zur Uni einen durchgehenden Radweg zu haben, wird viel eher beneidet als derjenige, der mit seinem Auto stundenlang einen Parkplatz suchen muss.

Überhaupt sind Fahrräder einfach großartig: Man ist wahnsinnig umweltfreundlich unterwegs, in den allermeisten Städten gleich schnell wie das Auto (teilweise sogar schneller) und hat praktisch keine Kosten. Und man kann in Gruppen fahren, sich unterhalten und trotzdem flexibel bleiben. Wenn man als Gruppe mit dem Auto unterwegs ist, kann entweder jeder für sich isoliert fahren, oder man sitzt zusammen in einem Auto, dann sind einzelne Gruppenmitglieder aber nicht mehr flexibel. Zu guter Letzt sind Fahrräder unheimlich günstig: Die Energiezufuhr ist über die Nahrungsaufnahme das Radfahrenden gedeckt, Versicherung braucht es keine, die Anschaffung ist (wenn es nicht gerade das neueste Carbon-Hightech-Rad sein muss) sehr günstig, die Wartung auch. Für meine Altersklasse (also mehrheitlich Schüler, Studenten oder Auszubildende) gibt es eigentlich keine bessere Kombination als ein gebrauchtes, günstiges Fahrrad und ein Monats-/ Semesterticket für den lokalen ÖPNV.

Zeitlos relevant

Mobilität wird immer wichtig sein – auch wenn in einer digitalisierten Welt manchmal der Eindruck entsteht, man müsste das Haus gar nicht mehr verlassen. Aber auch, wenn es Netflix gibt, will man doch mal ins Kino. Trotz Vorlesungsaufzeichnungen kann es ganz gut sein, persönlich im Hörsaal zu sitzen, weil man da ganz analog und unkompliziert Fragen stellen kann. Und trotz Skype will man die Familie auch mal real besuchen.

Mobilität statt Verkehr

Wichtig ist, dass in Zukunft Mobilität und Verkehr klar getrennt werden: Wir sollten eigentlich keine Verkehrspolitik, sondern Mobilitätspolitik haben. Es darf nicht mehr darum gehen, wie man bereits  sechsspurigen Straßen nochmal eine Spur hinzufügt, nur damit man dann 25 statt 30 Minuten im Stau steht. Stattdessen sollte man überlegen, wie man Menschen am schnellsten, umweltfreundlichsten und günstigsten von A nach B bringt.

Das geht nicht mit noch mehr Autos (egal ob Diesel oder elektrisch –  im Stau stehen alle gleich schnell), sondern mit besserem ÖPNV (der auch billiger sein sollte – für Berufstätige sind die Preise nicht so rosig wie für Studenten) und mehr Radverkehr.

Weg vom Auto

Wir müssen in den Städten einfach vom Auto wegkommen, ganz radikal

Robin Engelhardt

Wir müssen in den Städten einfach vom Auto wegkommen, ganz radikal. Natürlich geht es nie ganz ohne, aber dass Kinder im SUV zur Schule gefahren werden, muss doch nicht sein (die meisten Kinder wollen das auch nicht, sagen aber nicht nein, wenn die Eltern es anbieten. Zumindest zu meiner Schulzeit war es extrem „uncool“, von den Eltern kutschiert zu werden). Kleiner Inspirationstipp: einfach mal nachts über die leeren Hauptverkehrsadern einer Großstadt laufen. Wenn die Autos fehlen, wird einem klar, wie viel Fläche wir an diese Blechkisten verschenkt haben und was man damit alles machen könnte.

Gleichzeitig ist natürlich enorm wichtig, dass Gräben zwischen Stadt und Land nicht vertieft werden. Auf dem Land wird es ohne Auto in vielen Fällen nicht gehen, und viele Sharing-Modelle oder öffentlicher Nahverkehr sind unwirtschaftlich. Deshalb muss das Auto über wesentlich mehr P+R-Parkplätze mit dem ÖPNV verzahnt werden. Jedes Auto, dass vor der Stadt parkt, bedeutet einen Parkplatz in der Stadt weniger bzw. 10 Fahrradstellplätze mehr.

Unsere Generation wird’s wohl richten müssen

Auch wenn es viele gute Ansätze gibt, sehe ich nicht ernsthaft, dass unsere Politik wirklich in die Richtung geht. Mit Debatten um Fahrverbote, Tempolimits und jetzt ganz aktuell Flugtaxis zeigt man, dass die Städte immer noch den Autos gehören und nicht den Menschen.

Wir werden uns in absehbarer Zeit wohl selbst darum kümmern müssen. Sollte kein Problem sein, wir haben noch viel Zeit. Und Fridays for Future zeigt, dass wir wirklich etwas bewegen können. Meine Generation hat gerade erst angefangen, das wird noch spannend!

Die Stiftung Energie & Klimaschutz lädt ein: Urban Mobility Talks am 11.4. in Stuttgart

Wer mit Robin Engelhardt und weiteren Vertreterinnen und Vertretern der neuen Mobilität live diskutieren möchte hat dazu Gelegenheit bei den Urban Mobility Talks am 11. April in Stuttgart. Die Veranstaltung wird organisiert von der Stiftung Energie & Klimaschutz in Kooperation mit der Baden-Württemberg Stiftung. Hier geht es zu weiteren Infos und zur kostenfreien Anmeldung. #UMT2019

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