Akzeptanz der Energiewende: „Wir in Baden-Württemberg wollen mehr.“

Gastautor Portrait

Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
01. Oktober 2018
Foto: © e-mobil BW / Studio KD Busch
Gisela Erler Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung Staatsministerium Baden-Württemberg
Gisela Erler Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung Staatsministerium Baden-Württemberg

In unserem nächsten Debattenabend am 11. Oktober 2018 in Stuttgart steht die Akzeptanz der Energiewende im Mittelpunkt. Mit Gisela Erler, Mitglied der der Landesregierung Baden-Württemberg, Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Dr. Hermann Falk von der GLS Treuhand und Dirk Güsewell, zuständig für die Entwicklung der Erneuerbaren Energien bei der EnBW AG, darf man sich auf ein Podium freuen, das aus ganz verschiedenen Blickwinkeln auf die Energiewende schaut.

Wir hatten Gelegenheit, vorab ein Gespräch mit Gisela Erler zu führen. Die ehrenamtliche Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung im Staatsministerium Baden-Württemberg war Mitbegründerin des ersten linken Verlags in der Bundesrepublik, dem Trikont Verlag (1967), und des Verlags „Frauenoffensive“ (1970). 1983 schloss sich Gisela Erler den Grünen an. Ein Forschungsaufenthalt in den USA brachte sie zum Thema Work/Life Balance und führte im Jahr 1992 schließlich zur Gründung ihres Unternehmens „Familienservice“, heute größter Dienstleister für Firmen in Deutschland rund um Familie und Beruf mit rund 1.500 Beschäftigten. Seit Mai 2011 ist Gisela Erler als Staatsrätin tätig.

Redaktion Energie und Klimaschutz: Soweit wir das überblicken, ist Ihre Funktion als Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Beteiligung, zudem noch ehrenamtlich tätig, singulär in der Bundesrepublik. Was ist Ihre spezifische Aufgabe und Rolle in der Landesregierung Baden-Württemberg?

Gisela Erler: Unser Ministerpräsident hat mit seinem Antritt 2011 versprochen, eine Politik des „Gehörtwerdens“ zu verfolgen. Anspruch der Landesregierung ist es seither, die politischen Wünsche der Bürgerinnen und Bürger nicht nur zu kennen, sondern ihnen Raum und Partizipationsmöglichkeiten zu verschaffen. Als Staatsrätin mit Kabinettsrang ist es meine Aufgabe, die Projekte aller Ministerien zu identifizieren, Möglichkeiten der Beteiligung zu unterstützen oder vorzuschlagen, zu planen und zu begleiten.

Organigramm des Strategiedialog Automobilwirtschaft BW
Organigramm des Strategiedialog Automobilwirtschaft BW

Redaktion: Unser derzeitiges Schwerpunktthema ist die Akzeptanz der Energiewende. Verschafft Ihre Arbeit den Projekten, die sie begleiten, mehr Akzeptanz?

Gisela Erler: Die Akzeptanz von Projekten zu erhöhen, ist immer sehr wünschenswert, aber nicht das zentrale Ziel unserer Arbeit. Im Mittelpunkt steht der demokratische Dialog. Unsere baden-württembergische Beteiligungskultur zielt darauf, die Kreativität und Ideen der Bürgerinnen und Bürger für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft zu nutzen. Je frühzeitiger wir damit in einem Planungsprozess beginnen, desto bessere Ergebnisse erzielen wir. Wenn sich die Kooperation zwischen Politik und Gesellschaft lediglich darauf beschränkt, dass die Bürgerinnen und Bürger nur kosmetischen Einfluss auf schon fest beschlossene Projekte bekommen, wird man auf Dauer keine optimalen Ergebnisse bekommen.

Wir in Baden-Württemberg wollen mehr. Uns geht es um die strategische Einbindung der Zivilgesellschaft. Das heißt, dass der Dialog beginnen sollte, lange bevor konkrete Pläne auf dem Tisch liegen. Wir alle wissen, dass nicht nur bei der Energie, sondern in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen eine Transformation zur Nachhaltigkeit notwendig ist. Bei einer solchen Mammutaufgabe können wir es uns schlichtweg nicht erlauben, auf das Know how, den Erfahrungsschatz und die Ideen in der Zivilgesellschaft zu verzichten.

Eine andere große Aufgabe unserer Zeit ist die Weiterentwicklung der Demokratie und die Eindämmung des Populismus. Das wird uns nur gelingen, wenn die Demokratie auf allen Ebenen stärker erfahrbar wird. Wir müssen die Türen von Politik und Verwaltung öffnen, die Menschen aus ihren Blasen bei Facebook und Co. heraus- und sie in einen echten demokratischen Diskurs hineinholen. Wo Bürgerinnen und Bürger über Fragen und Projekte der Zukunft mitentscheiden, wo ihre Meinung nicht nur geduldet, sondern wert geschätzt und sie als Personen respektiert werden, dort entziehen wir autoritären und populistischen Bewegungen den Boden und stärken Demokratie und Gemeinwesen.

Redaktion: Wie sind Ihre konkreten Erfahrungen mit den Projekten der Energiewende in Baden-Württemberg?

Gisela Erler: Aus vielen Umfragen wissen wir, dass die Energiewende allgemein eine hohe Akzeptanz genießt. Die große Mehrheit der Menschen will den Umbau der Energieversorgung. Das bedeutet aber nicht, dass es vor Ort keinen Widerstand gibt. Nach meiner Beobachtung läuft es in Baden-Württemberg besser als in anderen Bundesländern. Die sich langsam etablierende Kultur der Beteiligung führt dazu, dass wir bei in der direkten Kommunikation vor dem Bau von Windkraftanlagen oder der Netztrasse Süd-Link Kompromisse erzielen, mit denen beide Seiten, die Anwohnerinnen und Anwohner als auch die Auftraggeber, am Ende zufrieden sind.

Anders als bei der Stromversorgung steht die Energiewende im Sektor Verkehr noch ganz am Anfang. Und Baden-Württemberg ist hier in einer besonderen Weise betroffen. Der Automobilbau, und das sind heute immer noch größtenteils Fahrzeuge auf Basis des Verbrennungsmotors, ist das Rückgrat der Wertschöpfung und der Beschäftigung hier im Land. Wir wissen heute, dass die Mobilität der Zukunft eine völlig andere sein wird als der automobile, fossil angetriebene Individualverkehr von heute. Um diesen Transformationsprozess, der kommen wird und den wir nicht aufhalten können, zu gestalten, haben wir den Strategiedialog Automobilwirtschaft BW ins Leben gerufen. Dieser Dialog, gestartet im Mai 2017, ist auf insgesamt sieben Jahre angelegt. Er umfasst sechs vorwiegend technisch angelegt Themenfelder und – als Querschnittsaufgabe – den Bereich „Gesellschaft und Mobilität“. Jetzt liegt der erste Forschrittsbericht vor.

Unsere Vision 2050 für Baden-Württemberg ist ein klimaschonendes, nachhaltiges und sozial verträgliches Verkehrs- und Mobilitätsverhalten. Auch die industrielle Wertschöpfung, die wir im Land behalten wollen, wird dann in großen Teilen eine andere sein.

Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch

Herzliche Einladung

Der Debattenabend „Akzeptanz der Energiewende“ findet statt am 11. Oktober 2018 in Stuttgart

Wie immer haben wir einige Plätze bei dieser Veranstaltung für die Besucherinnen und Besucher unserer Plattform reserviert.

So können Sie teilnehmen: Bitte schreiben Sie uns eine E-Mail mit dem Betreff „Homepage“ an: anmeldung@energie-klimaschutz.de

Ergänzende Informationen erhalten Sie im Zuge der Teilnahmebestätigung.

Livestream

Haben Sie keine Gelegenheit zur Veranstaltung nach Stuttgart zu kommen, interessieren sich aber fürs Thema? Wenige Tage vor der Veranstaltung veröffentlichen wir auf der Veranstaltungsseite den Link zum Livestream des Abends, über den Sie der Veranstaltung folgen können.

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